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Der Run lokaler und internationaler Touristen hoch aufs Jungfraujoch dürfte auch im nächsten Jahr gross sein. Bild: TN

Reiseführer mit Overtourismus-Warnung für acht Regionen

Die Jungfrau-Region taucht auf der Fodor's No-Go-Liste 2026 auf – wie auch sieben weitere beliebte Touristen-Hotspots.

Die «No List» vom einflussreichen US-Reiseführer Fodor's ist gefürchtet. Für das Jahr 2026 figuriert nun auch die Jungfrauregion auf der Negativliste.

Die Fodor's-Redaktion unterstreicht zwar, dass ihre No-List kein Aufruf zu einem Boykott sei. Sie sei eine Realitätsprüfung, verpackt in verantwortungsbewusstem Fernweh. Ihr Zweck sei es, Reiseziele zu nennen, an denen der Tourismus einen untragbaren Druck auf das Land und die lokalen Gemeinschaften ausübt.

Venedig und Barcelona tauchen überraschenderweise auf der 2026-Liste nicht auf. Dazu schreibt Fodor's: «Diese Reiseziele sind nicht auf magische Weise geheilt worden – sie stehen immer noch vor grossen Herausforderungen –, aber die üblichen Verdächtigen lenken allzu oft die Aufmerksamkeit von anderen Hotspots ab, die eine Pause brauchen.»

Die No List ist ein sanfter, aber deutlicher Anstoss, einen Ort vorerst – nicht für immer – zu schonen und jedem Ort, der eindeutig eine Verschnaufpause braucht, eine Atempause zu gönnen. Diese acht Regionen tauchen auf der No-List-2026 auf:

Jungfrau Region, Schweiz

Der enorme Besucherandrang – über 1 Mio. Gäste am Jungfraujoch und Millionen zusätzliche Fahrten auf den Bergbahnen – überlastet Natur, Infrastruktur und lokale Gemeinschaft. Wege und empfindliche Landschaften leiden sichtbar, Strassen und Orte sind überfüllt, während viele Tagesgäste kaum zur Finanzierung der Infrastruktur beitragen, stellt der US-Reiseführer fest. Gleichzeitig verdrängt der touristische Boom Wohnraum und belastet die Lebensqualität der Einheimischen. Die Region steht daher vor der Herausforderung, ihre Abhängigkeit vom Tourismus mit Umwelt- und Gemeindeschutz in Einklang zu bringen.

Antarktis

Der rapide wachsende Tourismus – derzeit rund 120'000 Besucher pro Jahr, mit weiter steigender Tendenz – gefährdet eine extrem fragile, nahezu unberührte Umwelt, die für grosse Menschenmengen nicht ausgelegt ist. Ohne verbindliche Besuchsobergrenzen und mit zunehmenden privaten, nicht regulierten Schiffsanreisen steigt das Risiko von Störungen für Tierwelt, Ökosysteme und Forschungsaktivitäten, warnt Fodor's. Die Antarktis profitiert wirtschaftlich nicht vom Tourismus, trägt aber die ökologischen Kosten, weshalb Zurückhaltung und strenge Regulierung entscheidend wären.

Kanarische Inseln

Der massive Besucherzuwachs belastet die Inseln ökologisch, sozial und infrastrukturell. Verkehrsstaus, Wasserknappheit, Umweltzerstörung und verschmutzte Strände zeigen, dass die Ressourcen an ihre Grenzen stossen. Gleichzeitig treiben Ferienwohnungen und Investorenhotels die Wohnkosten in die Höhe, sodass viele Einheimische kaum noch Wohnraum finden und vom touristischen Reichtum wenig profitieren. Der Tourismus dominiert Wirtschaft und Alltag so stark, dass lokale Kultur, Lebensqualität und Identität zunehmend unter Druck geraten, lautet das Urteil.

Glacier National Park, Montana (USA)

Der Glacier-Nationalpark erlebt stark steigende Besucherzahlen, angetrieben durch «Last-Chance-Tourismus», während seine Gletscher durch den Klimawandel rapide verschwinden. Die Massen belasten Strassen, Wanderwege und empfindliche Ökosysteme, führen zu Staus, Müll, gestörter Tierwelt und höheren Emissionen. Gleichzeitig verschärfen sich klimabedingte Risiken wie Waldbrände und Schädlingsbefall. So entsteht ein paradoxes Zusammenspiel, bei dem der wachsende Tourismus die Natur weiter schädigt – genau jene Natur, die Besucher eigentlich schützen wollen.

Isola Sacra, Italien

Der geplante Kreuzfahrthafen auf Isola Sacra würde ein empfindliches Küstenökosystem aus Dünen, Feuchtgebieten und artenreicher Flora und Fauna massiv beeinträchtigen. Für die riesigen Schiffe müssten Meeresboden und Küsten stark umgestaltet werden, was Erosion, Verschmutzung und dauerhafte Zerstörung natürlicher Lebensräume nach sich zieht. Zudem drohen Verkehrschaos, Luftbelastung und ein unkontrollierbarer Zustrom von Kreuzfahrttouristen in eine Region mit schwacher Infrastruktur. Die lokale Gemeinschaft befürchtet kulturelle Verluste, Schäden an historischen Strukturen und einen tiefgreifenden Wandel einer bislang ruhigen Küstenlandschaft, schreibt Fodor's.

Mexiko-Stadt

Der starke Zustrom internationaler Besucher und digitaler Nomaden treibt Mieten und Immobilienpreise in die Höhe, verdrängt Einheimische und zersetzt das soziale Gefüge ganzer Viertel. Kurzzeitvermietungen wie Airbnb entziehen dem Wohnungsmarkt zehntausende Wohnungen, während beliebte Viertel ihre kulturelle Identität verlieren und zunehmend für Touristinnen und Touristen statt für Bewohner funktionieren. Die wachsende Kommerzialisierung, Überlastung und Ungleichheit führen zu sozialen Spannungen, Protesten und einer spürbaren Entfremdung zwischen lokaler Bevölkerung und Besuchern.

Mombasa

Mombasa erlebt stark steigende Besucherzahlen, ohne zu wissen, wie viele Touristen die Stadt ökologisch und sozial verkraften kann. Die Folge sind überfüllte Strände und Sehenswürdigkeiten, Müll- und Abwasserprobleme, verschmutzte Meeresgebiete und eine überlastete Infrastruktur. Gleichzeitig führt der Fokus auf Touristen zu sozialer Unzufriedenheit, sinkender Lebensqualität und Sicherheitsproblemen, während kulturelle Authentizität und Umweltintegrität zunehmend verloren gehen.

Montmartre, Paris

Montmartre wird jährlich von Millionen Besucherinnen und Besuchern überrannt, wodurch enge Gassen, Plätze und selbst zuvor ruhige Viertel überfüllt sind. Die Menschenmassen treiben Mieten und Immobilienpreise in die Höhe, verdrängen lokale Kultur – etwa Vereine und Traditionsorte – und wandeln das Viertel zunehmend in eine touristische Kulisse um. Für viele der rund 30'000 Bewohner bedeutet dies Lärm, Verlust an Lebensqualität und die Gefahr, dass Montmartre seine authentische Identität und langfristig sogar seine Einwohnerschaft verliert.

(GWA)