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Ein Flieger voll mit Tomatensaft, Gepäck und Kerosen. Und Smygflyga-Passagieren. Bild: TN

Flugscham: kennst du ja schon. Aber jetzt kommt Smygflyga

Andreas Güntert

Klimastreiks, Demonstrationen und ein schwedisches Mädchen mit Zopfhaar haben Flugscham zum geflügelten Wort gemacht. Die Gretchen-Antwort ist auch schwedisch. Sie heisst Smygflyga.

Wenn es in der Reisewelt so etwas wie ein Wort des Jahres gibt, dann kann es nur eines sein: Flygskam. Oder, eingedeutscht aus dem Schwedischen: Flugscham.

Der Internaut beschäftigt sich ja von Berufes wegen mit Worten und Wörtern. Ich muss sagen: Noch nie habe ich ein Wort erlebt, das so schnell und rund um den Erdball Karriere gemacht hat.

Wie ich in der «Zeit» gelesen habe, entdeckte der Schwedische Sprachenrat das Wort «Flygskam» am 14. März 2018 im «Svenska Dagbladet». Das Wort ist aktuell nur wenig mehr als ein Jahr alt. Das Wort ist also immer noch im Baby-Alter. Ein semantischer Säugling.

Mit dem Tool Google Trends lässt sich die Wortkarriere von «Flygskam» und «Flugscham» schön nachzeichnen:

Zuerst kamen die Schweden mit «Flygskam», danach ging das Wort auch als «Flugscham» durch die Decke. (Quelle: Google Trends)

Dank der schwedischen Klima-Aktivistin Greta Thunberg reiste das Wort kurz nach Geburt in Windeseile um die Welt.

Natürlich nicht im Flugzeug. Sondern im Zug.

Alle schämen sich. Und (fast) alle fliegen weiter

Das Wort «Flugscham» hat etwas Merkwürdiges verursacht: Viele Menschen haben jetzt Flugscham. Was aber nicht heisst, dass die Menschen weniger fliegen.

Fast alle Zahlen – von Flughäfen, Airlines und Tourismus-Prognostikern – sprechen eine klare Sprache. Der Mensch fliegt. Eher mehr als weniger.

Vielleicht sind die Menschen dabei rot oder grün vor Scham. Sie erleiden dabei möglicherweise grosse Qual. Was sie dabei wohl gar nicht wissen: Für Ihr Tun gibt es jetzt auch ein Wort.

In Gretas Sprache. Auf Schwedisch also. Das Wort heisst: Smygflyga.

Smygflyga: Heimlich trotzdem fliegen

Noch weitgehend unbemerkt von der ausserschwedischen Öffentlichkeit macht sich dieses neue Wort auf den Weg um die Welt.

Diesmal aber eher im Flugzeug als mit der Bahn.

Hier sind wir dabei bei der Geburt eines Wort-Babys: Smygflyga (rot) ist noch ganz klein. Aber es wird sicher bald abheben. (Quelle: Google Trends)

Das neue Wort beschreibt die Menschen im Flugzeug perfekt. Sie schämen sich möglicherweise. Aber sie fliegen trotzdem. Sie fliegen heimlich.

Und genau dies bedeutet «Smygflyga», ausgesprochen «Smüügflüüga»: Heimlich (smyg) fliegen (flyga).

Zuerst streiken. Dann starten

Der Internaut ist ja weit davon entfernt, ein Prophet zu sein. Aber wenn ich etwas voraussagen darf, dann dies: «Smygflyga» wird das nächste Trendwort.

Es wird diesen Sommer um die Welt reisen. Flugs.

Wobei ich mich manchmal auch frage: Wenn sich schon ganz normale Menschen schämen beim Fliegen: Wie müssen sich dann erst diejenigen Leute fühlen, die selber am Klimastreik waren und trotzdem ins Flugzeug steigen?

Nun, das wäre dann wohl wieder ein anderes Thema. Ein ziemlich gutes Thema, finde ich.

Wobei mir da noch etwas fehlt: Ein Trendbegriff, der «Scham», «heimlich», «fliegen» und den Klimastreik in einen Begriff pappt. Ich denke da an ein ausländisches Fremdwort. Wie wärs mit Schwedisch?