Destinationen

Tschechien: Drei Bäder und viel Golf

Im äussersten Westen Tschechiens bilden drei alte, einst weltberühmte Städte ein Dreieck: Karlsbad, Marienbad und Franzensbad. Das Trio bietet viel Geschichte, gesundes Wasser und abwechslungsreiches Golf.

Hier kurierten schon Zaren ihre Gebrechen und tranken Könige Wasser, und auch die reichen Gewinner der frühen Industrialisierung Europas fanden Erleichterung in Schlammbädern und Unterhaltung in prächtigen Konzertsälen.  

Der Ort Vary, der schon im Jahr 1370 vom römisch-deutschen Kaiser und dem böhmischen König Karl IV. zusammen mit dem Titel „Königsstadt“ auch dessen Namen bekam, wurde mehrmals neu aufgebaut, jedes Mal noch schöner und prächtiger. Die Anwendung der Kuren mit dem heilsamen Wasser der zwölf Karlsbader Heilquellen startete im 18. Jahrhundert, und der Kurbetrieb wuchs über die Jahrzehnte bis zur ganz grossen Blüte anfangs des 20. Jahrhunderts.  

Die Wässer der Quellen und die Kuren zeigten Wirkung bei den Herrschaften, bald schon verlangten sie auch nach sportlicher Betätigung, So schuf vor über 110 Jahren der Fechtclub von Karlsbad den ersten 9-Loch-Platz, unmittelbar bei der Stadt. Der erste Weltkrieg und der Zerfall der österreichischen Donau-Monarchie setzten dieser Blüte ein Ende, doch konnte der Club 1933 trotzdem einen neuen Platz einweihen, dieses Mal gar mit 18 Loch. Der heute noch bestehende Parcours liegt rund fünf Kilometer ausserhalb des Zentrums  in einem hügeligen Waldgelände. Die Freude am Spiel dauerte nur bis zum  Zweiten Weltkrieg. Ab 1948, unter kommunistischer Herrschaft, galt Golf als „unerwünscht“, wurde aber toleriert. Es gelang einer Handvoll engagierter Mitglieder, den schönen Platz zu erhalten und vor dem Verfall zu bewahren. 

Suppe statt Pilze suchen...

Heute präsentiert sich die Par-72-Anlage von 6167 Metern Länge als sportlicher, gepflegter Parcours mit schönem Baumbestand und abwechslungsreichem Layout. 

Freundlich und einladend die ersten acht Löcher, breite Fairways, wenig Wasser, kurze Wege vom einen Green zum nächsten Tee.  Am 9. Loch aber rückt der Wald näher, sehr nahe sogar. Das romantisch eingewachsene Halfway-Haus bietet noch einmal Rast, dann aber gilt es ernst. Wer nun den Ball verzieht und in die Bäume gerät, ist mit einem Pilzbuch besser ausgerüstet als mit Eisen jeder Art. Pilze finden sich zuhauf, Bälle kaum mehr; das Unterholz ist dicht und der Wald steht schwarz und schweiget... Eine Population von Zieseln, eine gefährdete Art von putzigen Erdhörnchen, lebt auf dem Gelände des Platzes, doch verantwortlich für unauffindbare Bälle sind immer noch verzogene Schläge und nicht sie. Nicht riesig, aber sehr gemütlich ist das Clubhaus. Sein Restaurant wurde schon mehrmals als bestes Clubrestaurant Tschechiens gewählt – kein Wunder, seine Küche wird vom Karlsbader Traditionshotel Pupp geführt. Die schlichte, deftige tschechische Krautsuppe vor dem Start war wirklich sehr schmackhaft und lieferte Energie für eine genussvolle Runde.

Die kleine Stadt Karlsbad ist gut geeignet als Ausgangspunkt für eine Golf-Entdeckungsreise, gut zu verbinden mit ausgiebiger Wellness oder einer echten medizinischen Bäderkur. Vor allem das Bäder- und Kurviertel wurde glücklicherweise im Zweiten Weltkrieg kaum beschädigt, und auch die Zeit der kommunistischen Herrschaft hinterliess relativ wenige architektonische Sünden, nur Vernachlässigung. In den Jahren seit der letzten Wende wurde mit viel, hauptsächlich russischem Geld ein Grossteil der noblen Bauten wieder in die alte Pracht zurückversetzt.  

