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Wer vermisst denn da noch ein Stück Fleisch? Vegetarische Gerichte werden immer beliebter. Bild: Adobe Stock

Fleisch? Gibt es auf Wunsch als Beilage

Sarah Sidler

Die fleischlose Ernährung ist inzwischen so verbreitet, dass Hotels Reservierungen aufgrund ihrer vegetarischen Restaurants erhalten. Einige haben das Konzept ihrer Gerichte komplett gedreht – Fleisch gibt es alle drei Tage als Ergänzung. Wenn erwünscht.

Immer mehr Menschen in der Schweiz verzichten auf Fleisch oder tierische Produkte wie Milch, Eier oder Käse. Der Anteil an Vegetarier erhöhte sich im vergangenen Jahr von 3,4 auf 4,1 Prozent. Derjenige der Veganer verdoppelte sich laut des Online-Portals Statista.com von 0,3 auf 0,6 Prozent. Dazu wächst die Zahl derer, die bewusst weniger tierische Produkte zu sich nehmen. Jeder fünfte Schweizer gibt an, Flexitarier zu sein. Das heisst, nur ab und zu Fleisch zu essen.

Diese Veränderung bemerken auch die Gastgeber in Hotels und Jugendherbergen vermehrt. «Wir spüren seit einiger Zeit eine zunehmende Nachfrage nach vegetarischen und veganen Gerichten», berichtet das Direktorenpaar Yvonne Urban und Martin Scherer vom Hotel Saratz in Pontresina. Das Viersternehotel im Engadin eröffnete deshalb vor drei Jahren das vegetarische Restaurant Giodi.

Küchenchefin Kari Walker strebt im neuen Lokal eine Symbiose zwischen traditionellen Gerichten und einer fernöstlicher Küche an. Rund 45 Prozent des Angebots besteht aus veganen Gerichten wie etwa dem Lauch-Kichererbsen Baltin mit Naan-Brot, Champignons, Spinat, Koriander und Mango-Chili-Relish. Möchte ein Gast trotzdem Fleisch essen, kann dies im «Giodi» dazu bestellt werden.

Gerne geben die Servicemitarbeiter Auskunft über das «Beigemüse», wie es auf der Menükarte mit einem Augenzwinkern genannt wird. Es bestellen laut den Gastgebern jedoch weniger als 15 Prozent der Gäste ein Stück Fisch oder Fleisch zu den vegetarischen oder veganen Köstlichkeiten. Am besten läuft im Giodi ganz klar die Pastinaken-Tajine mit Süsskartoffeln, Karotten, Tahini Joghurt, Mandel-Couscous und Granatapfel.

Gäste sind neugierig und interessiert

Inzwischen machen 60 Prozent der Gäste im vegetarisch-veganen Restaurant Einheimische aus. «Sie sind neugierig. Viele vermissten bis anhin ein breites vegetarisches oder veganes Angebot in der Region», berichtet Yvonne Urban. Der Erfolg spricht für sich: «Gäste buchen teilweise extra bei uns im Hotel wegen unseres vegetarischen Restaurants», freut sich die Direktorin. Den Halbpension-Gästen stehen deshalb vermehrt fleischlose Alternativen zur Verfügung. Das Frühstücksangebot wurde aufgrund der Nachfrage mit Humus und gebratenem Gemüse angereichert.

Die Auswahl an vegetarischen Gerichten ist gross. Bild: Adobe Stock

Auch das Hotel Adula in Flims geht mit der Zeit. Im Zuge seiner Neupositionierung eröffnete das Viersternehotel in der Bündner Survelva das Restaurant La Clav. Dieses hat sich auf die Fahne geschrieben, Bündner Gerichte ausschliesslich vegetarisch oder gar vegan anzubieten. Gerichte wie die Südbündner Pizzoccheri mit Kartoffeln, Wirz, Birne, Bergkäse, Salbei und Röstzwiebeln oder das vegane Gericht Hirse-Capuns mit Mangold, Räucherpaprikacreme und Mandelmilch-Velouté kommen gut an.

