Here & There

Eine Marmelade, fatto in Ticino, mit der ungewöhnlichen Mischung aus Kaki und Ingwer. Sieben Franken, gesehen bei Kilometro Zaro. Bilder: derinternaut.ch

Starke Strecke in Locarno: Die Via Citadella

Andreas Güntert

Etwas versteckt, etwas verstaubt – und eine Entdeckung wert: In Locarnos Altstadt drosseln wir das Tempo. 

Wenn er ankommt in Locarno, der sonnenhungrige Mensch, legt er oft eine gewisse Faulheit an den Tag. Vor allem dann, wenn sein (oder ihr) Sonnenhunger tatsächlich aufs gewünschte Wetter trifft. Wenn es also sonnig ist, mag man nicht allzu weit gehen und landet meist in einem Café am See oder auf der Piazza Grande.

Ganz falsch ist das nicht, weil dieser Platz natürlich seine ganz eigene Magie hat. Falsch ist es aber, wenn man das Gefühl hat, man habe damit schon alles gesehen, was Locarno zu bieten hat. Denn ein paar Gehminuten entfernt von der Piazza Grande liegt immerhin die Altstadt, das Centro storico. Dort sollte man auch mal hin. An die Via Cittadella. Und genau das tun wir jetzt.

Leicht zu finden: die Via Citadella in Locarno.

Entlang der Via Cittadella, die als Hauptader der Altstadt gilt, gibt es viele herrschaftliche Häuser und zahlreiche Details an Wänden und auf Böden zu bestaunen. Bevor wir losgehen, noch ein kleiner Disclaimer. Die Uhren gehen hier etwas langsamer. Manches scheint ein bisschen, wie soll ich sagen – angestaubt? Was auch ein Teil des Charmes ist hier in der Altstadt von Locarno.

Für uns Besucher heisst das: Nicht hetzen, sondern auch mal stehenbleiben. Schauen und Staunen. Keinen Omnichannel-Service erwarten: Die Shops und Läden haben nicht immer eine Website. Und sie schliessen auch mal gerne über Mittag. Pause machen ist eben auch eine Kunst.

Die Via Cittadella: Ein schöner Strang, der durch die Altstadt von Locarno führt.

Ein Kaffeehalt: Strategisch hervorragend liegt die Pizzeria und Gelateria Primavera. Auf einem kleinen Plätzchen, wo sich die Strassenspitzen der Via San Francesco und der Via dell’Ospedale zu einem spitzen Küsschen finden. Wer Glück hat, ist bei schönem Wetter dort. Wer noch mehr Glück hat, ergattert sich einen Aussenplatz.

Ein Drink: Für einmal verlassen wir die Via Cittadella und stechen in Richtung See runter in die Via Bartolomeo Rusca. Dort, an Hausnummer 8, befindet sich das Caffè Bartolomeo. Es wartet mit einer schönen Drink-Auswahl auf, darunter befindet sich auch der Cocktail-Klassiker «Sex on the Beach».  Sowie dessen unbekanntere Schwester «No Sex on the Beach». Wie vermutet ohne Alkohol, dafür mit Orangensaft, Pfirsich und Passionsfrucht. Das Lokal lohnt sich auch fürs Frühstück. Aber Achtung: Sonntags geschlossen. Die ganze Gasse aber ist ganzwöchig einen kleinen Bummel wert.

Eine Mahlzeit: Eigentlich spricht an dieser Strasse alles für eine Mahlzeit im Ristorante Cittadella. Dekoriert von Gault Millau und Michelin, eine beliebte und bekannte Adresse in der ganzen Stadt, vor allem für Fischliebhaber. Aber mir stand der Sinn bei meinem Besuch eher nach quirliger Italianità, Und das gibts natürlich auch an der Via Cittadella. In der Casa del Popolo, wo es eher einfach und familiär zu- und hergeht. Auf Tripadvisor heimst das unkomplizierte Lokal zwar nicht nur Topnoten ein. Aber wer die hausgemachten Gnocchi nimmt, macht nichts falsch.

Ein Shop: Für die Dame, die nie genügend Taschen, Schals und andere hauptsächliche Accessoires hat: Il Tugurio, Borse & Accessori ist eine prima Haltestelle. Freundliche und sachkundige Bedienung inbegriffen.

Und noch ein Shop: Nicht besonders hip, aber hübsch sortiert und mit Personal bestückt, das weiss, woher die lokalen und regionalen Leckerbissen im Sortiment stammen. Kilometro Zaro ist einen Besuch wert. Der Chef kennt Hintergrund und Geschichte von jedem Produkt.

Ein Mitbringsel:

Amaretti Bianchi ai Cioccolati – ein süsser Gruss aus der Altstadt von Locarno.

Panettone oder Amaretti? Meistens ist es einer dieser beiden Tessiner Klassiker, die heimgebracht werden für die Ärmsten, die nicht mitreisen konnten ins Ticino. In diesem Falle sind es Amaretti Bianchi ai cioccolati von der Pasticceria Marnin, direkt an der Via San Francesco gelegen. Eine kleine Sünde zum kleinen Preis: Sette Franchi.

Noch ein Mitbringsel: Weil der Mensch nicht alleine von Amaretti leben kann, bringe ich noch ein zweites Geschenk heim: Eine Marmelade, fatto in Ticino, mit der ungewöhnlichen Mischung aus Kaki und Ingwer. Auch sieben Franken, gesehen bei Kilometro Zaro.

Die Anreise: Den ersten Caffè auf der Piazza Grande will ich Ihnen nicht streitig machen – den haben Sie sich sicher verdient: Danach: Tapfer die ganze Piazza durchschreiten und dann rechts die Via alla Motta hochstechen. Ein paar Schritte nur – und schon ist die querlaufende Via Cittadella erreicht.

Starke Orte in Gehdistanz: Schlechtes Wetter erwischt? Scusi. Holen Sie sich Ihr verdientes Stück Wärme am See unten, im grossen Spa am Lido, dem Termali-Salini. Etwas Fernsicht gewünscht? Bittesehr: Gehen Sie zu Fuss hoch zur Wallfahrtskirche Madonna del Sasso. Dauert so um die 30 Gehminuten von der Via Cittadella her, je nach Tempo. Und weil wir an der Via Cittadella ja das Pausieren gelernt haben, dauert es vielleicht etwas länger.

Oder kunstsinnig? Dann könnte die Fondazione Ghisla Art Collection einen Besuch wert Zeit. Moderne und zeitgenössische Kunst stehen hier im Fokus. Geschichtsinteressiert? Dann ab ins Schloss Visconteo, das sich auch über 650 Jahre nach Erbauung immer noch im Renaissance-Stil erhebt. Und das nur ein paar Schritte ausserhalb der Altstadt von Locarno.

Ciao Locarno, schön wars.