Destinationen

Eine Saisonkarte für 222 Franken, wenn 99'999 Bestellungen zusammenkommen: mit diesem Sujet warb Saas-Fee für die Crowdfunding-Aktion.

Expert Diese Aktion haute viele um

Pascal Schär

Das Crowdfunding-Konzept in Saas-Fee sorgte in diesem Winter für Verblüffung. Innovation heisst Mut, schreibt Pascal Schär, der Geschäftsführer der Saastal Marketing AG und Teil des Gremiums, das die Aktion entwickelte.

Der Schweizer Tourismus steht vor grossen Herausforderungen – neu ist diese Erkenntnis nicht. Angebot und Nachfrage stehen im Ungleichgewicht. Vielerorts können die Kosten durch das bestehende Überangebot nicht mehr gedeckt werden. Hinzu kommen nicht-branchenspezifische Faktoren wie der starke Franken oder die Angst vor Terroranschlägen in Europa. Fakt ist, die Schweizer Tourismusbranche braucht wieder mehr Gäste. Und dafür muss die Nachfrage angekurbelt werden.

Kritik und Euphorie

Das Ankurbeln der Nachfrage geschieht oftmals mittels Sonderangeboten. Schnell umsetzbar und effizient in der Wirkung sollen die Angebote meist sein. Besonders mutig sind sie meist nicht. 2016 hat Saas-Fee etwas gewagt, das die Tourismusbranche bis jetzt so noch nie gesehen hat. Das Konzept sollte revolutionär sein, und etwas provokativ.

So lancierte die Saastal Bergbahnen AG am 23. Oktober 2016 ein neues Preiskonzept, mit dem Angebot einer Ski-Saisonkarte für den Preis von 222 Franken. Das Konzept lehnte sich am Crowdfunding-Prinzip an, bei dem der Deal erst zustande kommt, wenn 99‘999 Karten verkauft sind. Zum ersten Mal überhaupt konnten Kunden selbst entscheiden, ob sie günstiger Skifahren möchten. Wie zu erwarten polarisierte die Aktion: Die Tourismus-Branche reagierte kritisch, die Kunden mit grosser Euphorie. Reaktionen kamen aus ganz Europa; die Stimmen waren interessiert aber auch kontrovers. Ob Dumpingpreis, Marketing-Gag oder doch nachfragegerechter Marktpreis: die Meinungen gingen und gehen wohl noch immer stark auseinander.

Bis zum Enddatum der Aktion (23.11.16) wurden 90‘000 Karten verkauft; was 90% des ursprünglich definierten Ziels entspricht. Der grosse Anklang bei den Kunden ist einerseits ein Beweis dafür, dass die Saastal Bergbahnen AG die Nachfrage mit dieser Aktion ankurbeln konnte. Auch die Preiselastizität von Skibilletten ist somit gegeben. Finanziell hat es sich auf alle Fälle gelohnt; mit den verkauften Karten konnte der Vorjahresumsatz bereits übertroffen werden. Die Fixkosten der Saastal Bergbahnen AG sind gedeckt, der Markt wurde stärker abgeschöpft und die Preise sind auf einem konkurrenzfähigen Niveau.

Die Vorwürfe

Aus der Tourismusbranche stand der Vorwurf des Preisdumpings durch diese Crowdfunding Aktion im Raum. Bei der Analyse der Bereitstellung eines Skitages wird klar, dass ein solcher in erster Linie aus Fixkosten besteht. Pro Skifahrer ist nur ein kleiner Teil der Kosten variabel. Die Schweizer Bergbahnunternehmen können die Kosten eines Winters immer häufiger nicht mehr mit den Erträgen aus dem Verkauf von Skipässen decken. Die Nachfrage ist schlichtweg zu gering, um die hohen Fixkosten zu decken. Die Branche verharrt entsprechend in einem chronischen Defizit, das langfristig natürlich fatal enden kann.

Und dann? Was passiert, wenn alle Schweizer Skigebiete ein solches Modell anwenden? Die Antwort ist kurz. Nichts. Denn das Marktpotenzial ist schlichtweg zu klein, um das notwendige Volumen pro Skigebiet zu generieren. Irgendwann würden auch die Preise in Saas-Fee wieder steigen und die Gäste ins benachbarte, günstigere Ausland abwandern. Der wirtschaftliche und soziale Strukturwandel nimmt seinen Lauf – hier in der Schweiz wie im Ausland. Auch die zahlreichen Sonderaktionen (beispielsweise Skipass-inklusive-Angebote oder Rabattaktionen) werden nicht verschwinden; denn es geht um den Überlebenskampf der hiesigen Wintersportdestinationen. Die Fixkosten müssen gedeckt sein – genau darum geht es, und zwar nur darum. Eine Alternative zu den Sonderaktionen wären stärkere Subventionen und Defizitgarantien aus der öffentlichen Hand.

Innovationsstrategie

Innovative Ideen sind im harten Verdrängungswettbewerb überlebenswichtig. Diese Innovationen beschränken sich geografisch auf eine Destination und orientieren sich inhaltlich am Gästebedürfnis. Gesamtwirtschaftliche Folgen für das Tourismusland Schweiz zu berücksichtigen wäre zwar ehrenhaft und sicherlich auch Teil des Entscheidungsprozesses; sachlich und mit Blick in die Zukunft gerichtet jedoch unrealistisch. Die gesamte Tourismusbranche darf ruhig noch etwas kreativer, risikofreudiger und positiver werden. Jammern hilft nicht weiter – machen hingegen schon.