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«Jack Bolli war für mich ein Leben lang ein prägendes Vorbild» sagt Rotunda-Gründer Bruno Bay, der heute in Montreux und Kapstadt lebt. Bild: VB [Historische Bilder aus alten Zeiten in der Bildgalerie - einfach aufs Hauptbild klicken]

Was macht eigentlich... Bruno Bay?

Der heute 83-Jährige hat Südafrika-Reisen in der Schweiz populär gemacht. 1996 hat er sein Unternehmen Rotunda Tours an Kuoni verkauft und sich von der Branche verabschiedet. Travelnews hat ihn an seinem heutigen Wohnsitz in Montreux besucht. Daraus ist ein umfassender Rückblick auf eine spannende touristische Karriere entstanden.

Herr Bay, fast auf den Tag genau vor 23 Jahren haben Sie Rotunda Tours an die damalige Kuoni-Tochter Private Safaris verkauft. Was kam dann?

Mit dem Verkauf war für mich der Kreis geschlossen: Beginn bei Kuoni, Ende gut bei Kuoni! Ich meldete mich innerhalb von zwei Tagen in der Schweiz ab und lebte fortan ganz offiziell 12 Jahre lang auf dem Schiff. In der Schweiz hatte ich nur noch eine Ferienwohnung in Montreux. Ich tuckerte also in den Sommermonaten in den Gewässern von England umher und später im Mittelmeer. Den europäischen Winter verbrachte ich in Südafrika in meinem Wildschutzgebiet.

Wie kam es zu Ihrer Faszination für den Tourismus?

Wichtige Impulse setzte mein Englischlehrer an der Handelsschule in Samedan. Nach dem Unterricht erzählte er manchmal vom Leben in England. Er sprach auch von der grossen Reisetradition der Engländer und zeigte uns alte Kataloge von bekannten Reiseorganisationen, die er offensichtlich in seinem Gepäck mit sich führte. An dieser Schule in den Bergen habe ich das erste Mal in meinem Leben erfahren, was organisierter Tourismus überhaupt ist und welches Land federführend ist.

Das war etwa 1951/52. Von da an sah der gebürtige Aargauer seine Zukunft im Tourismus – am liebsten in England. Sein Weg führte ihn aber zunächst nach Zürich. In der NZZ fand Bay ein Inserat für eine Stelle am Kuoni-Hauptsitz. Jack Bolli wurde dort gerade zum Direktor befördert. Der dadurch frei gewordene Stuhl am Übersee-Schalter wurde Bay zugewiesen – nur vier Meter vom neuen «Big Boss» entfernt.

Wie haben Sie den ersten Job bei Kuoni in Erinnerung?

Ich sass neben drei hochkarätigen Übersee-Beratern und machte so meine ersten Erfahrungen in einem Reisebüro – selbstverständlich erledigte ich anfänglich nur die einfachsten Arbeiten. Ich habe während dieser Zeit sehr viel gelernt und mitbekommen, wie der Top-Manager die damals grösste schweizerische Reiseorganisation führt. Nicht nur weil er jeden Tag spätestens um fünf Uhr im Büro war – Bolli war für mich ein Leben lang ein prägendes Vorbild. Bei Kuoni wurde bei mir auch das Interesse an der Tätigkeit in einer Reiseorganisation geweckt.

Aber eigentlich wollten Sie nach England...

Ja, und das dringend. So bewarb ich mich um eine Stelle bei einer kleinen, exklusiven Reiseorganisation in London. Diese Firma war bekannt als Pionier für Wintersportferien in ganz Europa. Meine Schulzeit in den Bergen kam mir zu Gute. Ich arbeitete nun also erstmals als Tour Operator.

Wann kam Südafrika ins Spiel?

1959 – ich war inzwischen bei Swans Tours, der drittgrössten Reiseorganisation Englands, im Bereich «Winter Sports» tätig – kam es zu einem Treffen, das die Weichen für mein späteres Leben neu stellte. Weil der Assistent meines Kollegen aus der «Sunshine»-Abteilung krank war, musste ich bei einem Geschäftsessen mit einem südafrikanischen Tour Operator einspringen.

Wussten Sie überhaupt, wo Südafrika lag?