Im Hotel Savoy West End verbindet ein grosszügiges Bade- und Kur-Spa das ursprüngliche Hotel mit vier Herrschaftsvillen zu einem eindrücklichen Ensemble, das nun unter initiativer schweizerischer Leitung Stil, Komfort und Kur auf höchstem Niveau bietet. Die benachbarte russisch-orthodoxe Kirche vermittelt einen für Westeuropäer schon fast märchenhaften Eindruck. Und doch: Karlsbad ist von der Schweiz aus in etwa sechs Stunden mit dem Auto zu erreichen. Das tägliche, opulente Buffet  des Savoy mit seinen vielfältigen russischen und tschechischen Einflüssen bietet einen Geschmacks-Input, der die in westeuropäischen Küchen grassierende Balsamicostreifen- und Parmesansplitter-Mode so schnell vergessen lässt wie die Wässer der zwölf öffentlichen Trink-Quellen eine lästige Verstopfung. Es muss übrigens nicht immer Wasser sein: Tschechisches Bier geniesst Weltruf, und auch gute tschechische Weine gibt es zu entdecken.

Nackte Haut an der Wand 

Von Karlsbad aus schnell zu erreichen ist der Resort-Platz Astoria in Cihelny. Der 6005 Meter lange  Par-72-Platz liegt, überragt von einem romantischen Schlösschen, in einer lieblichen Auenlandschaft im Tal des Flusses Tepla. Vor kurzem an einen Investor aus Aserbaidschan verkauft, soll er zu einem 5-Sterne-Resort ausgebaut werden. Zur Zeit unseres Besuchs präsentierte er sich abwechslungsreich mit viel Wasser, schön zu spielen und bequem zu gehen bis zum letzten Anstieg zurück zum Clubhaus. Hier stärkte uns nach der Runde eine kräftige, solide Suppe für kaum zwei Franken. Etwas seltsam kommen dem Schweizer Besucher hingegen die Schwarz-Weiss-Fotos an den Wänden des wenig anheimelnden Clubhauses vor: Die abgebildeten Damen entsprechen gar nicht golferischer Kleider-Etikette, sie sind nämlich grösstenteils nackt...  

Golfen auf dem Aushub 

Von Karlsbad aus in westlicher Richtung liegt, ebenfalls schnell erreichbar, der Platz von Sokolov. Er bildet einen grossartigen Kontrast zu den vorherigen Courses;  mit seinem hellen, trockenen Rough und der starken Wind-Exponierung kommen beim Spiel immer wieder Gedanken an Links-Golf auf. Die Gegend um Sokolov ist bis heute Kohle-Gebiet; jahrzehntelang wurde hier im Tagbau Braunkohle abgebaut, mit der eine Dreckschleuder von Kohlekraftwerk befeuert wurde. Der Abraum dieser Kohlegruben wurde zu einem riesigen Hügel aufgeschüttet. Nach Öffnung des Landes wurde das Kraftwerk mit grossem Aufwand und deutschem Geld modernisiert und „entschärft“, der Abraum-Hügel mit Erde bedeckt und darauf der Golfplatz gebaut, Teiche angelegt, Tausende Bäume gepflanzt.  Der 6288 Meter lange Par-72-Platz bietet heute herrlichen, sportlich anspruchsvollen Auslauf mit Aussicht in nunmehr guter Luft.  

Von Karlsbad aus gesehen noch etwas weiter westlich liegt das kleinste der drei geschichtsträchtigen Bäder, Franzensbad, das ein Kurstädtchen-Flair vermittelt wie in einem alten Film. Kaum vier Kilometer von der bayerischen Grenze entfernt eröffnete hier 2003 ein deutscher Unternehmer einen grossartigen Platz unter dem Namen Franzensbad. Stolze 6561 Meter lang, windet er sich über fast unverändert geblieben scheinendes ehemaliges Landwirtschaftsland; Bäume, Wälder und Teiche waren schon da und wurden erhalten und einbezogen.  Mit Sorgfalt und gutem Geschmack wurde wenig Erde bewegt, diese jedoch an die richtigen Stellen. Tee-Boxen entstanden mit Stützmauern aus rohen Steinen und sind so in die Landschaft gesetzt, als seien sie schon vor langer Zeit von den Bauern gebaut worden. Um zu verhindern, dass auf diesem langen Platz ausgiebig nach Bällen gesucht wird, wird das Rough an den allermeisten gefährlichen Stellen kurz gehalten, ohne dass jedoch der ländlich-natürliche Eindruck verlorengeht.

