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Hochbetrieb am Flughafen Zürich: Seit Wochen bilden sich hauptsächlich vor der Sicherheitskontrolle immer wieder lange Warteschlangen. Bild: Flughafen Zürich

«Das Management muss sich dem Problem dringend annehmen»

Reto Suter

Am Flughafen Zürich kommt es seit Wochen zu langen Warteschlangen vor der Sicherheitskontrolle. Experten zeigen sich auf Anfrage verwundert über das Ausmass und befürchten für den Flughafen Zürich einen Imageverlust.

Die Berichte über riesige Schlangen vor der Sicherheitskontrolle am Flughafen Zürich reissen nicht ab. Es scheint tendenziell sogar immer schlimmer zu werden. Von gestern Mittwoch kursiert ein Video, das eine Warteschlange bis in den Check-in-Bereich des Terminals 2 zeigt. Gemäss betroffenen Passagieren betrug die Wartezeit bis zu zwei Stunden. Die Chance, in einem solchen Fall rechtzeitig am Gate zu sein, ist klein – selbst wenn die Reisenden, wie vom Flughafen empfohlen, schon lange vor dem Abflug vor Ort waren.

«Ich steckte auch schon zweimal in langen Schlangen fest – nicht zum Ferienstart, sondern unter der Woche», sagt Urs Wagenseil gegenüber Travelnews. Er ist Co-Leiter des Kompetenzzentrums Tourismus an der Hochschule Luzern. Dass es sogar an normalen Arbeitstagen zu derart langen Schlangen komme, habe ihn doch sehr erstaunt. «In einem Fall war ich dann zu spät am Gate und schaffte es nur mit Glück noch in den Flieger», erzählt der Tourismusexperte.

«Das Ganze ist ein massiver Qualitätsabbau»

Ob der Flughafen das Problem zu lange unterschätzt habe, könne er nicht beurteilen. Dafür sei er zu wenig nahe dran. «Fakt ist aber: Für alle Reisenden, die ab Zürich fliegen, ist die Situation höchst unbefriedigend», so Wagenseil. Er spricht von einem massiven Qualitätsabbau.

Die Aufforderung, zwei bis drei Stunden vor dem Abflug am Flughafen zu sein, löst bei ihm Kopfschütteln aus. Es heisse nicht umsonst «Time is Money». Gerade unter diesem Aspekt seien die enormen Wartezeiten vor der Sicherheitskontrolle schwer zu akzeptieren, sagt Wagenseil. «Alle Passagiere, die in der Schlange stehen, sind komplett unproduktiv.

Die Kommunikation kritisiert auf Anfrage auch der renommierte Reputations-Experte Bernhard Bauhofer. «Der Flughafen hat ziemlich lapidar bekanntgegeben. dass es während der Rush Hour jetzt vorübergehend zu Wartezeiten bei der Sicherheitskontrolle komme», sagt er. «Hier wäre aber ein guter Schuss Empathie nötig gewesen.» Er sei sicher, dass die Passagiere jetzt anders mit der Situation umgehen würden, wenn der Flughafen besser kommuniziert hätte. Die Erwartungshaltung der Fluggäste wäre dann eine andere gewesen.»

Für Bauhofer ist klar: «Jetzt ist das Management gefordert!» Es müsse sich diesem Problem mit höchster Dringlichkeit annehmen. Darauf hofft auch Urs Wagenseil von der Hochschule Luzern. Ihm schwant Böses, wenn er an die Hauptreisezeiten im Sommer und im Herbst denkt. «Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass dann plötzlich Riesen-Crews an den Schaltern stehen und alles reibungslos klappt», sagt der Tourismusfachmann.

«Die Passagiere tragen diese negativen Erfahrungen in die Welt hinaus»

Für den Fall, dass es im gleichen Stil weitergeht oder sogar noch schlimmer wird, befürchten die beiden Experten einen nachhaltigen Imageverlust für den Flughafen Zürich. Die Schweiz steht laut Bauhofer für Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit.

«Erst kürzlich hat sich ein deutscher Kollege von mir darüber amüsiert, dass sich ein Zugbegleiter bei ihm entschuldigt habe, weil der Zug mit winzigen drei Minuten Verspätung unterwegs war.» Wenn es dann am grössten Flughafen des Landes fast täglich zu riesigen Warteschlangen vor der Sicherheitskontrolle komme, sei das für dessen Reputation sicher nicht förderlich.

«Solche negativen Erfahrungen werden von den Passagieren in die Welt hinausgetragen», sagt Bauhofer. Im schlimmsten Fall könne das gerade im Zusammenhang mit dem CS-Grounding in ein generelles Schweiz-Bashing ausarten – nach dem Motto: «Nicht einmal mehr die Sicherheitskontrolle bringt die Schweiz auf die Reihe.»

Ins gleiche Horn bläst Urs Wagenseil: «Die Schweiz gilt international als sehr gut organisiertes Land.» Bei Wartezeiten in diesem Ausmass könne es unter den Touristinnen und Touristen dann schnell einmal heissen: «So habe ich mir die Schweiz definitiv nicht vorgestellt.» Dennoch wolle er Situation auch nicht dramatisieren. «Vielleicht ist der Ruf unseres Landes manchmal halt auch besser als die Realität.»