Nicht wirklich. Darum öffnete ich vor dem Treffen noch schnell den Atlas, um mein bescheidenes Wissen über Südafrika aufzufrischen… Der Geschäftsmann aus Südafrika hat mich mit seinem Charisma und Wissen dermassen beeindruckt, dass ich nun tatsächlich glaubte, dass Südafrika das Land sei, wo Milch und Honig flössen. Ich zeigte grosses Interesse an allem, was er erzählte und sagte so nebenbei, dass ich Südafrika gerne einmal besuchen oder dort arbeiten würde.

Ein paar Wochen später schrieb ihm der besagte Geschäftsmann ganz unerwartet einen Brief, in dem er ihn informierte, dass «South African Railways & Harbours», das grösste Transportunternehmen Afrikas, zu dem auch die Fluggesellschaft SAA gehörte, einen Repräsentanten – wahrscheinlich in der Schweiz – einzustellen gedenke. Er solle doch die lokale Presse lesen, wo eine Annonce erscheinen werde. Das Inserat erschien, Bay meldete sich und bekam die Stelle. Er war als Sales Manager für die Schweiz und die umliegenden Grenzgebiete zuständig. South African Airways (SAA) war damals eine der angesehensten Fluggesellschaften weltweit und aktiv damit beschäftigt, den Flugverkehr nach Europa zu entwickeln und die Flugrouten nach Zürich, Paris, Frankfurt, Athen, Paris etc. zu etablieren. Die SAA hatte eine Flotte von damals modernster Flugzeuge des Typs Boeing 707.

Wie haben Sie diese Zeit in Erinnerung?

Ich hatte einen super Job – den besten übrigens, den ich je hatte. Guter Lohn, Geschäftswagen, einmalige Pensionskasse, gratis Flugtickets weltweit, meist First Class und erst noch eine sichere Staatsstelle. Ich hatte als Staatsangestellter nebenbei sogar noch Zeit, um wieder Klavier- und Cembalo-Unterricht am Konservatorium in Zürich zu nehmen und – hauptsächlich im Fernstudium – Betriebswirtschaft zu studieren. Aber es war nicht leicht, die grossen Flugzeuge der SAA ab Zürich einigermassen zu füllen. Manchmal stiegen in Zürich lediglich vier Passagiere zu!

Es fehlte also ein Tourismusangebot?

Genau. Es war kein Tour Operator bereit, die heisse Kartoffel anzufassen: Ferien im Apartheidstaat Südafrika zu propagieren. Ich kontaktierte sie alle, mehrmals, und machte super Angebote; sie zeigten aber kein Interesse. Ich besprach mich mit meinem Management und machte darauf aufmerksam, dass ohne Katalog mit einem Pauschalreisen-Angebot auch in Zukunft nur sehr wenige Touristen motiviert werden könnten, nach Südafrika zu reisen. Eines Tages machte ich also meiner Direktion einen kühnen Vorschlag.

Wie lautete dieser?

Ich würde veranlassen, dass meine Frau eine «Reiseorganisation für Reisen nach Südafrika» gründet und betreibt. Ich würde sie dann dabei mit Rat und Tat unterstützen, aber mein Name würde nie auf irgendwelchen Geschäftspapieren erscheinen. Und, man glaubt es kaum, ich bekam das schriftliche Einverständnis.

Gesagt getan. So organisierte Bay im Oktober 1971 die Gründung einer Einzelfirma namens «Wildlife Safaris Elisabeth Bay». Die Firma produzierte Prospekte, registrierte die Touren IATA-konform, machte Werbung, etc. Ein halbes Jahr später begann Bay, im Katalog einige Standard-Rundreisen unter dem Namen «Rotunda Tours» zu vermarkten. Eine IATA-Fluggesellschaft durfte keine Werbung machen für einen Reiseveranstalter. Es war hingegen erlaubt, Werbung für Reisen respektive eine Marke zu machen, die Flüge mit der eigenen Fluggesellschaft beinhalteten. Eben zum Beispiel für «Rotunda Tours», und die konnte man überall buchen: Nicht nur bei «Wildlife Safaris» direkt, sondern bei allen Reisebüros, mit denen «Wildlife Safaris» zusammen arbeitete.

