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Bekannt aus den Winnetou-Filmen: der Wasserfall Skradinski buk im Krka-Nationalpark in Dalmatien. Bild: SRT

Schwatz im Silbersee

Fabian von Poser

Im Juni jährt sich die Erstausstrahlung zweier Winnetou-Filme zum 50. Mal — das soll Touristen nach Kroatien locken.

Es ist kein Geheimnis, dass all die finsteren Banditen, all die wilden Rothäute und tapferen Siedler aus den Winnetou-Verfilmungen nicht durch die Prärie Arizonas ritten, sondern in den karstigen Tälern Kroatiens zu Hause waren. In den Köpfen vieler Zuschauer sieht der Wilde Westen seit 50 Jahren wie das Hinterland Dalmatiens aus. Heute sieht man rund um die Ortschaften Starigrad, Skradin und Obrovac keine Westernstädte mehr, keine Pueblos und auch keine falschen Kakteen. Dennoch spürt man die Helden von einst förmlich noch durch die Landschaft reiten. Oben am Río Pecos zum Beispiel, dem Fluss Zrmanja also, am Kaluderovac-See im Nationalpark Plitvicer Seen, wo einst der Silbersee lag, und in der Paklenica-Schlucht, Drehort gleich mehrerer Winnetou-Filme.

Wer durch Dalmatien reist, geniesst nicht einfach nur grandiose Landschaften, sondern schwelgt auch in Kindheitserinnerungen. Filme wie "Der Schatz im Silbersee", "Old Shatterhand" und die Winnetou-Trilogie, alle basierend auf den Romanen des sächsischen Schriftstellers Karl May, flimmern noch heute an beinahe jedem Feiertag über die Bildschirme. Und die kroatische Tourismusindustrie versucht genau das seit Jahren auszunutzen. Die Gemeinde Starigrad-Paklenica an Dalmatiens Adria-Küste verkauft sich als Winnetou-Hauptstadt, das Hotel Alan der Gruppe Bluesan, in dem schon bei den Dreharbeiten die Darsteller unterkamen, gilt als der heiligste Tempel der Winnetou-Jünger.

Eine Gedenktafel für Pierre Brice

Seit Jahren schon versammeln sich in dem aufgemöbelten Zehn-Stockwerk-Bau aus Sowjet-Zeiten Filmfans, um ihre Helden zu huldigen. Und seit Jahren gibt es jedes Jahr mindestens ein Jubiläum zu feiern, nämlich die runden Geburtstage von "Der Schatz im Silbersee" (1962), "Winnetou I" (1963), "Old Shatterhand" (1964), "Winnetou II" (1964), "Unter Geiern" (1964), "Der Ölprinz" (1965) und "Winnetou III" (1965). In diesem Jahr steht nun der 50. Jahrestag der Erstausstrahlung der Filme "Winnetou und das Halbblut Apanatschi" und "Winnetou und sein Freund Old Firehand" (beide 1966) an.

Beim "Goldenen Jubiläumsfest" Anfang Juni können sich Fans nicht nur tagelang mit Bewegtbildern berieseln lassen, das Winnetou-Museum besuchen, Stars wie Uschi Glas treffen, 1966 in der Rolle der Apanatschi vor der Kamera, und sogar dabei helfen, eine Gedenktafel zum ersten Todestag von Winnetou-Darsteller Pierre Brice aufzustellen, sondern auch alle wichtigen Drehorte besuchen. Im Internet kursieren lange Listen darüber, welche Szene wo gedreht wurde: die Blutsbrüderschaft zwischen Winnetou und Old Shatterhand auf dem Plateau über dem Río Pecos, Old Shatterhands und Nschotschis Flirt an den Wasserfällen, Winnetous Sterbeszene am Berg Tulove Grede.

Verlassen wirkende Wildwestlandschaft

Viele der Drehorte sind seit einem halben Jahrhundert Legende. Zwar duftet es nach Salbei und Thymian statt nach Wüstensand, auch wird heute in Dalmatiens Macchia nicht mehr geschossen. Aber wenn man seiner Erinnerung freien Lauf lässt, dann rieseln die Szenen aus den Filmen nur so aus dem Gedächtnis. Zu den spektakulären Orten, die für jeden Winnetou-Fan unvergessen bleiben, zählen die Wasserfälle von Skradinski buk. 45 Meter stürzen die Fluten des Krka-Flusses auf einer Länge von 800 Metern über 17 Stufen in die Tiefe, bevor er bei Skradin ins Meer mündet.

Skradinski buk ist heute nicht nur eine der grössten Touristenattraktionen Kroatiens, sondern auch so etwas wie die Schnittmenge aller Winnetou-Filme. An den Hauptfällen wurden mehr als ein Dutzend Szenen gedreht: Im Film "Winnetou I" flirtet Old Shatterhand mit Nschotschi unterhalb der Fälle, im "Ölprinz" rettet Old Shurehand Toby das Leben, bevor sein Floss an den Felsen zerschellt, in "Winnetou I" trifft Sam Hawkens die Apachen-Witwe — und kein Ort könnte sich besser eignen für die Fischgründe der Osagen als dieser. Heute sieht man in dem kleinen See unterhalb der Fälle an heissen Tagen allerdings keinen Osagen mehr, sondern Dutzende Touristen im Wasser ihr Schwätzchen halten.

Man muss sie zweifellos nicht alle gesehen haben, die Drehorte der Karl-May-Filme. Die Krka mit ihrem lindgrünen Wasser und den Kalksteinfelsen gehört jedoch unbedingt dazu. Mit dem Boot kann man als Besucher von den Fällen einige Kilometer weiter den Fluss hinauf fahren vorbei an der Klosterinsel Visovac bis zum Wasserfall Roski slap. Dort müssten sie dann eigentlich paddeln, die beiden Blutsbrüder, wie im Film "Winnetou und Shatterhand im Tal der Toten". Doch natürlich sind sie nicht mehr da, sondern nur noch eine seltsam verlassen wirkende Wildwestlandschaft. Wie lange einem die Bilder aus Kindheitstagen doch im Gedächtnis bleiben.