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«Jeder, der Geld verloren hat, stellt sein Buchungsverhalten in Frage»
Gregor WaserDeniz Ugur, wie haben Sie das Beben der Thomas-Cook-Pleite erlebt? Mit welchen Auswirkungen für Bentour Reisen?
Deniz Ugur: Unmittelbare Auswirkungen stellen wir beim Wegfall unseres Mitbewerbers Öger Tours fest. In Deutschland wechseln viele Agenturen zu uns, Hotels von Trendy und Paloma sind nun exklusiv bei uns verfügbar und es haben sich für uns mehr Flugkapazitäten eröffnet. Eine weitere Entwicklung ist die, dass Agenturen künftig nicht mehr nur auf einen grossen Veranstalter setzen, sondern dass Klumpenrisiko auf verschiedene Veranstalter verteilen. Diese Risikostreuung dürfte uns als Ergänzungsveranstalter zu Gute kommen.
Und wie verändert die Pleite die Reisebranche?
In Zukunft wird auf die Kapitalstruktur, Seriosität und Zahlungsgenauigkeit eines Reiseveranstalters stärker geschaut. Diese Themen rücken nun in den Vordergrund, in diesem Bereich wird es weniger Kompromisse geben. Auch Hoteliers werden ihr Zahlungsziel überdenken. Viele haben Thomas Cook ein Zahlungsziel von bis zu 60 Tagen nach der Abreise gewährt. Hier wird die Schraube sicherlich angezogen.
Ein weiteres Fragezeichen dreht sich um Frühbucher-Rabatte. Es ist ja so, dass Reiseveranstalter in der Frühbucherperiode gebuchte Reisen zur Hälfte schon zahlen, um überhaupt die tiefen Rabatte zu erhalten. Der Reiseveranstalter macht so für den Markt einen wichtigen Schnitt, holt Frühbucher-Rabatte heraus und sorgt gleichzeitig für Liquidität in den Hotels - und entsprechend braucht der Veranstalter von Kundenseite eine Anzahlung. Wenn man nun künftig sagt, der Veranstalter soll keine Anzahlung mehr kriegen, wird die Konsequenz sein, dass es diese Frühbucherrabatte in dieser Form nicht mehr geben wird.
(Anm. d. Red.: Für Reisebüros sind die Verhältnisse in Deutschland und der Schweiz unterschiedlich. Gehen die Kundenzahlungen in der Schweiz zunächst zum Reisebüro und dann weiter mit Abzug der Provision zum Veranstalter, erfolgen die Zahlungen in Deutschland direkt vom Kunden zum Veranstalter und dieser zahlt dann die Provision rückwirkend dem Reisebüro.)
«Thomas Cook Schweiz war nie Reiseveranstalter, hier handelte es sich um eine Täuschung»
Als wie gross erachten Sie den Schaden beim Endkunden nach der Thomas-Cook-Pleite – hat dieser nun nicht den Glauben an die abgesicherte Pauschalreise verloren?
Jeder, der Geld verloren hat, stellt nun sein Buchungsverhalten in Frage. Wer genauer hinschaut, stellt aber fest, dass es der deutsche Gesetzgeber selber war, der eine Deckelung der Schadenssumme eingebaut hat und der dafür gesorgt hat, dass die Pauschalreise als nicht so sicher gilt, wie sie deklariert wurde. Insofern ist die Branche weniger schuld als die Politik. So weit denkt aber nicht jeder und damit bleibt haften, dass die Pauschalreise doch nicht so sicher ist. Aber auch da gibt es zwischen Deutschland und der Schweiz deutliche Unterschiede. In der Schweiz gab es ja auch vereinzelte Thomas-Cook-Buchungen. Hier handelte es sich aber um eine Täuschung, denn Thomas Cook Schweiz war nie Reiseveranstalter – sie suggerierten das zwar –, aber die Buchungen liefen komplett über Deutschland. Dieses Fälschungsmodell ist nun das, was in der Schweiz als Misstrauen reinkommt, leider. Ein klassischer Schweizer Reiseveranstalter ist immer noch voll versichert beim Schweizer Garantiefonds, der hohe Deckungssummen zurückhält.
