Hotellerie

Pauschale Urteile über den Service in Schweizer Hotels zu fällen, ist völlig deplatziert. Bild: Fotolia

Einwurf Die Schweizer Hotellerie ist genau so gut wie anderswo

Jan Stiller

Alt-Bundesrat Kaspar Villiger witzelt über Schweizer Rezeptionistinnen und liegt damit voll daneben.

Er hatte die Lacher auf seiner Seite, Alt-Bundesrat Kaspar Villiger, als er vor ein paar Tagen in der Zeitung «Der Bund» mit dem Spruch über den Unterschied zwischen ausländischen und Schweizer Hotels zitiert wurde: «Im Ausland werden Sie am Morgen gefragt: Haben Sie gut geschlafen? In der Schweiz fragt die Rezeptionistin: Haben Sie etwas aus der Minibar getrunken?»

Ich habe nicht gelacht, obwohl ich mich überhaupt nicht betroffen fühle: In unserem Lenkerhof Gourmet Spa Resort an der Lenk im Simmental dürfen unsere Gäste die Getränke aus der Minibar schon seit Jahren kostenlos konsumieren und werden demnach beim Auschecken nicht mit dieser Frage behelligt. Es handelt sich um ein nicht-alkoholisches Angebot; Alkohol dürfen wir aus gesetzlichen Gründen nicht kostenlos abgeben. Das hat sich bewährt: Der Gast erhält einen Mehrwert; für uns entfallen personalintensive Kontrollen und unangenehme Situationen. Und wissen Sie was? Die Minibar kostet uns nur etwa einen Franken pro Gast und Übernachtung, weil viele vom Angebot gar keinen Gebrauch machen. Aber darum geht es nicht...

Die Schweizer Hotellerie hat bekanntlich mit wirtschaftlichen Herausforderungen zu kämpfen, die unsere Nachbarn viel weniger beschäftigen, und die sich unter anderem aus dem hohen Lohn- und Preisniveau der Schweiz ergeben. Österreichische Hotels etwa haben oft eine viel bessere Cash-Flow-Situation als wir. Sie verrechnen ähnliche Preise, haben aber niemals dieselben hohen Kosten für Löhne und Waren. Dass wir Schweizer unsere eigene Hotellerie wie Masochisten zusätzlich schlechtreden, ist deshalb bedenklich, vor allem bei einem Spitzenpolitiker. Als ehemaliger Finanzminister müsste Kaspar Villiger wissen, dass man die wirtschaftliche Entwicklung durch destruktive öffentliche Äusserungen negativ beeinflussen kann.

Niemand ist perfekt

Zudem ist Villigers Spruch inhaltlich unzutreffend. Natürlich kann man auch in Schweizer Hotels unliebsame Erfahrungen machen. Niemand ist perfekt; jeder hat mal einen schlechten Tag. Es gibt Häuser, die sehr gut geführt sind, in denen die Mitarbeiter sorgfältig ausgewählt und permanent geschult werden. Und es gibt leider auch andere. Aber das gilt für die Hotellerie weltweit. Pauschal zu behaupten, im Ausland werde man freundlich bedient, in der Schweiz aber pingelig und kleinkrämerisch, trifft voll daneben.

Als schweizerisch-österreichischer Doppelbürger darf ich es mir erlauben, ein wenig über die Österreicher zu tratschen. Es hat mich ziemlich amüsiert, mich durch die Tripadvisor-Kommentare für Hotels im berühmten Ferienort Kitzbühel zu klicken. Sie stammen alle vom Sommer 2018, sind also aktuell. Die Rezeptionistin fragt, ob man gut geschlafen hat? Von wegen! «Für mich gibt es nichts Schlimmeres als unerfahrenes, unfreundliches Personal am Frontdesk. Diese Erfahrung musste ich leider machen», schrieb ein frustrierter Gast eines bekannten Fünfsternhauses in Kitzbühel. Ein anderer bemängelte: «Es war laut, der Service war unterirdisch, die Ausstattung sah aus wie aus der eigenen Rumpelkammer.» Und ein Dritter schrieb: «Der Service im Restaurant ist sehr wechselhaft, je nachdem, welche Mitarbeiter gerade Dienst versehen.»

Auch in Deutschland kann man unangenehme Erlebnisse haben. Ein Bekannter, der beruflich viel reist, erzählte mir, dass er ein Wochenende in einer Junior Suite im besten Haus einer grossen norddeutschen Stadt verbrachte: «Wir hatten den Hund dabei, also musste ich mehrmals am Tag an der Rezeption vorbei. Hinter der standen Mitarbeiter, die miteinander schwatzten und mich keines Blickes würdigten, geschweige denn grüssten. Irgendwann kam ich mir richtig überflüssig vor.»

Ich wiederhole mich: Natürlich kann man auch in der Schweiz unerfreuliche Erfahrungen machen. Doch ich weiss aus eigenen Erlebnissen, dass in sehr vielen Schweizer Hotels ein überdurchschnittlich hoher Standard gepflegt wird. Gerade als Präsident der Schweizer Delegation von Relais & Châteaux durfte ich in Häusern unserer Mitglieder Gastfreundschaft und Kulinarik auf höchstem Niveau erleben.

Ich möchte Herrn Villiger deshalb bitten, doch wieder einmal ein schönes Hotel in der Schweiz zu besuchen, um sich von der Qualität zu überzeugen!