Hotellerie

Am heutigen 12. Juni ging die Sommersaison im Hard Rock Hotel Davos los - mit viel Live-Music. Doch auch hier ging die Coronakrise nicht spurlos vorbei. Bild: Hard Rock Hotel Davos

«Man muss in der aktuellen Krise umdenken»

Das Hard Rock Hotel Davos startet endlich in die Sommersaison 2020. General Manager Florian Walther spricht über die herausfordernde Zeit während der Coronavirus-Krise.

Am heutigen 12. Juni lanciert das Hard Rock Hotel Davos zum planmässigen Start in die neue Saison eine Vielzahl grooviger Live-Acts. So beschwingt und entspannt war es in den vergangenen Monaten allerdings nicht. Generaldirektor Florian Walther, seit über 30 Jahren in der internationalen Hotellerie tätig, erklärt im Interview, warum er trotz Reisebeschränkungen von einer relativ starken Sommersaison in Davos ausgeht und warum er in diesem Jahr auf Familien und Paragliding setzt.


Florian Walther

Herr Walther, wie hat Covid-19 den Hotelbetrieb von Hard Rock Hotel Davos beeinflusst?

Florian Walther: Als Saisonbetrieb haben wir circa vier Wochen früher als ursprünglich geplant geschlossen, allerdings als letztes Hotel in Davos. Das lag auch daran, dass wir bis zu Letzt Hotelgäste hatten. Wir hatten beispielsweise Besucher aus dem Ausland, die aufgrund der Reisebeschränkungen nicht so schnell abreisen konnten.

Konnte man bei den Gästen Verunsicherung spüren?

Es gab ganz unterschiedliche Reaktionen, von kurios, über neugierig bis verängstigt. Hier ist Kommunikation gefragt. Wenn man erklärt, warum es zum Frühstück statt Buffet eine à la Carte Auswahl gibt und warum die Tische einen Abstand von zwei Meter haben, vermittelt man den Gästen ein Gefühl von Sicherheit, sie merken, dass sie gut aufgehoben sind.

Wir hatten einen Gast, der so gar nicht mehr weiter wusste. Er hatte Termine in der Schweiz und machte sich aber gleichzeitig grosse Sorgen um seine Familie. Ich habe ihn auf einen Kaffee eingeladen, und wir sind seine Pläne durchgegangen. Ich riet ihm, erst einmal zu priorisieren. Geschäftliches könne er eventuell verschieben oder über Skype klären. Von den Medikamenten, die seine Frau benötigt, solle er etwas mehr kaufen. In einer Zeit, die viele verunsichert, helfen Gespräche, selbst wenn diese nur kurz sind.

Wie war das bei den Mitarbeitern, mussten diese in so einer Zeit stärker motiviert werden?

Wir mussten unserem Team eher ein bisschen Motivation wegnehmen... Allen Mitarbeitern war es freigestellt, sofort Urlaub zu nehmen. Vor allem die älteren Kollegen, die eben zur Risikogruppe gehörten, boten uns mehrfach ihre Unterstützung an. Aus meiner Sicht tragen auch diese Kollegen einen grossen Teil zur Sicherheit bei, wenn sie zu Hause bleiben und sich auf ihre Familie konzentrieren. In Zusammenarbeit mit der Davoser Gemeinde haben wir eine Aktion für Hilfsbedürftige gestartet. Unsere Mitarbeiter konnten während der Arbeitszeit beispielweise für Senioren einkaufen gehen oder den Hund ausführen. Ausnahmslos alle unsere Mitarbeiter haben sich daran beteiligt. Dass das Hard Rock Motto «All is One» nicht einfach nur ein Spruch ist, wurde in dieser Situation sehr deutlich, darauf bin ich persönlich sehr stolz.

Haben Sie viele Buchungen verloren?

Natürlich hatten wir auch Stornierungen. Wir haben allerdings frühzeitig reagiert und jeden einzelnen Gast, der zwischen April und Juni gebucht hat, angerufen – ganz egal, ob es sich um eine Individual- oder eine Gruppenbuchung handelte. Wir boten an, den geplanten Aufenthalt bei uns kostenfrei zu verschieben. Statt Skifahren im Winter wird dann eben im Sommer gewandert oder eine Mountainbiking-Tour gemacht. Diese Proaktivität war sehr erfolgreich, viele sagten gleich am Telefon «das ist eine tolle Idee, das machen wir!».

Haben Sie in der Vergangenheit schon mal ähnliche Krise erlebt?

