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Die Donaumündung bezaubert Fotografen, Naturbeobachter und Fischer gleichermassen. Bild: SRT

Durch Rumäniens Everglades 

Europas majestätischer Strom ist nirgends schöner als im Donaudelta: Schilf-Inseln, Binnenseen, Lagunen und Kanäle bilden ein einmaliges Naturparadies – Rumänien präsentiert sich an der Fespo als Gastland am Stand 3.040.

Gemächlich schippert das Ausflugsschiff auf einer Abzweigung des Sulina-Arms, einem von vielen Wegen, auf denen die Donau gemächlich in Richtung Schwarzes Meer trödelt. Es scheint fast so, als würde sie hier in Rumänien, so kurz vor ihrem salzigen Ende, noch so viel Landschaft mit süssen Wassern umschmeicheln wollen, wie es nur eben geht.

Hier noch eine Extraschleife, dort noch eine Windung, dann wieder mal eine Sandbank, und immer weitere Verästelungen hinein in ein Dickicht aus urzeitlichen Auenwäldern: Europas grosser Strom verlässt sein Bett an Europas Peripherie wie er gerade Lust hat.

Er räkelt sich, streckt sich und modelliert seine eigene Welt - die weitgehende Abwesenheit von Menschen macht es möglich. Vieles hier im Osten Rumäniens weckt Erinnerungen an den Dschungel der Everglades. So mögen Rhein, Elbe und Co. auch einst ausgesehen haben, lange bevor sie zu Wasserstrassen vernetzt wurden.

Wirkte die Donau vor ein paar Tagen in Budapest wie gezähmt, erst recht noch in Wien, wo sie gemächlich im Walzertakt vor sich hin plätscherte, hat sie nun jede zivilisatorische Contenance und habsburgischen Dünkel abgelegt. Die Donaukreuzfahrt spart sich alles für das grosse Finale auf: Schilf-Inseln und Binnenseen wechseln sich mit Lagunen, Kanälen und Sümpfen ab. Tückische Stromschnellen, gerissene Strömungen und versteckte Sandbänke können Bootsführer ganz schön aus der Ruhe bringen.

Nur Kapitän Viorel spielt nicht mit. Seit dem Umstieg im Hafen von Tulcea aus der Komfortzone des Flusskreuzers in das wendigere Kleinboot steuert er einhändig. In der anderen Hand glimmt die Zigarette. Der Mittdreissiger wirkt mit seinem Schnurrbart, der braunen Haut und dem schwarzen Zopf so verwegen wie Hollywood-Pirat Jack Sparrow. Sein Job: Tag für Tag Ausflügler mit den wilden Facetten der Donau vertraut machen.

Kormorane und Reiher dicht am Wasser

Dröhnendes Quaken, überlagert von monotonem Dauerzirpen, kehliges Gurren – die akustische Kulisse im Donaudelta ist lautstark. Kopf einziehen, heisst es immer wieder, wenn Äste wirr aus dem dicht bewaldeten Ufersaum auf das Sonnendeck ragen. Hinter jeder Kurve ein neues Staunen bei flirrender Hitze. Kormorane und Reiher, die in den Bäumen dicht am Wasser in Scharen nisten, schauen von ihren Gelegen auf und glotzen gelassen. Schwärme von rosa Pelikanen vor dem Bug filtern mit ihren seltsam geformten Schnäbeln den Fluss nach Fisch und gewähren der «Primar Sulina» in aller Ruhe eine schmales Gasse zum Durchfahren.

Auf einer zweiwöchigen Donau-Kreuzfahrt besucht man die traditionsreichen Metropolen Wien und Budapest, erlebt den k.u.k.-Charme, reitet auf Pferdegespannen durch die wüstenartige ungarische Puszta und staunt über das Eiserne Tor, den schmalen Durchbruch der Donau in den Karpaten.

Aber all das verblasst gegen dieses einmalige Naturparadies des Deltas, in dem über 5000 Tier- und Pflanzenarten leben. Man sitzt auf einer Holzpritsche mit einer Flasche Ursusbier in der Hand und einer leichten Sonnenröte auf der Nase, und lässt zufrieden die Landschaft vorbeiziehen. Dann ein Zuprosten hinüber zu einem ausgewachsenen Fischotter, der sich am Ufer neugierig auf seine Hinterbeine stellt.

Plötzlich zuckt etwas im Wasser: «Napârca» benennt Viorel gelassen die plötzliche Erscheinung. Eine dicke Ringelnatter nimmt sich einfach die Vorfahrt. Allmählich setzt die Dämmerung ein. Das Abendrot und aufsteigende Nebelschwaden verleihen der Szenerie eine märchenhafte Aura. Später rückt die Hafenpromenade von Tulcea wieder ins Blickfeld, die Dschungeltour neigt sich dem Ende zu.

Kapitän Viorel schüttelt allen Passagieren mit gleichmütiger Miene die Hand. Er presst ein freundlichen «La Revedere» zum Abschied heraus, bevor es über einen Holzsteg wieder an Land geht. Nur wenige Meter weiter liegt das Kreuzfahrtschiff am Kai. Morgen früh lichtet es den Anker und weiter geht es durch die Dobrudscha dem Schwarzen Meer entgegen.

(MWE/SRT)