Wie lief das Geschäft an?

Es rollte relativ schnell an – es lief sogar ausgezeichnet. Nach einem halben Jahr verzeichneten wir schon über 300 Kunden. Und so kam die Lawine wirklich ins Rollen. SAA hatte im ersten Jahr nach der Gründung von Wildlife Safaris einen Umsatzzuwachs von 104%.

Was für Reisen waren im Angebot?

Unter den ersten grossen Reisen waren Jagdsafaris nach Rhodesien [dem heutigen Simbabwe, Anm.d.Red.]. Parallel dazu organisierten wir auch Fotosafaris zu den touristischen Highlights von Südafrika, so etwa Krüger Park Safaris. Aber auch das Vermieten von Wohnmobilen und Golf-Ferien waren im Programm. Die meistverkaufte Reise war eine 24-tägige Rundreise.

Nun sprach plötzlich die ganze Branche von der Wildlife Safaris AG (Bay hatte die frühere Einzelfirma zwischenzeitlich durch eine Aktiengesellschaft abgelöst), und viele wollten jetzt auch ein Stück vom Kuchen – es sei doch nicht statthaft, dass der Bay von der SAA ganz offensichtlich die Finger mit im Spiel habe und der sei doch schliesslich bei der SAA tätig und werde auch dort bezahlt. Einige Tour Operators schrieben direkt an die Direktion der SAA nach Johannesburg. Es gab Ärger, obwohl alles legal und mit der Generaldirektion in Südafrika abgesprochen war.

Wie gingen Sie mit der Situation um?

Um Dampf abzulassen, habe ich mich dann nach 18 Jahren von der SAA getrennt. Die Arbeit bei der Wildlife Safaris AG liess mir fast keine Luft mehr zum Atmen. Irgendwie spürte ich allgemeine Erleichterung. Die Direktion der SAA meinte, dass sie nun mehr Geschäfte von anderen – allen voran Airtours und Kuoni – erhalten würden. Weit gefehlt: Airtours ging Konkurs, und Kuoni schaffte es mit dem eigenen Programm auch nicht und machte fast alle Buchungen über meine Firma. Kuoni wurde schliesslich mein allerbester Kunde.

Wie ging es dann weiter?

In der Zwischenzeit änderte ich den Namen von Wildlife Safaris AG in Rotunda Tours AG, benannt nach dem Air Terminal in Johannesburg. Ich übernahm die Geschäftsleitung und das Mandat des Verwaltungsratspräsidenten und alle Aktien. Rotunda Tours wurde über die Jahre zum grössten Reiseveranstalter für das Südliche Afrika in Europa. Um die Kunden auch vor Ort besser betreuen zu können, kaufte ich in Südafrika die Firma Krüger Park Safaris. In Deutschland war ich Mitbegründer von «Best of Africa», einem Tour Operator mit einem riesengrossen Angebot im Südlichen Afrika. Die Angebote von Rotunda Tours waren auch dort zu finden.

25 Jahre nach der Gründung von Rotunda Tours – per 1. Januar 1996 – verkaufte ich dann meine Firma an die damalige Kuoni-Tochter Privat Safaris AG. 2011 wurde der Name Rotunda Tours schliesslich aufgegeben, und die Südafrika-Angebote figurieren heute in einem Katalog unter der DER Touristik-Spezialistenmarke «Private Safaris».

Hatten Sie in all den Jahren auch mal Zeit für anderes als Ihren Beruf?

Seit der Gründung von Wildlife Safaris war ich beruflich dermassen engagiert, dass keine Zeit mehr blieb, mich um andere Interessengebiete zu kümmern. Ich glaube, es gab eine Zeit, wo ich nicht einmal wusste, wer in der Schweiz Bundespräsident ist. Alle Literatur handelte von meinem Fachgebiet.

… und auch alle Reisen.

Ja, die Reisen, die ich oft mit meiner zweiten Frau Denise machte, waren eigentliche Studienreisen. Wir organisierten neue Reiserouten und machten Verträge mit den Leistungsträgern. Mit unserem Land Rover – mit Dachzelt als Notunterkunft – fuhren wir mehr als 60’000 Kilometer durch das Südliche Afrika und erkundeten das Land und planten neue Reisen. Erst als meine Firma unter Volldampf war und von fast alleine lief, konnte ich mir einen Traum erfüllen.

