Tourismuswelt

Verspätungen sind beim Reisen an der Tagesordnung – fehlende Informationen darüber, wann die Reise weiter geht, leider auch. Bild: Fotolia

Einwurf Verspätet, veräppelt, verärgert

Artur K. Vogel

Wir leben im Zeitalter der Kommunikation – angeblich. Aber das scheint noch nicht bei allen angekommen zu sein. Zu diesem Schluss jedenfalls muss kommen, wer regelmässig Bahn und Flug benutzt.

Nehmen wir einen Easyjet-Flug von Nizza nach Genf: Beim Einchecken wird eine halbstündige Verspätung kommuniziert. Diese weitet sich später auf eine Stunde aus, dann auf zwei, schliesslich auf drei. Bei der Ankunft in Genf sind die letzten Züge Richtung Bern, dem Wohnort des Reisenden, abgefahren. Es gibt nur noch zwei Möglichkeiten: entweder ein Taxi, das wahrscheinlich einen halben Monatslohn verschlingen würde, oder ein Hotel. Der verspätete und übermüdete Fluggast entscheidet sich für Letzteres und steigt nicht etwa in einem der legendären Genfer Luxusschuppen ab, sondern in einem Zweieinhalbstern-Etablissement beim Bahnhof Cornavin.

Die Rechnung über 135 Franken für die Übernachtung und ein frugales Frühstück schickt er Easyjet. Diese weigert sich zu zahlen mit der originellen Begründung, man hätte in Nizza nächtigen sollen, dann wären die Hotelkosten übernommen worden. Als ob ein Fluggast, der schon eingecheckt und das Gepäck abgegeben hat, wieder aussteigen könnte.

Zweites Beispiel: Die Freundin hat den letzten Abendflug von Hannover nach Zürich gebucht, nicht etwa bei einer Billig-Airline, sondern bei der reputierlichen Swiss. Über WhatsApp teilt sie ihrem Lebensabschnittspartner (also mir) mit, dass sie nun am Einchecken sei. Dieser (also ich) geht rasch ins Internet, um sich zu versichern, dass der Flug keine Verspätung hat, weil er nämlich nicht stundenlang im Flughafen herumwarten will. Auf der Webseite von Swiss wird ihm in dicken roten Lettern mitgeteilt, dass der Flug aus Hannover in der Tat nicht verspätet ist, sondern CANCELLED. Ein Anruf bei der Freundin bestätigt das Unvorstellbare: Der Internet-Nutzer in Bern ist bereits informiert, dass der Flug gestrichen wurde, während die Passagiere in Hannover, also die zahlenden Swiss-Kunden, noch keine Ahnung von ihrem «Glück» haben.

«Der Zug wendet ausnahmsweise schon hier»

Drittes Beispiel: Der ICE aus Berlin kommt mit 70 Minuten Verspätung In Basel Badischer Bahnhof an. Unterwegs sind den Passagieren drei verschiedene Begründungen aufgetischt worden. Und staunend haben sie zugeschaut, wie ihr Zug irgendwo in der Nähe von Rastatt vom ICE überholt wurde, der eine Stunde später aus Berlin abgefahren war. (Ja, klar, das war, bevor die Strecke für Monate lahmgelegt wurde, weil sich bei ebendiesem Rastatt die Gleise gesenkt hatten.) Nun kommt der ICE-Bummelzug also in Basel Badischer Bahnhof an, der zweitletzten Station auf seiner mühsamen Reise, die in Basel SBB enden soll. Der zweitletzten? Nein: der letzten! Den Passagieren wird nämlich bei Einfahrt in den Bahnhof mitgeteilt, dass der Zug «ausnahmsweise» schon hier wenden werde. Wie sie nach Basel SBB und zu ihren Anschlusszügen gelangen? Ist der Deutschen Bahn offensichtlich wurscht.

Typisch DB, denkt der Reisende. Die Deutschen sind inzwischen etwa gleich zuverlässig wie die Italiener; Verspätungen sind die Regel, nicht die Ausnahme.

Bis er aus geschäftlichen Gründen ein paarmal mit der SBB von Bern nach Genf Flughafen fahren muss. Die ersten drei Male hat der Zug Verspätung: zwischen vier und zehn Minuten. Das vierte Mal aber macht die SBB auf DB: Im Genfer Hauptbahnhof wird den Passagieren mitgeteilt, dass dieser Zug «ausnahmsweise» nicht bis Genf Flughafen fahre, sondern dass schon in Genf Cornavin Endstation sei. Wie die Passagiere, viele von ihnen mit Ferienkoffern und Grossgepäck, zum Flughafen kommen sollen? Ist den Schweizerischen Bundesbahnen offensichtlich wurscht.

Für die nächste Deutschlandreise, von Bern nach Bamberg, nimmt der frustrierte Reisende das Auto. Google Maps veranschlagt für die 555 Kilometer eine Fahrzeit von fünf Stunden 21 Minuten plus Pinkelpausen. Doch der zunehmend gestresste Reisende bleibt in exakt acht Staus stecken; statt gut fünf ist er schliesslich knapp zehn Stunden unterwegs.

Fazit? Erstens scheint es im Zeitalter der Kommunikation mit dieser noch immer nicht zu klappen. Das zweite ist aber viel gravierender: Die globalisierte Wirtschaft verlangt von ihren Teilnehmern eine immer grössere zeitliche und räumliche Flexibilität. Die Infrastruktur und die Transportmittel, welche diese Flexibilität erlauben sollten, werden aber immer unzuverlässiger. Da fragt man sich schon, im Stau stehend oder stundenlang im Flughafen herumsitzend, wie beides unter ein und denselben Hut gehen soll.