Flug

Für eine Verspätung kann es viele Gründe geben. Für Airlines sind solche aber mittlerweile wegen hohen Entschädigungsforderungen eine extreme Belastung geworden. Bild: Adobe Stock

Stellen Fluggastrechts-Portale ein Sicherheitsrisiko dar?

Airline-Manager klagen über extrem gestiegene Kompensationszahlungen in den letzten Jahren - und warnen vor möglichen Konsequenzen.

Letzte Woche war ich mit dem Flugzeug unterwegs. In Zürich wurde rechtzeitig geboardet, alle waren an Bord und bereit für den Anflug, da kam die Durchsage des Captains: Wegen fehlender Fluglotsen in Deutschland konnte die Starterlaubnis nicht erteilt werden und das Flugzeug könne erst in zwei Stunden starten. Obwohl es dann dank Einsatz des Captains nicht ganz so schlimm ausging, hörte ich nebenan bereits erste Diskussionen darüber, ob da nun Entschädigungen fällig würden, bei welchem Portal man dies melden müsse etc.

Machten noch vor einigen Jahren erst wenige Flugpassagiere von ihren Rechten nach Artikel EU 261/2004 Gebrauch, so sind inzwischen wohl alle damit vertraut. Das ist nicht zuletzt das Verdienst von Fluggastrechts-Portalen, welche die Durchsetzung dieser Rechte nicht nur vereinfachen und automatisieren, sondern sogar aktiv Passagiere darauf hinweisen, dass Flug X eigentlich kompensationsberechtigt ist. Natürlich sind bei klaren Fällen Entschädigungen angebracht, allerdings haben die Airlines mit der aktuell vielerorts vorherrschenden «Ich hole mir mein Geld zurück»-Mentalität ihre Probleme.

Bei der Jahreskonferenz der «European Regions Airline Association» von letzter Woche in Prag wurde dieses Problem angesprochen. Deutliche Worte fand beispielsweise Jesper Rungholm, Mitinhaber und CEO der dänischen Chartergesellschaft Danish Air Transport (DAT): «Die Passagier-Entschädigungsregelung EU 261/2004 droht, uns aus dem Markt zu drängen und stellt die grösste Bedrohung für die Sicherheit unserer Passagiere dar. Viele europäische Airlines, vor allem kleinere, haben dermassen Angst davor, im Falle einer Verspätung heftige Entschädigungszahlungen leisten zu müssen, dass manche Crews oder auch Mechaniker die notwendige, regelkonforme Sorgfältigkeit im Zweifelsfall möglicherweise vermissen lassen.» Natürlich gelte für alle Mitarbeitenden, dass Sicherheit höchste Priorität habe - aber das Personal sei wegen den Regelungen natürlich unter Druck.

Innert einem Jahr vier Mal mehr Kompensationsleistungen

Rungholm ist der Meinung, dass die EU-Regelung an sich sowie deren konsequente Durchsetzung mithilfe von Portalen die Passagiere «habgierig» mache. 2017 habe DAT noch weniger als 400'000 Euro an Kompensationszahlungen leisten müssen; 2018 lagen die Kosten dafür bereits bei über zwei Millionen Euro - Tendenz immer noch steigend. Rungholm schilderte Passagiere, welche mit Stoppuhren auf das Erreichen der Drei-Stunden-Verspätungs-Marke warten und bei deren Passieren in Jubelgeschrei ausbrechen.

Roy Kinnear (CCO von Flybe) hegt ähnliche Bedenken, wie  er dem Portal «Air Transport World» anvertraut: «Unser Durchschnittspreis pro Segment, inklusive Taxen, liegt bei 60 Pfund, also rund 67 Euro. Eine Kompensation von 250 bis 600 Euro pro Passagier ist deshalb völlig unverhältnismässig.» Flybe habe für 2019 im Budget 10 Millionen Pfund alleine für Kompensationszahlungen vorgesehen. Auch Kinnear sieht ein potenzielles Sicherheitsproblem, doch die EU und die EASA seien auf dem Standpunkt «Bisher ist ja noch niemand gestorben».

Unterstützung erhalten die Airliner - natürlich - von ihrem Dachverband IATA. Diese will die EU 261/2004 überarbeitet haben. Stossend sei einerseits, dass die Kompensation oftmals den Ticketpreis übersteigt, sowie dass nationale Gerichte jeweils die Auslegung von EU 261/2004 individuell interpretiert haben, was zu einer unsicheren Rechtslage geführt habe. Auch in der Schweiz ist dieses Problem bekannt. Eine Lösung sei, den Airlines mehr Zeit für die Lösung von unvorhersehbaren Problemen einzuräumen und eine steigende Kompensationsleistung einzuführen, statt einer sofortigen hohen Zahlung ab drei Stunden Verspätung.

(JCR)