Hotellerie

Was wollen neue Kundengenerationen genau? Dieser Frage wird viel zu wenig nachgegangen. Bild: Aloft Atlanta

Kommentar Weniger Lobby, mehr Innovationsgeist

Jean-Claude Raemy

Die Schweizer Hotellerie kämpft gegen Buchungsplattformen und andere Branchen-Disruptoren - und damit gegen Windmühlen.

Diese Woche präsentierten sowohl Schweiz Tourismus als auch Zürich Tourismus und weitere lokale Schweizer Tourismusorganisationen ihre Übernachtungszahlen, jeweils in enger Zusammenarbeit mit den entsprechenden Hoteliervereinigungen. Eine der Quintessenzen war, dass sich städtische Übernachtungszahlen besser entwickelt haben als ländliche.

Die Hoteliers selber nannten die Frankenstärke, den Fachkräftemangel sowie, einmal mehr, die Dominanz der Buchungsplattformen als grösste Herausforderungen. Im Kampf gegen Anbieter wie booking.com hoffen die jeweiligen Hotelier-Verbände, dass die Schweiz die einschränkenden Teilnahmebedingungen der Buchungsplattformen verbietet. Diese machen den Hotels unter anderem Preisvorschriften, die es ihnen untersagen, ihre Betten auf anderen Verkaufskanälen günstiger anzubieten. Die Hotels und ihr Verband sehen darin einen Eingriff in die Unternehmensfreiheit. In Deutschland, Frankreich, Österreich und bald auch in Italien sind solche Preisvorschriften bereits verboten.

Mit Verlaub: Ist der Kampf gegen Booking.com und Konsorten wirklich noch eines der Steckenpferde der Hotellerie hierzulande wie auch anscheinend im nahen Ausland? Diese Plattformen erlauben es der Hotelbranche, weltweit einfach sichtbar zu sein. Sie bringen schätzungsweise 70% der Übernachtungs-Buchungen in der Schweiz. Beisst man da nicht die Hand, die einen füttert?

Welche Alternativen hat man überhaupt im Online-Bereich?

Gewiss sind die Auflagen von Booking.com teils happig. Aber welche Alternativen gibt es denn im Online-Bereich? Warum wird Booking.com nicht als gutes Marketingtool anerkannt, sondern bekämpft? Im Übrigen ist kein Hotel gezwungen, mit Booking.com oder sonst einer Plattform zu arbeiten.

Es hat den Anschein, als ob die klassische Hotellerie weiterhin ein sich langsam bewegender Dinosaurier ist, welcher viel zu viel Zeit damit verschwendet, marktrevolutionierende Plattformen wie Booking.com oder auch AirBnB zu bekämpfen, also eine Art Selbst-Protektionismus betreibt, statt sich auf die wirklich wesentlichen Fragen zu konzentrieren. Dazu gehört etwa die Frage, was die kommenden Generationen von einem Hotel erwarten, in Bezug auf Einrichtung, auf Erlebnis-Angebote und eben auch auf Buchungsprozesse.

Viele Hotels schwelgen in vergangener Grandeur, welche oft auf altmodischen Konzepten fusst und viel zu sehr mit abstrakten Service- und Einrichtungskonzepten zu tun hat und weniger damit, was heute wirklich von einem Hotelaufenthalt erwartet wird. Warum haben innovative Boutique-Hotels so viel Zulauf? Warum expandieren grosse Hotelketten mittels neuer Brands und Konzepte immer mehr in Bereiche, welche mit ihren klassischen Markenangeboten nur noch wenig gemeinsam haben? Gerade unabhängige und kleine Hotels, welche die Bedürfnisse der Kundschaft verstehen, können dank Vertriebstools wie Booking.com und dank kluger Bewirtschaftung von Sozialen Medien relativ schnell Erfolg haben.

Das Kundenerlebnis ist der Schlüssel zum Erfolg.

Das Kundenerlebnis und die Interaktion mit dem Kunden sind der wichtigste Schlüssel zum Erfolg. Der zweitwichtigste ist, moderne Technologie und globale Trends zu berücksichtigen und einzubeziehen, statt diese zu bekämpfen. Eine gewisse Risikobereitschaft gehört ruhig auch dazu.

Vielleicht sollte man sich mal hierzu Gedanken machen, statt auf politischem Weg Entwicklungen aufzuhalten versuchen, welche längst etabliert sind.