Flug

Die CO2-Emissionen von Flugzeugen heizen derzeit die Klimadebatte an. Bild: Rémy Steiner Photography

«Die Klimademonstrationen haben sich bisher kaum auf das Reiseverhalten ausgewirkt»

Ist Flugscham für das zurückhaltende Reisejahr verantwortlich? Markus Fässler, Corporate Communications & Sustainability bei Hotelplan Suisse, nimmt in einem Interview Stellung zur Nachhaltigkeit in der Reisebranche.

Herr Fässler, bei den Schweizer Reiseveranstaltern zeichnen sich weniger Buchungen für die Sommerferien ab als im Vorjahr. Es wird spekuliert, dass die Zurückhaltung mit dem gestiegenen Klimabewusstsein der Bevölkerung zu tun haben könnte. Gibt es dafür Hinweise?

Markus Fässler: 2019 ist tatsächlich verhalten gestartet, wir liegen für den Sommer derzeit leicht unter dem Vorjahr. Es gibt wohl mehrere Gründe. Einige Gäste warten noch, weil sie denken, der Sommer in der Schweiz könnte wieder so schön werden wie im vergangenen Jahr. Auch das gestiegene Klimabewusstsein spielt sicherlich eine Rolle. In unseren Filialen wird zum Beispiel immer wieder aktiv nach Flugkompensationen gefragt. Die Medienpräsenz des Themas sorgt für eine stärkere Sensibilisierung.

Die Schweden haben schon ein Wort für den Reiseverzicht aus Klimagründen erfunden: «Flugscham». Wenn sich das auch bei uns verbreitet, haben Reiseanbieter wie Hotelplan Suisse ein Problem, oder?

Klar, wenn keiner mehr Ferien bucht, hat die Reisebranche ein Problem. Und es ist nun mal so, dass das Fliegen nicht nachhaltig ist. Mobilität und Reisen stehen oft in Widerspruch mit Nachhaltigkeit. Dennoch haben sich die Klimademonstrationen bisher kaum auf das Reiseverhalten ausgewirkt. Es sind nur Einzelne, die reagieren.

«Liegt die Reisezeit über vier Stunden, wählen die Kunden eher das Flugzeug»

Sind die Reiseanbieter mit ihren Kontingenten ähnlich stark exponiert wie die Airlines?

Schon nicht ganz so stark. Klar verkaufen wir viele Flugreisen und Kreuzfahrten, aber eben nicht nur. Wir bieten auch Zugreisen an, verkaufen Hotelaufenthalte oder Rundreisen.

Markus Fässler, Corporate Communications & Sustainability, Hotelplan Suisse.

Könnte man diesen Teil des Geschäfts ausweiten und dennoch genug verdienen oder wäre das schwierig?

Ein Stück weit könnte man das sicherlich, aber begrenzt. Für viele Destinationen muss man nun mal in ein Flugzeug steigen. Aber wenn unsere Kunden mit dem Zug ans Meer reisen wollen, können wir das selbstverständlich arrangieren. Heute wird der Zug vor allem für Städtereisen innerhalb Europas genutzt. Liegt jedoch die Fahrzeit über vier Stunden, wählen die Kunden eher das Flugzeug. Umso mehr, weil das meist auch noch billiger ist.

Wie kann man sich trotz Flug beim Reisen nachhaltig verhalten?

Man kann den Flug via Myclimate kompensieren und sich vor Ort möglichst umweltbewusst und sozial verhalten: keinen Abfall liegen lassen, die Klimaanlage abschalten, wenn man nicht im Zimmer ist, eine eigene Wasserflasche zum Nachfüllen verwenden statt ständig neue Plastikflaschen zu kaufen, in lokalen Restaurants essen, lokal produzierte Souvenirs kaufen und dafür faire Preise bezahlen, Velo fahren statt Auto mieten, die richtigen Hotels auswählen. Hotelplan Suisse bietet zum Beispiel Travelife-zertifizierte Unterkünfte an. Um die höchste Zertifizierungsstufe zu erreichen, müssen die Hotels über 150 Kriterien erfüllen, von Umweltfreundlichkeit bis zu fairen Anstellungsbedingungen fürs Personal.

Bringt denn diese Myclimate-Kompensation wirklich etwas?

Auf jeden Fall. Das Geld wird an Projekte weitergeleitet, mit denen der CO2-Ausstoss an einem anderen Ort reduziert wird. Hotelplan Suisse unterstützt ein Myclimate-Projekt in Brasilien, bei dem aus Holzabfällen Strom erzeugt wird. Dadurch werden Dieselgeneratoren eingespart, und die etwa 100 000 Einwohner von Itacoatiara profitieren von tieferen Strompreisen und stabilerer Energieversorgung.

Sie haben sich kürzlich dafür ausgesprochen, dass man bei Reiseangeboten CO2-Angaben macht, so wie es im Restaurant manchmal Kalorienangaben gibt. Plant Hotelplan Suisse, so was einzuführen?

Wir finden diesen Ansatz des WWF interessant, konkret in Planung ist es nicht, aber wir schauen uns das sicher an.

Haben Sie sich auch schon bei Flugscham ertappt und überlegt, eine Reise zu streichen oder mit dem Zug zu fahren?

Ich fliege ohnehin nicht so gerne und steige nur in ein Flugzeug, wenn es wirklich sein muss. Dementsprechend bin ich eigentlich lieber mit dem Zug unterwegs. Aber wenn ich mal fliege, kompensiere ich natürlich.

(TN)