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Hongkong hat schon bessere Zeiten erlebt. Bild: Fotolia

Hongkong hat den Blues

Dominik Buholzer

Am 1. Juli 1997 wurde die britische Kolonie Hongkong an China übergeben. Seither hat sich vieles verändert. Der Metropole wurde ihr Erfolg zum grössten Verhängnis.

In Shek O tragen sie an diesem Tag weiss. Es ist Sonntag und der sechste Tag des Monats – ein Glückstag für die Chinesen. Deshalb stehen sich die Brautpaare hier am Strand im Süden von Hongkong, wo man einen gewaltigen Blick auf das Meer geniesst, auf den Füssen. Die zukünftigen Eheleute lassen sich von den Fotografen ins rechte Licht rücken, bevor es fürs Festessen zurück in die Innenstadt geht.

Das Bild täuscht. 20 Jahre nachdem die Briten die Metropole an China zurückgaben, ist es vielen in der Sonderverwaltungszone nicht ums Feiern. Die Flamme der Demokratie werde in Hongkong nicht erlöschen, rief Martin Lee, der damals populärste Politiker Hongkongs, bei der feierlichen Zeremonie in die Menge. Unterschreiben würde dies heute niemand mehr. Zwar geniesst Hongkong noch immer viele Freiheiten, noch immer können am 4. Juni zehntausende den Opfern des Massakers vom Tiananmen-Platz in Peking gedenken ohne dass sie von den Sicherheitskräften niedergeschlagen werden. Doch Chinas Einfluss wird zusehends grösser. «Die chinesische Flagge drückt immer mehr durch, wir spüren das», sagt Marcel Thoma, Direktor von The Upper House, eines von Hongkongs angesagtesten Hotels.

Eine halbe Million für einen Garagenplatz

Der Platz in Hongkong war stets rar und der Wohnraum schon immer teuer. Doch seit der Übergabe an China zogen die Preise nochmals kräftig an, während die Löhne stagnierten. Mehr als vervierfacht haben sich die Mieten in den vergangenen 14 Jahren. Mindestens 2000 Franken zahlt man schon für eine bescheidene Wohnung. Schier unerschwinglich ist Wohneigentum. Neulich ging ein Garagenplatz für umgerechnet nicht weniger als eine halbe Million Franken weg.

Auch sonst hat Hongkong schon bessere Zeiten erlebt. Früher trugen viele Waren den Stempel «Made in Hongkong». Die Fabriken von einst sucht man heute vergebens. Sie sind unlängst verschwunden. Nicht Hongkong näherte sich China an, sondern China Hongkong. Die Metropole wurde das Opfer seines eigenen Erfolges. Die Musik spielt jetzt in Metropolen wie Shanghai oder Shenzhen.

Politisch präsentiert sich das gleiche Bild. Der britische Gouverneur Chris Patten hatte den Chinesen eine Frist von 50 Jahren abgerungen, in denen getreu dem Motto «Ein Land, zwei Systeme» in Hongkong sämtliche demokratische Freiheitsrechte gelten sollen. Doch bei den jüngsten Wahlen in diesem Frühjahr zeigte sich, wie weit her es damit ist. Zwar konnten die Menschen in der Sonderverwaltungszone eine neue Regierung bestimmen, doch es waren Scheinwahlen. Das Rennen machte schliesslich Carrie Lam, die Kandidatin von Pekings Gnaden. «Die Jungen wollen, dass Hongkong weiterhin unabhängig bleibt. Doch dies ist aus meiner Sicht nicht möglich. Hongkong hat seine Einzigartigkeit verloren«, sagt der Westschweizer Yves Mathe, der seit 25 Jahren im Mandarin Oriental in Hongkong arbeitet und heute dort als Executive Pastry Chef wirkt.

9000 Polizisten für einen Präsidenten

Zum 20 Jahr-Jubiliäum macht diesen Samstag erstmals Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping der Metropole seine Aufwartung. Für seine Sicherheit sorgen 9000 Polizisten. In Hongkong ist man auf der Hut. Im Herbst 2014 gingen bei der sogenannten Regenschirm-Revolution zehntausende Menschen auf die Strasse und forderten mehr Demokratie und Unabhängigkeit von China. Seither kommt es immer wieder zu grossen Demonstrationen. Die Stimmung wird immer aggressiver. Im vergangenen November kam es erstmals zu Ausschreitungen.

Am Samstag, 1. Juli soll beim Besuch von Xi Jinping ein ganz anderes Bild um die Welt gehen. Xi will sich von tausenden von Menschen feiern lassen. Unzählige Hongkonger werden sich dem Wunsch fügen. Doch vielen von ihnen fiel das Lachen schon lange nicht mehr so schwer.

(Die Reise wurde unterstützt von Cathay Pacific Airways, Mandarin Oriental Hotel Hongkong und Tourasia)