Während der 30 Jahre, die in der internationalen Hotellerie tätig bin, habe ich tatsächlich einige extreme Situationen miterlebt. Von militanten Strassenkämpfen, Bombendrohungen, Suizidversuchen in der Lobby oder Malaria-Epidemie war alles dabei. Ich habe es auch schon erlebt, dass es über mehrere Wochen kein fliessendes Wasser im Hotel gab. Beim Check-in gab es dann eine Wasserflasche zum Duschen. Bei dieser Art von Krisen sollte man, nebst griffbereiten Notfallplan, unbedingt in jeder Situation Ruhe bewahren und überlegt sowie spontan entscheiden. Mich hat all das geprägt und das ist vermutlich mitunter ein Grund, warum ich in der derzeitigen Situation trotzdem zuversichtlich gestimmt bin.

«Ich schätze die Lage sehr positiv ein.»

Welche Schritte sind beim Krisenmanagement essenziell?

Ziel eines Notfallplans ist, potenzielle Ereignisse zu mildern, die den Betrieb eines Unternehmens in Gefahr bringen. Ein solcher Plan sollte Massnahmen beinhalten, die sich in erster Linie um die Sicherheit des Personals und der Gäste kümmern. Sofern möglich, gilt das auch für Eigentum, Immobilien und Einrichtungen. Weiterhin sollte hinterlegt sein, wie man am besten die Schwere eines Vorfalls bewertet und die potenziellen Auswirkungen einschätzt. Ebenso sollte man definieren, wie sich das jeweilige Problem eliminieren bzw. eindämmen lässt. Das wären zum Beispiel Kontakt mit Behörden aufnehmen, interne Prozesse einleiten, etc. Ausserdem ist ein bereits bestehender Krisenmanagementstab notwendig, dessen Stabsmitglieder die entsprechende Ausbildung haben und dementsprechend so gut wie möglich vorbereitet sind.

Mit welchen Konzepten könnte man den Hotelbetrieb wieder in Schwung bringen?

Man muss in der aktuellen Krise umdenken, das Reiseverhalten beobachten und mögliche Chancen für einen neuen Markt erkennen. Wir fokussieren uns auf Familien aus dem Inland und auch auf Actionsport wie Paragliding, Rafting, Extreme-Mountainbiking. Für Letzteres haben wir spezielle Packages kreiert. Diese adressieren zwar nicht unsere klassische Zielgruppe, aber vielleicht genau die Richtige in diesem Jahr. Gerade die jungen Leute können es kaum abwarten, wollen auf die Bühne, sobald der Vorhang wieder aufgeht. Und nächstes Jahr reist der Gleitschirmflieger dann wieder in die Vogesen. Sicherlich werden auch unsere Serviced Apartments grossen Zuspruch finden.

Welche Chancen sehen Sie für die Region Davos Klosters für die Zeit nach Corona?

Ich schätze die Lage sehr positiv ein. Es kann gut sein, dass der Sommer stärker wird als angenommen. Der Drang in der Natur zu sein, die frische Luft zu geniessen ist gross. Wo kann man das besser als an einem Luftkurort wie Davos? Rund 60 Prozent unserer Gäste sind Schweizer, ich denke, es werden dieses Jahr noch mehr. Ferien im eigenen Land werden bevorzugt, aufgrund der Reisebeschränkungen, aber auch, um die eigene Wirtschaft zu unterstützen. Für Fernreisen reichts vielleicht nicht mehr, klassische Ferienländer wie Spanien oder Italien werden vermeintlich eher gemieden. In Davos gibt es Hotels, die diesen Sommer nicht öffnen beziehungsweise später als üblich. Eine mögliche niedrigere Nachfrage – von der ich nicht ausgehe – relativiert somit das geringere Angebot. Das gilt übrigens auch für den Winter: Ich vermute, dass das Hauptgeschäft sogar früher anfängt als geplant. Ambitionierte Skifahrer wurden schliesslich um zwei Monate geprellt.

«Menschen wollen weiterhin sozial sein, wir setzen deshalb klar auf Physical Distance statt auf Social Distancing.»

Wann werden Hotels zur Normalität zurückkehren können?