Kynsvart: Wieder verlottert 

  Auch der 2008 eröffnete Platz von Kynsvart, am Weg von Franzens- nach Marienbad gelegen, hat Blaublütiges in seiner Geschichte: Der Park aus dem Jahr 1820, in welchem er zum Teil gebaut wurde, gehörte zum Schloss des Fürsten Metternich, der am Wiener Kongress die Fäden der Europäischen Politik zog und hier unter anderen Zar Alexander I. beherbergte. Herrlich herrschaftlich, abwechslungsreich zwischen waldig und weit ist die Landschaft, in die die 6630 Meter lange Par-72- Anlage gebaut wurde – ein fürstlicher Park eben.

Ein Teil der Bahnen ist direkt in den Schlosspark "gehauen" worden. Dadurch werden die Bahnen oft links und rechts von Wald begleitet, was zum Gefühl verleitet, dass hier schon vor 100 Jahren Golf gespielt wurde. Der Platz ist eigentlich ein Traum. Umso mehr blutet auch dem bürgerlichen Golfer heute das Herz, wenn er auf der Runde feststellt, in welch lamentablen Zustand der Platz heute ist, kaum fünf Jahre nach der Eröffnung.  Der private Besitzer scheint die Lust an seinem Spielzeug verloren zu haben. Ganze zwei Greenkeeper entdeckten wir an einem gewöhnlichen Freitag auf dem Platz; sie versuchten, eines der stark von Pilzen befallenen Greens zu retten. Der Rest scheint sich selbst überlassen: Gras wuchert in den Bunkern, Plastikflaschen schwimmen in einem Teich, Gras- und Schilfschnitt rottet vor sich hin –, da helfen auch die 30 Prozent Greenfee-Ermässigung nicht.  Die Freude über die malerische Aussicht vom Abschlag des 17. Lochs, einem kurzen Par 3 bergab vor einen Teich, in dem sich das fürstliche Schloss spiegelt, wird radikal getrübt, als wir zum Green kommen: Wenige Meter daneben liegt, offenbar seit langem schon,  im Gras ein Damen-Slip... 

Königliches Marienbad

Gediegen und klassisch hingegen geht es dann wieder zu und her in der unteren Ecke dieses Golf- und Bade-Dreiecks Marienbad, kaum 50 Kilometer südwestlich von Karlsbad. Hier wird im Winter auch Ski gefahren. 1905 wurde hier – angeregt von einem prominenten Kurgast, dem englischen König Edward VII. – ein gepflegter, flacher 18-Loch-Platz gebaut. Er liegt auf rund 700 Metern und ist der älteste Parcours Tschechiens, welcher sich heute noch am gleichen Ort befindet. Einzig die Löcher 2 und 3 wurden in den 70er-Jahren verlegt, der Rest liegt noch im Schatten der damals gepflanzten Bäume, die einem heute das Gefühl vermitteln, in einem lichten Wald zu spielen. „Royal“ darf sich der Platz mit offizieller Erlaubnis der Queen von England nennen, eine gute Freundin von ihr war in den 30er-Jahren mehrfache Clubmeisterin. Das stilvolle Clubhaus, das im Winter auch für Skilangläufer offen steht, strahlt den viktorianischen Charme einer Miss Marple aus. 

Zurück im romantischen Bäderquartier von Karlsbad, hätte ein Gläschen des geheimnisvoll-aromatischen Kräuterlikörs, den der Bäderpionier Doktor David Becher komponiert hatte und der heute unter dem Namen „Becherovka“ auch gerne als  die 13. Quelle Karlsbads bezeichnet wird,  die alte Detektivin und Golferin überzeugt,  das Spiel in dieser golferisch, historisch und kulturell so reichen Gegend genauso zu geniessen wie in ihrer englischen Heimat.  

(SW)