Also wusste man in Deutschland, dass bei einer Pleite dieser Grössenordnung die Versicherungssumme nicht reicht.
Ja. Schon vor drei, vier Monaten hatte die Grüne Fraktion im Bundestag zu diesem Punkt eine Besprechung eingefordert, diese wurde von der Koalition aber abgelehnt. Das Hochsetzen der Deckungssumme hätte die aktuelle Pleite in der laufenden Saison aber nicht verhindert, das hätte erst in Zukunft gegriffen.
Wie beurteilen Sie die Situation in der Schweiz mit dem Schweizer Garantiefonds. Könnte hier eine ähnliche Pleite geschehen, wenn ein grosser Veranstalter konkurs geht?
Hier ist der Fall anders gelagert. Wenn Hotelplan oder Kuoni die Reisen nicht mehr durchführen könnten... was würde passieren? Die beiden Fälle wären sehr unwahrscheinlich, weil dahinter Genossenschaften stehen, die im Zweifel eher das Segment einstellen würden, als dass sie einen Teil ihrer Identität kaputtgehen lassen.
Wie schaut ein solches Szenario bei Bentour aus?
Wir haben eine Schweizer AG und sind beim Garantiefonds versichert, in Deutschland bei der Swiss Re. Wir haben pro Land eine Absicherung. Beim Garantiefonds ist man sicher gegen Insolvenz. Und da in der Schweiz die Gelder beim Reisebüro liegen – im Gegensatz zu Deutschland – ist im Falle einer Reiseveranstalter-Insolvenz das Reisebüro trotzdem noch in der Lage, das vorliegende Kundengeld andersweitig einzusetzen. Das Schweizer Modell ist viel sicherer als das Modell in Deutschland.
«Die Abwanderung zu ausländischen Reisebüros ist derzeit wieder stärker»
Wie entwickelt sich das Reisejahr für Bentour Reisen?
Wir verzeichnen ein gutes Türkei-Jahr mit einem neuerlichen Wachstum von 20 Prozent. Und dies zu soliden Preis, ohne Billigtourismus. Die Hotelpreise gingen jüngst wieder rauf und liegen noch etwa zehn Prozent unter dem Niveau des Rekordjahres 2014. Diese Preiserhöhungen waren eine Gegenbremse, ansonsten lägen wir wohl 50 Prozent im Plus.
Wie wirkt sich die Syrien-Konflikt auf Ihr Türkei-Geschäft aus?
Ich rechne damit, dass sich dieser Konflikt nicht endlos ausdehnen wird, sondern dass die Pufferzone bald etabliert ist und ein Rückführungsgebiet für syrische Flüchtlinge entsteht. Eine Auswirkung auf die Buchungszahlen ist aktuell sichtbar, aber wir stehen in diesen Wochen ohnehin in einer ruhigeren Phase. Die Buchungen für den nächsten Frühling liegen aber weiterhin im Plus. Viele ursprüngliche Öger-Buchungen sind bei uns eingetroffen und dieser Effekt überlagert.
Wie gross ist Bentour Reisen mittlerweile?
In diesem Jahr dürften wir rund 110 Millionen Franken Umsatz machen, mit 150'000 Gästen. 20 Prozent des Umsatzes erzielen wir in der Schweiz, der Rest in Deutschland, Österreich und den Niederlanden. Im nächsten Jahr kommt noch Polen hinzu.
Die Schweizer Marktleader haben ein bescheidenes Sommergeschäft verzeichnet, auch der letzte Sommer war zurückhaltend. Wo orten Sie die Gründe dafür?
Da wird viel gesprochen von Hitzesommer und Greta-Effekt und im letzten Jahr von der Fussball-WM. Der wahre Grund liegt beim starken Franken. Der Schweizer Markt ist sehr, sehr stark an den Wechselkurs gekoppelt und mit 1,08 ist der Schweizer Franken nun halt extrem stark. Die Abwanderung zu ausländischen Reisebüros und Online-Portale ist derzeit wieder stärker, somit schrumpft der Schweizer Markt für alle. Wir sehen das ja selber. Zu den 20 Prozent Schweizer Buchungen kommen sicher nochmals 7 bis 10 Prozent Buchungen von Schweizern bei uns in Deutschland dazu, das sehen wir an den Adressen.