Es heisst oft, Normalität würde es in diesem Sommer nicht geben, und es stimmt, dass wir uns derzeit mit einem veränderten Ist-Zustand auseinandersetzen müssen. Unsere Aufgabe ist aber auch, den Soll-Zustand im Blick zu haben und zu einer Normalität zurückzukehren. Das Housekeeping wird im Allgemeinen wieder mehr in den Vordergrund rücken. Auch wir haben die Hygienemassnahmen verschärft, wobei das Hard Rock Hotel Davos als amerikanisches Unternehmen in der Schweiz intern doppelt so hohe Auflagen hat, als normalerweise nötig wäre. Die Nachfrage nach Room-Service könnte steigen, ebenso wie der Wunsch, im Freien zu essen. Mitarbeiter müssen hierbei sensibilisiert sein und in erhöhtem Masse auf individuelle Gästewünsche eingehen. Menschen wollen weiterhin sozial sein, wir setzen deshalb klar auf Physical Distance statt auf Social Distancing. Das «neue Normal» darf kein permanenter Zustand werden, da trotz all der spannenden technologischen Entwicklungen, zwischenmenschliche Nähe Vorrang haben sollte. Wir Menschen brauchen einander, wir sind keine Einzelgänger. Wir geniessen es, etwas gemeinsam zu unternehmen, in Gesellschaft blühen wir auf! Das ist normal und dort wollen wir wieder hin.

Was können Hoteliers aus dieser Krise für die Zukunft lernen?

Viele Hoteliers haben Krisen in diesem Ausmass noch nie erlebt – wofür man diese beneiden kann. In so einer Situation ist es ist wichtig, überlegt und nicht überstürzt zu handeln. Wir haben einen Notfallplan für sofortige Massnahmen erstellt, ein Krisen-Management-Team gab es bereits zuvor. Für Mitarbeiter gilt: Information ist Motivation. Wenn diese gut gebrieft sind, vermittelt man auch den Gästen ein sicheres Gefühl. Der Zusammenhalt, auch unter den Hotels, ist essenziell. Ich habe mich mehrfach mit Hoteliers aus der Region ausgetauscht. Dabei ging es um langfristige Themen wie Versicherungen, aber auch ganz konkret um Umbuchungsoptionen auf andere Hotels, was in solchen Situationen weniger banal ist, als es klingt. Auch die Zusammenarbeit mit der Destination ist hilfreich, man steckt gemeinsam die Köpfe zusammen und überlegt, wie man Gäste wieder begeistern kann, zu uns zu kommen.

Welchen Appell möchten Sie an die Hoteliers und Hoteleigentümer richten?

Sich gegenseitig unterstützen und positiv in die Zukunft blicken, ist für Hoteliers als «treibender Motor» unserer Branche wichtig. Neben all den Worst-Case-Szenarien sollte man auch die Best Cases nicht ausser Acht lassen. Hoteliers müssen jetzt umdenken, ihren Fokus vielleicht auf neue Businessfelder setzen und innovative Konzepte entwickeln. Das werden wir auch machen, denn eine meiner Prioritäten ist es all unsere Saisonmitarbeiter im Sommer wiedereinzustellen oder auf gut Hard-Rock-Deutsch: «Die Band wieder zusammenbringen.»

Braucht es auch Engagement der Gäste, um aus der Krise herauszukommen und zur Normalität zurückzufinden?

Bleiben Sie sich dessen bewusst, was Normalität ausmacht! Verbannen Sie Schlagwörter wie «social distancing» aus Ihrem Jargon und ersetzen Sie ihn durch respekt- und rücksichtsvollen physischen Abstand! Der Mensch ist ein soziales Wesen, daher kann man von ihm nicht verlangen, sich sozial zu distanzieren. Wir müssen Wege finden, ein soziales Miteinander zu gewährleisten. Das fängt bereits bei den Formulierungen an. Einer der Gründe, warum ich meinen Job liebe, ist der soziale Kontakt mit meinen Gästen und Mitarbeitern. Deshalb habe ich in unserem Hotel das Schlagwort «social distancing» auf die schwarze Liste gesetzt – wir sprechen rein von rücksichtsvollem Abstand. Respekt und Umsicht sind schliesslich Eigenschaften, die auf ein soziales Miteinander abzielen. Die Handlung ist dieselbe, aber der Gedanke dahinter ist ein anderer. Ebenso sprechen wir nicht von einer «neuen Normalität», sondern von einem «Zurück zur Normalität». Menschen brauchen Menschen, ob aus zwei Meter oder 20 Zentimeter Entfernung, und wir in der Hotellerie und Gastronomie sind Brückenbauer – dabei ist die eine Brücke länger und die andere kürzer. Der aktuelle Status ist für mich nicht akzeptabel, aber er birgt die Chance, aus der Situation zu lernen und sich seiner Selbst bewusster, somit klüger sowie gestärkter aus ihr herauszutreten.

(JCR)