Destinationen

Vor den Wahlen in Myanmar: Die Touristiker sind irritiert

Bernd Linnhoff

Der Ausgang der Wahlen in Myanmar vom kommenden Wochenende wird auch auf den Tourismus grosse Auswirkungen haben.

320 US-Dollar kostet bei Eastern Safaris eine Ballonfahrt über der magischen Tempelebene von Bagan. Kein billiges Vergnügen zum Sonnenaufgang, aber jeden Dollar wert. Künftig, so hat es das Kulturministerium von Myanmar angeordnet, dürfen die Ballons nur noch am Rande der Ebene schweben, in einer Mindesthöhe von 90 Metern.

Dekrete ohne Vorwarnung irritieren Reiseveranstalter nachhaltig. Der zweite Top-Down-Beschluss in diesen Tagen, unmittelbar  vor den Wahlen am 8. November, trifft die Branche noch deutlich härter: Myanmars Zentralbank entzog allen Hotels, Restaurants, Airlines und Souvenirläden die Lizenz zum Handel mit ausländischen Devisen, mit Wirkung per 1. November.

Bisher galt der US-Dollar als anerkanntes Zahlungsmittel. Der einheimische Kyat hingegen verlor peu à peu beachtliche 25 Prozent seines Wertes. Nun müssen Reisende ihre Rechnungen am Ort entweder bar in Kyat bezahlen oder per Kreditkarte, was die lokalen Anbieter ausserhalb der touristischen Zentren vor massive Probleme stellt.

Auch internationalen Veranstaltern friert gerade das Lächeln ein. Da sie die Verträge mit burmesischen Partnern (Hotels, Airlines etc.) auf Dollar-Basis abgeschlossen haben, warten sie nun gespannt auf den nächsten Schritt der Banker: den offiziellen Umrechnungskurs für Dollar und Kyat. „Davon hängt schliesslich ab, ob unsere Marge grösser wird oder kleiner als zuvor kalkuliert“, sagt Christian Mosebach, Geschäftsführer des in Yangon ansässigen Veranstalters AsiaTrips. Eine Entwicklung zum Positiven würde ihn eher überraschen: „Aber eine Entscheidung wird es kaum vor Ende November geben.“ Auch Buchungsportale wie Agoda.com oder Booking.com werden ihre Angaben auf Dollar-Basis dann wohl überarbeiten müssen.

Myanmars Erfolg hat seinen Preis

Goldene Pagoden; idyllische Seen; dichter Dschungel; feine Strände;  Ziele, die erst noch entdeckt werden wollen wie der Mergui-Archipel; Orte wie Mandalay,   mythisch aufgeladen seit Kiplings Zeiten — und dazu freundliche Menschen: Mit solchen Pfunden kann ein Land wuchern. Erst recht, wenn es sich nach Dekaden militärischer Diktatur plötzlich öffnet. Nun folgt Stufe zwei: Wie geht Myanmar um mit dem Boom?

Die ehemalige Hauptstadt Yangon beherbergt in ihren Mauern alle Probleme einer Destination, die fast über Nacht von Besuchern überrannt wurde:

  • Stromausfälle und überbordenden Verkehr ohne Nahverkehrssysteme
  • der International Airport Yangon hat mit 1,4 Mio. Ankünften 2014 seine Kapazität mehr als erreicht
  • die Fertigstellung des neuen Flughafens Hanthawaddy verzögert sich bis 2019
  • Nachfrage übertrifft Angebot: In manchen Hotels sind die Preise von 50 bis 80 Dollar auf 200 pro Nacht gestiegen.
  • Derzeit beträgt die Zahl der Hotels landesweit ca. 1 200, die meisten davon im Drei-Sterne-Bereich; Zimmerkapazität: ca. 34000. 

Am meisten Sorgen bereitet Gastgebern wie Gästen die Unterdeckung an ausgebildeten Fach- und Servicekräften. Wo sollen sie auch so schnell herkommen nach langer Abschottung? Derzeit wirken 300 000 Burmesen im Tourismusbusiness, 2020 könnten 1,5 Mio. benötigt werden.

Zwar ist Perfektion nicht das, was Touristen in Myanmar erwarten. Doch hohe Preise in Verbindung mit bescheidenem Service taugen auf Dauer nicht als Imagetrieber eines Landes. Es wird bei allem Bemühen naturgemäss dauern, bis Transport, Unterkunft und Service den Standard der südostasiatischen Nachbarn erreichen. Und es wird auch dauern, bis sich jeder Kellner, Barkeeper, Busfahrer oder Tourguide als Botschafter Myanmars versteht.

Burma 2.0 – ein Blick in die Zukunft

Mike Than Tun Win heisst der energische Unternehmer, der die Zukunft der Destination Myanmar symbolisieren könnte. Im Juni startete er die Website FlyMya (www.flyma.com). Dort können Touristen und GeschäftsreisendeTickets bei sechs einheimischen Fluggesellschaften für insgesamt 27 Städte buchen und seit kurzem auch Hotelzimmer und Mietwagen inkl. Fahrer – ein gewaltiger Fortschritt auf dem Weg, die immer noch umständliche individuelle Reiseplanung im Land zu vereinfachen.

Mike verbrachte sein halbes Leben in Singapur, ehe er 2011 nach Myanmar zurückkehrte. Politik und Wirtschaft hoffen auf viele Nachahmer. Denn jeder Rückkehrer injiziert Weltläufigkeit, Know-how, Kapital und Ideen in den Kreislauf Burmas.

Bei den Wahlen am Sonntag favorisieren die Analysten einen überzeugenden Sieg der Widerstandsikone Aung San Suu Kyi und ihrer National League of Democracy. Die NLD müsste mindestens 333 der verfügbaren 498 Sitze gewinnen, um die Regierung zu stellen. Hingegen benötigt die amtierende Regierungspartei USDP (Union Solidarity and Development Party) nur 167 Sitze; zusammen mit dem Militär, dem 25 Prozent der Sitze verfassungsgemäss garantiert sind, hätte sie dann die Mehrheit. Präsident Thein Sein, ehemaliger Junta-General, schliesst eine neue Amtszeit nicht aus.

Bedeutung von Myanmars Tourismus:

  • Tourismus ist der am stärksten wachsende Geschäftszweig Myanmars seit der politischen Öffnung 2011
  • Eines der sieben von der Regierung priorisierten Geschäftsfelder
  • Touristen 2012: eine Million; 2014: 2 Millionen; die Einnahmen stiegen um 73 Prozent auf 1 Mrd. US-Dollar
  • Ziel 2015: 3 Millionen - bereits im August erreicht, 4,5 Mio. gelten als wahrscheinlich
  • Ziel für 2020: 7,5 Mio.  - dieses Ziel muss überdacht werden
  • Durchschnittliche Aufenthaltsdauer eines Besuchers: sieben Tage
  • Tägliche Ausgabe: 145 Dollar
  • Myanmar ist weltweit einer der sieben am schnellsten wachsenden Tourismusmärkte (lt. World Travel and Tourism Council)

Autor Bernd Linnhoff lebt in Thailand und bereist regelmässig Myanmar. Er betreibt den Blog www.faszination-fernost.com