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Das Stanserhorner CabriO, welches immerhin 29,5 Millionen Franken kostete, ist die weltweit erste Kabrio-Seilbahn der Welt. Bilder: AKV

Oben ohne aufs Stanserhorn

Artur K. Vogel

Im untersten Drittel ist sie eine traditionelle Standseilbahn. Ab der Zwischenstation bis zum Gipfel verkehrt sie als weltweit einzige Kabrio-Luftseilbahn. Dank ihr feiert die Stanserhorn-Bahn nächsten Samstag ihren 125. Geburtstag bei bester Gesundheit.

Innovation hat bei der die Stanserhorn-Bahn Tradition, seit sie am 23. August 1893 offiziell zum ersten Mal von Nidwaldens Hauptort Stans in drei Sektionen auf den Hausberg fuhr. Sie galt als Meisterwerk der Technik und war mit maximal 63 Prozent Neigung für viele Jahre die steilste Standseilbahn der Schweiz. Oben auf den Berg stellten die Unternehmer Franz Josef Bucher-Durrer und Josef Durrer-Gasser einen mächtigen Hotelkasten. Dessen Gäste genossen einen traumhaften Rundumblick über 100 Kilometer Alpenpanorama, den Vierwaldstätter- und, bei klarer Sicht, zehn weitere Seen, den Bürgenstock, die Rigi, den Pilatus und im Hintergrund die Stadt Luzern.

In den 125 Jahren seit der Gründung ist einiges passiert: In der Nacht vom 2. auf den 3. Oktober 1970 brannten das Hotel oben auf dem Berg und die Antriebseinheit für die dritte Sektion nach einem Kurzschluss ab. Das Hotel wurde nicht wieder aufgebaut. Vier Jahre später stellte man die zwei oberen Sektionen der Standseilbahn ein, deren Trassee teilweise noch zu sehen ist; stattdessen nahm man im Mai 1975 eine neue Luftseilbahn in Betrieb. Und 2001 wurde das Rondorama eröffnet, das erste Drehrestaurant der Zentralschweiz, und 2003 auf dessen Terrasse eine schwindelerregende Aussichtsplattform.

29,5 Millionen für die Zukunft

Jürg Balsiger, Direktor der Stanserhorn-Bahn.

Doch das Stanserhorn litt, wie viele andere Bergdestinationen auch, etwas an Besucherschwund. Statt resigniert die Hände in den Schoss zu legen, entwickelte der begeisterungsfähige Stanserhorn-Diektor Jürg Balsiger zusammen mit dem Seilbahn-Bauer Garaventa eine waghalsige Idee: Man wollte die weltweit erste zweistöckige Kabrio-Seilbahn bauen, unten eine verglaste Kabine mit Platz für 60 Passagiere, von der eine elegante Wendeltreppe hinauf auf das offene Oberdeck führt, wo weitere 30 Leute Platz finden.

Gegen das Projekt, das immerhin 29,5 Millionen Franken kostete, habe es starken Widerstand gegeben, räumt Balsiger ein, der unter anderem Tourismusdirektor in Brienz im Berner Oberland war, bevor er nach Stans kam. Aber schliesslich konnte er sich durchsetzen. Die Resultate geben ihm recht: In den Jahren 2005 bis 2010 kamen im Schnitt rund 120‘000 Besucher pro Saison; zwischen 2012 und 2017 waren es rund 167‘000. Und 2018 dürfte ein Rekordjahr werden. Doch was den Direktor besonders freut: Rund 80 Prozent der Gäste stammen aus der Schweiz. «Andere Berge setzen auf internationale Gruppen, Chinesen, Inder und so weiter. Wir hingegen wollen klar Einzelreisende ansprechen, Paare, Familien.» Das schätzen auch die Bewohner von Stans, denn das erspart dem Ort mit seinen rund 8500 Einwohnern Touristenmassen und ihre Reisebusse, die andernorts zum Problem werden.

Othmar Achermann, Chef Ranger auf dem Stanserhorn.

«Wir würden die Massen hier gar nicht hinaufbringen», sagt der pensionierte Polizist Othmar Achermann, der mit uns auf dem luftigen Oberdeck hinauffährt, wobei die Bahn auf zwei je 70 Tonnen schweren, fünf Meter auseinanderliegenden Tragseilen elegant auf den knapp 1900 Meter hohen Berg gleitet.

Auf dem Stanserhorn hat der 74-Jährige eine neue Berufung gefunden: Er ist Chef einer 16-köpfigen Gruppe von Rangern. Diese gibt es seit inzwischen zehn Jahren. Sie arbeiten ehrenamtlich, bieten Auskunft und Gratis-Gruppenführungen an. «Meine Motivation ist, unseren Gästen meine Heimat näherzubringen», sagt Achermann. Die Ranger bilden sich permanent weiter und wissen fast alles über die Geografie, über Blumen, Pilze, Wildtiere. Und natürlich über die Murmeltiere in ihrem grossen, durch eine Mauer abgetrennten Revier. Die putzigen Nager sind eine der Attraktionen auf dem Stanserhorn.

Der entrümpelte Berg

Anders als auf anderen Berggipfeln, kann man dort keine grossen Wanderungen unternehmen, nur einen Spaziergang hinauf zum Gipfel etwas oberhalb der Bergstation. «Von führenden Faulenzern empfohlen», lautet deshalb einer der Werbesprüche. Zudem legt Jürg Balsiger grössten Wert darauf, dass sein Berg «entrümpelt» bleibt: «Andernorts werden Touristen kanalisiert, durch Souvenirshops geschleust, mit Plakatwänden für Uhren, Banken oder Versicherungen behelligt. Bei uns gibt es keine Fremdwerbung.» Und es gibt auch nur wenige Informationstafeln. Deren Funktion übernehmen hier die Ranger.

So ist sein Berg heute auf jenem Punkt, auf den ihn Jürg Balsiger bringen wollte: «Einst wurden wir wegen mangelnder Transportleistungen belächelt», sagt er nach dem Mittagessen im Drehrestaurant. Die beschränkte Kapazität habe jedoch einen durch nichts zu ersetzenden Vorteil: «Wir können jeden Gast individuell begrüssen», sagt er und umarmt eine Reiseführerin, die immer wieder amerikanische Gruppen auf das Stanserhorn begleitet.

Übrigens gilt auf dem Stanserhorn eine verlängerte Sommersaison: Erst am 18. November wird die Bahn für den Winter stillgelegt.

Eine Gruppe von Ausflüglern beim Besteigen des Stanserhorns.