Flug
Fliegt FlyBair zu billig?
Dass Flugtickets betriebswirtschaftlich gesehen oft viel zu günstig sind, weiss inzwischen jedermann. Die Gründe dafür liegen meist im ruinösen Wettbewerb der Airlines, aber auch an einem Preisverständnis der Konsumenten, für welches Airlines weitgehend selber schuld sind. Manchmal sind es aber auch die Vertriebsstellen, welche die Preise drücken.
Interessant ist es in diesem Zusammenhang zu beobachten, wie das Pricing bei FlyBair aussieht – also der virtuellen Airline am Flughafen Bern, welche sich vorläufig weitgehend per Crowdfunding finanziert hat. Denn bekanntlich ist Fliegen ab Bern teuer: Der Fuel ist teurer als in Zürich oder Basel, die Taxen gleich hoch oder höher.
Wir haben uns also mal online umgeschaut. Direkt auf der FlyBair-Website kann man die Flüge (noch) nicht buchen, sondern wird zu den TO-Partnern weitergeleitet. Bei Aaretal scheinen noch keine Preise geladen zu sein (bzw. man muss per Mail eine Offerte verlangen), bei Belpmoos Reisen sind Gesamtpreise nicht ersichtlich, ohne zuerst sämtliche (potenziellen) Buchungsdaten eingegeben zu haben; bei beiden scheinen Nur-Flüge nicht im Angebot zu sein. Auch bei Buchard Voyages (Flüge ab Sitten nach Mallorca) sind die Flüge bzw. konkrete Angebote online noch nicht auffindbar.
Bei TUI und Hotelplan wird man fündig. Als Beispiel haben wir den Zeitraum 5.-12. August 2020 für Flüge ab Bern nach Heraklion genommen. Bei TUI gibt es konkrete Angebote, wobei der Flug – wie bei allen Charterflügen bei TUI – ins Pauschalarrangement integriert ist. Das gibt dann Angebote wie dieses, welche «normal» erscheinen.
Hotelplan ist offenbar der einzige Anbieter, bei welchem man auch Nur-Flüge buchen kann. Da wird es nun spannend: Denn für den genannten Zeitraum gibt es Flüge für 198 Franken – wohlgemerkt für Hin- und Rückflug, also für 99 Franken pro Strecke. Inklusive Flughafentaxen, ohne Reiseversicherung. Das erscheint dann schon sehr billig, zumal wir ja immer noch von Hochsaison sprechen. Wobei man fairerweise sagen muss, dass die Preisspanne online sich je nach Datum zwischen diesen 198 Franken und bis hin zu 548 Franken für dieselbe Strecke (Flug im Herbst) bewegt.
Der Markt Bern müsste mit höheren Preisen klarkommen
Klar ist, dass 198 Franken für einen Dreistundenflug nach Kreta die Kosten bei Weitem nicht decken – und es ist doch eigentlich davon auszugehen, dass der Veranstalter noch eine Marge auf den Flügen hat, diese also eigentlich noch günstiger eingekauft hat.
Urs Ryf, CEO des Flughafens Bern und VR-Delegierter von FlyBair, sieht es, durch Travelnews auf das Tiefpreis-Angebot angesprochen, gelassen: «Beim erwähnten Angebot handelt es sich um einen Vollcharter der beiden Reiseveranstalter TUI und Hotelplan. FlyBair hat somit keinen Einfluss auf die Preisgestaltung, diese ist einzig und alleine Sache der beiden Veranstalter. Es ist jedoch völlig normal, dass Sitzplätze zu unterschiedlichen Preisen angeboten werden. Vermutlich hat es nur sehr wenig Sitzplätze zu diesem Preis pro Flug. […] Dies ist ein normaler Prozess in jedem Revenue Management System. Je nach Buchungsstand werden die Preise laufend der Nachfrage angepasst.»
Bei Hotelplan argumentiert man laut Sprecherin Michèle Hungerbühler folgendermassen: «Der Preis von 198 Franken für den Flug von Bern nach Heraklion am 5. August hin und am 12. August 2020 zurück ist ein Einführungspreis. In Bern sind am 9. August die Sommerferien vorbei. Da die Nachfrage nach den Sommerferien erfahrungsgemäss sinkt, bieten wir diesen Flug momentan mit einem Frühbucherrabatt an. Die Preise für Flüge variieren jedoch je nach Datum und nach Zeitraum der Buchung.» Wir haben oben bereits festgehalten, dass die Preisspanne bis hinauf auf 548 Franken geht, also rund 275 Franken pro Weg.
Alles normales Yield-Management also? Gewiss. Und doch scheinen die Preise relativ tief. Geflogen wird mit Embraer 190 mit 100 Sitzen. Wichtig zu wissen: Bei der «schlanken Aufstellung» von FlyBair sind doch einige Partner involviert, welche Geld mit den Flügen generieren müssen: Die Veranstalter können das mit den Pauschalreisen als Ganzes steuern. Die Airline selber muss aber drei Entitäten speisen: FlyBair als Vermarkter, Lions Air als operative Geschäftsführerin und German Airways als Leasinggesellschaft. In die Details der Preisgestaltung sieht man natürlich nicht und einzelne preisliche Ausreisser nach unten bedeuten nicht, dass eine ganze Rotation rote Zahlen schreibt. Und klar, die Kostenbasis beim deutschen Verleaser ist wohl tiefer als es bei einer Schweizer Fluggesellschaft wäre. Dennoch bleibt die Frage, ob mit Flügen ab 198 Franken nicht ohne Not falsche Anreize in Bern geschaffen werden.
Es wäre zudem interessant zu wissen, ob die virtuelle Airline FlyBair über bessere Konditionen verfügt, als es Skywork oder andere am Flughafen Bern tätige Airlines jemals hatten. Ryf verneint dies jedoch klar: «Eigentlich ist es üblich, dass neue Airlines rabattierte Konditionen erhalten, das ist sogar reglementarisch festgehalten. Bei unserer eigenen Airline haben dies aber nicht angewendet; es sollen für alle Airlines gleich lange Spiesse gelten». Die Preisgestaltung der Charterkunden sei deren Sache - wenn FlyBair dann etwa Mitte Januar bei einigen Destinationen mit Risiko auch selber verkauft, werden die Preise laut Ryf allerdings eher in der Region 300-400 Franken liegen.
Das wären dann etwas vernünftigere Preise. Die Grundsatzfrage bleibt aber, ob FlyBair die «Schweizer Schere» (hohe Ansprüche an Qualität und hohe Fixkosten, aber trotzdem Bedarf nach «europäischen Preisen») meistern kann - und ob alle im Projekt involvierten Parteien langfristig gewinnbringend geschäften können. Der Markt Bern muss jetzt zeigen, dass er wirklich gewillt, eine eigene Fluglösung zu haben. Beim Crowdfunding hat's geklappt. Würde es allenfalls auch mit höheren Flugpreisen klappen? Höhere Flugpreise sind jedenfalls auch etwas, was FlyBair-Verwaltungsratsmitglied André Lüthi schon seit langem fordert...