Besonders die neue Kreation des Allzeit-Klassikers Capuns von Küchenchef Thomas Huber überrascht die Gäste. «Die innovativ angerichteten Gerichte verkaufen sich praktisch von alleine und locken Hotelgäste wie auch Externe an», berichtet Christina Ragettli vom Hotel Adula. «Wir bekommen häufig das Feedback, dass die Gäste nichts vermissen und ihre kulinarischen Bedürfnisse auch ohne Fleisch bestens abgedeckt werden.» Rund die Hälfte des Angebots im «La Clav» ist vegan. Wer möchte, kann jedoch auch in diesem Restaurant Fleisch dazu bestellen. «So finden alle das passende Gericht. Wir wollen keine Gästegruppen auseinanderreissen», begründet Christina Ragettli. Das Angebot Fisch oder Fleisch zu bestellen, nimmt ungefähr ein Drittel aller Gäste im «La Clav» wahr.

Täuschend echtes Tatar mit Ei

«Durch die vielen kreativen Gerichte, welche wir im Vitznauerhof servieren, bestellen vermehrt auch Flexitarier unsere vegetarische oder vegane Variante», berichtet auch Gastgeber Raphael Herzog vom Hotel Vitznauerhof am Vierwaldstättersee. «Wir verkaufen diese Gerichte sehr gut.» Besonders der Schweizer Miso-Blumenkohl mit Humus, Granatapfel, Kartoffelcreme und Madras Curry mögen die Gäste des Restaurants Inspiration im schmucken Viersternehotel in Vitznau. Im Fine Dining Restaurant Sens gibt es ein Tatar, welches aussieht wie ein Rindstatar mit einem Eigelb in der Mitte.

«Die meisten Veganer und Vegetarier zögern beim Bestellen, weil sie erst denken, es sei Fleisch», so Raphael Herzog. Gemacht wird dieses Tatar aus dehydrierter Wassermelone und einem Eigelb aus pflanzlicher Piccalilli Sauce. «Vegetarische und vegane Menüs sind von Speisekarten nicht mehr wegzudenken», findet der Gastgeber. Die Gäste des Vitznauerhofs sollen sich wie zu Hause fühlen und eine schöne Auswahl haben.

Kommt bei den Flexitariern doch Fleischeslust auf, so haben diese die Möglichkeit, Fleisch, Fisch oder Planted Chicken dazu zu bestellen. Diese Möglichkeit nimmt rund die Hälfte der Gäste wahr. Zudem wird im mit zwei Michelin-Sternen und 18 Gault-Millau-Punkten ausgezeichneten Restaurant Sens von Küchenchef Jeroen Achtien ein siebengängiges Menü mit allem Drum und Dran serviert, welches die Gäste begeistert.

Fleischlose Variante kommt teils besser an

Da die Schweizer Jugendherbergen sehr auf Nachhaltigkeit achten, bieten diese seit Langem vegetarische Gerichte an. «In den letzten Jahren haben wir eine wachsende Nachfrage nach veganen Gerichten bemerkt. Vegan ist quasi das neue Vegetarisch», berichtet Thomas Unger, Business Manager F&B der Schweizer Jugendherbergen.

Deshalb haben die Betriebe das Konzept ihrer Gerichte komplett gedreht: Anstatt Fleischgerichte auch als vegetarische oder vegane Variante anzubieten, wird in den Schweizer Jugendherbergen ein vegetarisches/veganes Gericht gekocht, das ungefähr alle drei Tage mit Fleisch ergänzt werden kann. Zudem hat der Gast die Möglichkeit, sein Essen individuell seinem Geschmack anzupassen. Dazu stehen an Topping-Stationen Kräuter, Chili, Gewürze, frittierte Zwiebeln, Zitronenschnitze oder Frühlingszwiebeln zur Verfügung.

Vegetarisches und veganes Essen kommt bei den Gästen der Jugendherbergen vorwiegend gut an. Für viele ist der Verzicht auf Fleisch an einigen Tagen in der Woche kein Problem. «Oftmals merkt der Gast gar nicht, dass er etwas Veganes isst, da gewisse Gerichte wie Älplermagronen per se kein Fleisch beinhalten. Dass eine Sauce auf Pflanzenbasis ist oder etwas in Öl statt Butter gebraten ist, schmeckt man oftmals nur, wenn man es weiss», erläutert der Manager F&B.

Natürlich gäbe es nach wie vor Gäste, die sich nach einem grossen Stück Fleisch erkundigen. Wenn diesen dann jedoch die Idee hinter den Gerichten erklärt und aufgezeigt wird, was ein Abendessen beinhaltet, dann zeigen sie in der Regel grosses Verständnis. Das Menü für maximal 19.50 Franken besteht aus Salat vom Buffet oder Suppe, einem Hauptgang sowie einem Tagesdessert.