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Ewiges Wachstum ist nicht möglich: Der Zugang zum Markusplatz und zu weiteren öffentlichen Plätzen Italiens soll besser geregelt werden. Bild: Fotolia

Scusi, der Markusplatz ist bereits voll

Jean-Claude Raemy

Italien hat 2016 Rekordbesucherzahlen verzeichnet, diskutiert nun aber sehr intensiv über eine Zulassungsbeschränkung zu den beliebtesten öffentlichen Plätzen.

Italien hat 2016 ein exzellentes Tourismusjahr hingelegt. Inzwischen hat der italienische Handelsverband ConfCommercio auch bekannt gegeben, wie viele internationale Besucher den «Bel Paese» besucht haben: 56 Millionen, ein Wachstum um 1% gegenüber dem Vorjahr 2016 um ein Prozent – aber ein Wachstum von fast 55% gegenüber 2001. Die Zahl der italienischen Besucher ist dagegen rückläufig: 2016 wurde ein Minus von 2% gegenüber dem Vorjahr verzeichnet.

So erfreulich Rekordzahlen jeweils sind, so gilt es dennoch zu beachten, dass auch Italien immer mehr mit dem Phänomen des «Übertourismus» kämpft, wie zahlreiche andere Ziele im Mittelmeer (Barcelona, die Kanaren) oder auch bestimmte Städte (Amsterdam, Paris). Hierzu einige relevante Daten: Verbrachte 2001 ein Tourist noch 4,1 Tage in Italien und gab dabei 1034 Euro aus, verbringt der Tourist 2016 nur noch 3,6 Tage in Italien und gibt dabei 661 Euro aus. Wer weniger Zeit hat, besucht vor allem die wichtigsten Sehenswürdigkeiten, leitet sich daraus ab. Mit der Folge, dass gerade öffentliche Plätze, wo kein Eintritt verlangt wird, manchmal hoffnungslos überlaufen sind.

Wie ist eine Zugangsbeschränkung umsetzbar?

Dario Franceschini, der Minister für Kulturgüter, hat nun vor wenigen Tagen für Furore gesorgt mit seiner Forderung, den Zugang zu wichtigen touristischen Plätzen einzuschränken. Laut Franceschini sei die Kontrolle der touristischen Ströme nicht mehr gewährleistet, und nachdem Rom allein gegen 40 Millionen Besucher pro Jahr absorbieren müsse, oder Venedig fast 30 Millionen, sei bald eine Art «Numerus Clausus» einzuführen. Konkret im Visier sind Zugangsbeschränkungen für den Markusplatz in Venedig, für die Spanische Treppe und den Trevi-Brunnen in Rom sowie die Domplätze in Florenz oder Mailand. Die Notwendigkeit, die Zahl der Besucher einzuschränken, sei auch eine wichtige Anti-Terrormassnahme.

Franceschinis Analyse wird in Italien nicht angezweifelt. Die Diskussion ist aber um das «Wie» entbrannt. Drehkreuze zu den öffentlichen Plätzen einrichten? Kaum praktizierbar. Der am meisten genannte Ansatz führt dahin, dass man in der Tourismuswerbung auf den kulturellen Reichtum Italiens verweisen solle, so dass Touristen nicht mehr nur die «Postkarten-Monumente» besuchen, sondern auch andere Schätze. Beispiel: Das Kolosseum in Rom verzeichnet jährlich sechs Millionen Besucher, der 600 Meter davon entfernte Palazzo Venezia lediglich 50‘000 Besucher. Es gehe darum, die Touristen «zu erziehen» und Italiens Kulturreichtum nicht plakativ auf ein paar Plätze und Monumente zu reduzieren.

Ob Touristen, welche immer kürzere Zeit in einer Stadt verbringen und deren primäres Ziel es ist, den Besuch per Selfie in Sozialen Medien mit der Weltöffentlichkeit zu teilen, für Besuche weniger bekannter Kulturgüter zu begeistern sind, darf zumindest angezweifelt werden. In Italien werden jedenfalls die Stimmen immer lauter, welche angesichts der «touristischen Barbarenhorden» (so drückt sich der Abgeordnete Vittorio Sgarbi aus) den Zugang zu wertvollen Kulturgütern streng regulieren wollen.