Flug

Sandra Rosenberg und Michael Flück repräsentierten Refund.me auf der ITB Berlin. Bild: TN

«Uns ärgert die Weigerung von Swiss, sich an anerkanntes EU-Recht zu halten»

Jean-Claude Raemy

Refund.me kämpft seit fünf Jahren erfolgreich für Passagierrechte. In der Schweiz beisst man bislang aber auf hartes Brot.

Vor fast fünf Jahren, am 24. Juli 2012, hob die frühere Fernsehfrau Eve Büchner (Bild links) die Firma refund.me aus der Taufe. Diese setzt sich für Passagierrechte ein, welche gegenüber Airlines ein Kompensationsrecht gemäss der Fluggastrechteverordnung (EG) Nr. 261/2004 geltend machen wollen. In dieser hat das EU-Parlament festgelegt, in welchen Fällen Fluggesellschaften Entschädigungszahlungen zu entrichten oder andere Leistungen gegenüber den Passagieren zu erbringen haben.

Was hat Eve Büchner angehalten, ausgerechnet in diesem Bereich ein Startup zu gründen? 

Die Firmengründerin hat den ITB-Besuch leider wegen einem Unfall kurzfristig absagen müssen und meldet sich hierzu schriftlich: «Mich hat gereizt, als erste eine weltweite, automatisierte Plattform für Passagierrechte aufzubauen. Es gab bereits einige lokale Player, aber wir haben innerhalb kurzer Zeit Kunden aus über 140 Ländern gewonnen und betreiben Settlement mit mehr als 350 Airlines. Wir haben das Prinzip ‚no win - no fee‘ in dieser Branche eingeführt, was dann von anderen übernommen wurde und wofür wir von der Financial Times 2014 als ‚legal industry pioneer‘ gewürdigt. Als echter Pionier dieser Branche fühle ich mich jetzt den Innovationen verpflichtet. Da werden wir in diesem Jahr nachlegen.»

Refund.me ist auf Jagd nach Firmenkunden

Wie nachgelegt wird, darf Michael Flück, den travelnews.ch in Berlin auf der ITB trifft, noch nicht verraten. Der Schweizer, ein langjähriger ABB- und HRG-Geschäftsreiseprofi, arbeitet seit November 2016 zu 50% für refund.me, als Director of Sales. «Meine wichtigste Aufgabe ist es, B2B-Kundschaft zu akquirieren», erklärt Flück. Will heissen, dass nicht mehr nur Privatpersonen, sondern zunehmend auch Firmen von den Diensten von refund.me profitieren sollen. Dazu gehören auch Reisebüros: «Durch die Zusammenarbeit mit Reisebüros können wir aufgrund von Data Tracking bestimmen, welche Reisebüro-Kunden Anspruch auf Entschädigung haben», erklärt Flück, «das Reisebüro kann diesen dann informieren, also seinen Kundenservice verbessern, während wir unser Geschäft vergrössern.» Bei den Kosten gebe es ein Revenue-Splitting – bei Privatkunden nimmt refund.me üblicherweise 25% Kommission, allerdings nur im Erfolgsfall.

Die massgeschneiderte B2B-Lösung für Firmenkunden sei eine Notwendigkeit, versichert Sandra Rosenberg (COO von refund.me): «Viele Travel Manager kennen die Rechtslage in Bezug auf Kompensationen nur ungenügend.» Generell wird ja angenommen, dass nur rund 10% der eigentlich rechtlich zustehenden Kompensationen auch beansprucht werden. Dies, weil die Airlines diese Rechte auch nur auf minimalste Weise, wenn überhaupt, bekannt machen.

Sowohl Rosenberg als auch Flück zeigen ein gewisses Verständnis für die Airlines: «Teils sind die Gründe für die Verspätung unglücklich, und wenn dann 200 Passagiere Entschädigungen wollen, geht das schnell ins Geld», erklärt Rosenberg und hält fest: «Wir sind nicht der Feind der Airlines.» Es gehe aber darum, dass viel zu oft von Seiten der Airlines bei berechtigten Ansprüchen massiv blockiert werde. Privatkunden haben kaum Chance auf Erfolg, wenn sie via ein Portal wie refund.me gehen, welches mit zahlreichen Anwälten arbeitet, geben die Airlines schneller nach. Dass die allermeisten Fälle aussergerichtlich geregelt werden, spricht auch für die Tatsache, dass sich die Airlines nicht prinzipiell im Recht sehen, sondern der Entschädigungspflicht nicht nachkommen wollen. Zur Erinnerung: Diese sieht vor, dass bei von der Airline selbst verschuldeten Annullationen, Überbuchungen und Verspätungen von über drei Stunden die Passagiere eine Entschädigung, abhängig von der Flugdistanz, zur Verfügung haben.

Die Schweiz ist eine Herausforderung

Wer sind denn die schlimmsten Airlines in Bezug auf Kompensationen? Bekannt ist der öffentlich ausgetragene Streit von Eve Büchner mit Ryanair-Gründer Michael O’Leary. Dieser versucht seit längerem, per Abtretungsverbot oder speziellen AGB-Formulierungen seine Passagiere davon abzuhalten, Kompensationshilfe bei Profis wie refund.me zu suchen. Doch nicht nur die Low-Coster sind ein Dorn im Auge von Büchner und Flück – auch die Swiss kriegt ihr Fett weg: «Die EU-Verordnung 261 wurde von der Schweiz anerkannt, doch weil es hierzulande noch keinen Präzedenz-Gerichtsfall hinsichtlich einer damit zusammenhängenden Entschädigung gibt, weigert sich Swiss, sich an diese EU-Verordnung zu halten», konstatiert Flück. Das mache die Arbeit im Schweizer Markt «herausfordernd». Interessant, dass Rosenberg praktisch im gleichen Atemzug auf die Frage nach positiven Airline-Beispielen die Swiss-Mutter Lufthansa nennt.

Und wie geht es jetzt in der Schweiz weiter? «Wir suchen derzeit eine Anwaltskanzlei als Partner», erklärt Rosenberg. Der Schweizer Markt sei durchaus interessant, zumal es auch kein Schweizer Inkassoportal für Flugentschädigungen gebe: «Da hat es sicherlich noch Potenzial, gerade auch im Firmenbereich», fügt Flück an.

Innovationskraft als wichtigstes Gut

So oder so befindet sich refund.me auf der Überholspur. Das Unternehmen zählt bereits 40 feste Mitarbeitende und ist in praktisch allen EU-Ländern aktiv, um die Rechte der Passagiere gegenüber rund 350 Airlines zu garantieren. Lück erwähnt hierbei beiläufig, dass das Interesse von und die Interaktion mit Ländern aus Osteuropa zurzeit viel stärker sei als von jenen aus Westeuropa. In Westeuropa verzichte man eher mal aus Bequemlichkeitsgründen auf ein an sich zustehendes Recht.

Doch was unterscheidet letztlich refund.me von anderen, ähnlich gelagerten Portalen? Gründerin Eve Büchner hat hierzu das letzte Wort, vom Krankenbett aus: «Heutzutage tummeln sich unzählige Player auf diesem Gebiet, einige davon sind Mom&Pap Shops, die glauben, hier schnellen Profit machen zu können. Ein, zwei Player erkaufen sich teuer ihre Marktanteile. Ich würde sagen, unser USP besteht in der hohen Innovationskraft und im Automatisierungs-Background, verbunden mit hohem Spezialwissen in diesem Marktsegment. refund.me  steht für innovative Services im Business Travel Sektor, verbunden mit unseren Grundtugenden wie Gründlichkeit & Beharrlichkeit.»