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Auf dem Nachtmarkt in Luang Prabang: Eierhandgranaten, Torpedos und Mini-Flugzeuge als Schlüsselanhänger oder Halsschmuck – gefertigt aus einstigen Granaten. Bild: BLI

Barack, buy your bombs back!

Bernd Linnhoff

Vom 6. bis 8. September besucht der amerikanische Präsident mit Laos eines der ärmsten Länder der Welt – und eines, das unter den USA litt.

Geht ein amerikanischer Präsident auf den Markt? Auf einen der Nachtmärkte zum Beispiel am Mekongufer in Laos? Barack Obama ist der erste US-Präsident, der das kleine Land in Südostasien besucht, zum aktuellen Asien-Gipfel im verschlafenen Vientiane – vom 6. bis 8. September 2016. Wenn er Glück hat, sieht er dort sehr spezielle Souvenirs. Schrott, born in the USA. Bombenschrott, leicht modifiziert allerdings.

Laos ist eines der ärmsten Länder der Welt und das meist bombardierte pro Kopf. Während des Vietnamkrieges fanden die Vietcong beim laotischen Nachbarn Unterstützung und Unterschlupf. Die Antwort der USA: Platt machen, das Land. Wobei «Land» immer nur die Umschreibung ist für «Menschen».

Der «Secret War» der USA von 1964 bis 1973 war ein Krieg der CIA – der Kongress war nicht informiert.

«Ravens» nannten sich die Piloten, die in Jeans, mit Cowboyhut auf dem Kopf und einer CIA-Giftkapsel um den Hals in ihre B-52 stiegen. Alle acht Minuten im Schnitt stiessen sie eine komplette Ladung aus. 24 Stunden am Tag, neun Jahre lang. 270 Millionen Streubomben laut US-Nationalarchiv. Zehn Tonnen pro Quadratkilometer, 500 Kilogramm Sprengstoff für jeden Mann, Frau, Kind.

Jede Streubombe enthielt 900 Sprengkörper, jeder so gross wie ein Apfel. Noch in der Luft platzten die Torpedos auf «wie ein Sack Konfetti» (Zitat Süddeutsche Zeitung), und die fatale Fracht entlud sich über Reisfeldern, Dörfern, Wäldern.

Explosives Vermächtnis

80 Millionen «Bomblets» blieben zurück, vor allem in der «Ebene der Tonkrüge» in Nordlaos. Die Blindgänger töteten je nach Quelle seit Ende des Krieges zwischen 20'000 und 50'000 Laoten, darunter 8000 Kinder oder auch weit mehr. Sie treten gerne mal gegen die farbigen «Tennisbälle» oder stossen bei der Feldarbeit mit der Schaufel drauf. Wie im Juni der kleine Junge Viet: Bumm. Er verblutete auf dem stundenlangen Fussweg zum Hospital.

Die Zahl der Schwerverletzten ist nicht bekannt, ihr Überleben reines Leiden. Denn selbst Familie und Freunde deuten Verstümmelungen als mieses Karma, als Strafe für Sünden in früheren Leben.

Die Geschichte des geheimen Krieges erreichte die Weltöffentlichkeit so selten wie sein explosives Vermächtnis, das jedoch auch so pragmatische wie schillernde Pointe kreierte.

Schon zwei Jahre nach Ende des Krieges begannen laotische Bauern, das Restmetall einzuschmelzen und umzudeuten – in Gabeln, Löffel, Essstäbchen. Aus grösseren Torpedos wurde Baumaterial. Und heute können selbst Sie, verehrter Reisender, ein entschärftes Bömbchen erwerben. Auf dem Nachtmarkt in der alten Königsstadt Luang Prabang etwa. Dort liegen auf weichem Tuch bizarre Devotionalien: Eierhandgranaten, Torpedos und Mini-Flugzeuge als Schlüsselanhänger oder Halsschmuck – gefertigt aus einstigen Schrappnellen.

«Dropped + made in Laos»

Vielleicht kennt Obama den Bombenschmuck schon länger. Denn Diamantenarmbänder, Ketten und Ohrringe aus Geschützteilen waren bereits begehrte Artikel am Rande der New Yorker Modewochen. Beschriftet mit herzigen Botschaften wie «Love is the bomb» und «Dropped + made in Laos». Fabriziert von laotischen Kunsthandwerkern, verkauft in fast 40 Ländern.

Ein Verdienst des Brooklyn-Unternehmens Article 22, benannt nach der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der UN. Mitgründerin Elizabeth Suda trägt Laos im Herzen. 2010 startete sie zusammen mit lokalen Künstlern und der Schweizer Nichtregierungsorganisation (NGO) Helvetas das «Peacebomb»-Projekt, frei nach dem Motto «Make Art, not War – Buy back the bombs!»

Seither hat Article 22 mit Designerschmuck zur Entminung von rund 65'000 Quadratmetern Land in Laos beigetragen. Der Erlös aus dem einfachsten Armband entmint drei Quadratmeter, eine Kette zum Preis von 1250 US-Dollar befreit 78 Quadratmeter vom Sondermüll.

Mit knapp sieben Millionen Einwohnern ist Laos nach wie vor ein Federgewicht im geopolitischen Boxring. Doch wieder sind es die Nachbarn, die das Land mit den freundlichen Menschen und dem sozialistischen Hardcore-Regime aufwerten. Nicht Vietnam diesmal, sondern der Riese im Norden: China. Und so reist der amerikanische Präsident in erster Linie an, um Präsenz zu zeigen im Dunstkreis des politischen Antipoden, der in den letzten beiden Jahren jeweils eine Milliarde Dollar in Laos investierte.

Doch Obama wird auch über die Bomben sprechen. Und ihre Entschärfung. Er kennt die Geschichte, born in the USA.

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