Den Rolls-Royce, für den Sie noch heute bekannt sind?

Nein, den hatte ich mir schon vorher gekauft. Ich besass schon viele Jahre ein Motorboot auf dem Zürichsee. Über das Wochenende lebten wir oft zwei Nächte pro Woche auf dem Schiff und arbeiteten dort an den neuen Katalogen. Mein Interesse an der Schifffahrt war gross. Ich machte dann das Hochseepatent, das mir erlaubt, ein Schiff auf allen Weltmeeren zu fahren. Wir kauften dann eine Hochsee-Motoryacht und registrierten sie unter Schweizer-Flagge.

Was hat es mit dem Rolls-Royce auf sich?

Ich war im SAA-Headoffice bestens bekannt – nicht nur wegen der Umsatzsteigerung, auch wegen dem Rolls-Royce. Für einen Südafrikaner ist ein Auto weit mehr als nur ein Transportmittel. Ein solches kommt gerade nach der Kirche aber noch vor dem Braai [Grill-Tradition in Südafrika; Anm. d. Red.]. An Meetings wurde ich immer zuerst gefragt, wie es meinem Rolls-Royce gehe. Aber auch der ist Geschichte.

2007 wurde die Schweiz wieder zum Lebensmittelpunkt. Am 29. Mai 2007 heiratete Bay seine dritte Frau Ludmilla Moshek, eine Künstlerin mit eigener Galerie in Montreux. Oberhalb von Montreux, mit Blick über den Genfersee, ist Bay wieder sesshaft geworden.

Montreux als Wohnsitz kommt auch nicht von ungefähr, nicht?

Ja, mit Rotunda Tours war ich natürlich auch immer am TTW in Montreux. Eines Morgens – ich war stets ein Frühaufsteher – spazierte ich vor der Messe-Öffnung durch Montreux und entdeckte ein spannendes Immobilien-Angebot. Kurzentschlossen kaufte ich das Objekt, das dann einige Jahre meine Ferienwohnung in der Schweiz war.

Sind Sie ab und zu auch noch in ihrer «zweiten Heimat»?

Ich verbringe immer noch vier bis fünf Monate in Südafrika. Ohne Farm, ohne Safari-Lodge, nur noch in einer Wohnung – «lock-and-go» – an bester Aussichtslage am Bloubergstrand in Kapstadt. Mein Schiff habe ich auch verkauft. Die Liebe zum Schiff ist aber geblieben: Ob auf Flussschiffahrt in Burma oder mit der MSC von Südafrika nach Europa – ich bin gerne auf Kreuzfahrten unterwegs.

Sie sind 83 und topfit. Vermissen Sie die Arbeit nicht?

Nun, nachdem Leben ist, was uns zustösst, während wir uns eigentlich etwas ganz anderes vorgenommen haben, musste ich nun doch plötzlich wieder in die Hosen: Ich wollte meiner Frau etwas beistehen mit administrativen Dingen, die ihre Galerie betreffen. Und so arbeitete ich mich etwas in ihre Kunst ein, in die Malerei, damit ich mich an Vernissagen und Ausstellungen nicht zum Pausenclown mache und etwas selbstsicherer neben ihr stehen kann.

In Ihrer Wohnung stehen Klavier und Cembalo. Spielen Sie noch?

Die Freude an der Musik ist geblieben. Ich spiele nach Möglichkeit jeden Tag. Ich wollte als junger Mann eine Zeit lang eigentlich Pianist werden. Aber wenn ich heute sehe, dass es nur ganz wenige aussergewöhnliche Pianisten geschafft haben, wirklich zu beeindrucken, dann bin ich froh, dass sich diese Spinnerei bei mir rasch wieder gelegt hat.

Wann steht die nächste Reise an?

Am 31. Dezember fliege ich für ein paar Monate nach Kapstadt.

Bruno Bay mit seiner heutigen Frau Ludmilla, bei sich zuhause oberhalb von Montreux. Bild: VB

(VB)