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Was nützen uns diverse Nationen, Sprachen, Geschlechter, Herkünfte, Hautfarben, Ausbildungen, sexuelle Präferenzen und so weiter, wenn dann letztlich ja doch nach dem HiPPO-Prinzip entschieden wird – also gemäss der «highest paid person’s opinion»? Bild: Adobe Stock

Mit spitzer Feder aufgespiesst: «Diversity»

Felix Frei

Psychologe Felix Frei greift wöchentlich einen zeitgeistigen Begriff aus der Managersprache auf und kommentiert mit böser Zunge.

Vorsicht, wir betreten vermintes Feld! Amerikanische Forscher haben bewiesen, dass eine Vielfalt von Nationen, Sprachen, Geschlechtern, Herkünften, Hautfarben, Ausbildungen, sexuellen Präferenzen und so weiter jedem Managementteam und Unternehmen nur guttut. «Amerikanische Forscher ...» schreibt man, wenn man ohne Quellenangabe allen Widerspruch im Keim ersticken will. Also widersprechen Sie bitte nicht – Sie würden sich damit eh nur ins zeitgeistige Abseits stellen.

Besonders beliebt ist Diversity, wenn trotz derselben letztlich alle gleicher Meinung sind – vorzugsweise meiner. Weniger beliebt ist dagegen, wenn insbesondere die Meinungen divers sind. Aus Unternehmenssicht könnte man sich fragen: Was nützen uns diverse Nationen, Sprachen, Geschlechter, Herkünfte, Hautfarben, Ausbildungen, sexuelle Präferenzen und so weiter, wenn dann letztlich ja doch nach dem HiPPO-Prinzip entschieden wird – also gemäss der «highest paid person’s opinion»? Umgekehrt könnte man aus Unternehmenssicht auch fragen: Was kümmert uns, wenn bei uns nur deutschsprachige Schweizer Männer aus der weissen Mittelschicht mit Ingenieurausbildung und heterosexueller Präferenz sind, wenn sie alle fähig sind zu streiten, um einen Standpunkt zu kämpfen, ihre Perspektive zu wechseln und schliesslich einen gemeinsamen Entscheid zu fällen und zu tragen? Und schliesslich liesse sich fragen, was man aus Unternehmenssicht aus einer Meinungsvielfalt innerhalb einer (homogenen oder diversen) Gruppe gewinnt, wenn jeder (und jede, Pardon!) bloss auf seinem (ihrem) Standpunkt beharrt – und alle Andersdenkenden für doof hält.

Zu fragen ist: Wie gehen wir alle (ob Vorgesetzte oder nicht) mit anderen Meinungen um? Und wie gut sind wir alle in der Lage, mit abweichenden Meinungen und Standpunkten auf eine weiterführende Weise umzugehen?

Vielleicht ist es nämlich so, dass nur gerade jene Unternehmen Diversity problemlos (und erst noch mit Gewinn!) verdauen, die eine ganz bestimmte Kultur pflegen: eine Kultur, die unterschiedliche Meinungen und Sichtweisen als Werkzeug der geistigen Ausmarchung versteht, mit dem man erst die allerbesten Lösungen findet.

Eine solche Kultur kann durch künstlich geschaffene Vielfalt bestenfalls gefordert und gefördert, aber niemals aus dem Nichts erschaffen werden. Und auch das nicht in jedem Fall. Denn Vielfalt ist immer auch anstrengend und mit Risiken aller Art verbunden. Und es stellt sich nicht automatisch ein allseitiges Glücksgefühl ein, bloss weil alle irgendwie anders sind.