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Mail aus... New Orleans — Jazz und Jambalaya im «Big Easy»

Matthias Wipf

Die zweite Hälfte seiner 80-tägigen Reise um die Welt beginnt unser Autor im Süden der USA, bei toller Musik, hochkarätigem Sport und feinstem Essen.

“Who dat”: dieser Slang-Ausspruch begegnet einem in New Orleans auf Schritt und Tritt — und drückt irgendwie auch sehr treffend den Stolz, das Selbstbewusstsein, das Lockere und leicht Verruchte und ganz allgemein das Lebensgefühl in der Mississippi-Metropole hier im Süden der USA aus. “The Big Easy”, die grosse Leichtigkeit, wird die Stadt auch genannt — und zehn Jahre nach den verheerenden Flutwellen in der Folge des Wirbelsturms Katrina, als die Deiche brachen und mehr als 1’800 Menschen ihr Leben verloren, wird sie dieser Beschreibung auch wieder gerecht. Das Comeback, von vielen angezweifelt, scheint geglückt, auch wenn etliche Einwohner (noch) nicht zurückgekehrt sind. “Let the good times roll”, heisst die Losung, verbunden auch mit einem gewissen Fatalismus.

In New Orleans — auch kurz NOLA (New Orleans, Louisiana) genannt — herrscht in der Tat rund um die Uhr Betrieb, und alle scheinen hier den Rhythmus im Blut zu haben. “Wer sich im ‘Big Easy’ nicht amüsiert”, urteilt unser Stadtführer Brandon stolz und prägnant, “der hat kein Herz!” Nebst den zahllosen Jazz-Clubs und Bars, die uns nicht nur das Herz wärmen, sondern auch fast permanent Arme und Beine wippen lassen, sorgen Bands auf der Strasse sowie die Gaukler, Wahrsager und weitere Lebenskünstler für beste Unterhaltung. Unbezahlbar, wenn drei Jungs mit leidlich selbstgebastelten Stepschuhen beinahe den Asphalt zum Glühen bringen, oder wenn der kleine Phlipp weltmeisterlich auf einen Putzkübel eintrommelt, so dass es eine Wonne ist und wir mit offenem Mund stehen bleiben. “Who dat”, tönt es dann auch durch die Gassen des berühmten French Quarter zwischen Bourbon Street, Jackson Square und French Market. Gassen, in denen die französische und die spanische Vergangenheit noch allgegegenwärtig ist, in Strassennamen, in Kolonialstil-Architektur mit bonbonfarbenen Häusern, schmiedeeisernen Balkongittern und gemütlichen Patios — und beim Essen.

Die verführerische Stadt “N’Awlins”

 Das kreolische Essen in NOLA ist ein Kapitel für sich, und was für eins: “What a wonderful world”, könnte man den Song von Jazz-Trompeter Louis Armstrong, dem berühmtesten Sohn der Stadt, zweckentfremden. Jambalaya, eine Art Paëlla, oder Gumbo, eine deftig angereicherte Reissuppe, aber auch exquisit gewürzte Golf-Austern oder die sogenannten Po’ Boy-Sandwiches sind einsame kulinarische Klasse. “Ihr werdet hier unten an Gewicht zulegen”, hatte uns bereits der Immigration Officer am Flughafen freundlich zugefeixt. Und jeder zweite Satz dreht sich ums Essen, auf das man zurecht stolz ist — oder es gar, wie Hank Williams die “Jambalaya”, leidenschaftlich besingt.

Im selben Song kommen auch die “blue Bayous”, die Stehgewässer im Sumpfland mit ihren Krokodilen und Vögeln, zu Ehren, wo sich ein Besuch ebenso lohnt wie auf den zahlreichen ehemaligen Zuckerrohr- und Baumwoll-Plantagen. Tolle, herrschaftliche Anwesen mit schönen Gärten, auf denen allerdings — wie es in den Südstaaten üblich war — auch Sklaven gehalten wurden. Ein Thema, das noch immer nicht überall gleicher- und verdientermassen kritisch beleuchtet wird. Genauso wie auch das grosse Nationale Weltkriegsmuseum in NOLA, didaktisch hervorragend konzipiert, die Rolle der USA eher einseitig beleuchtet. Dies fällt uns natürlich um so mehr auf, als wir auf unserer Reise kurz zuvor noch ebenso unkritische japanische Museen besucht hatten. Da liess sich dann bei einer gemütlichen Fahrt auf dem Mississippi-Dampfer ‘Creole Queen’ wieder der Kopf lüften: “rollin’ on the river” eben.

Ein dreifaches “Who dat” schliesslich auf die New Orleans Saints, die lokale Football-Mannschaft, die nicht unwesentlich dazu beigetragen hat, den Stolz und die Lebensfreude der Menschen auch nach Katrina aufrechtzuerhalten, erst recht seit man 2010 erstmals und ziemlich überraschend die Super Bowl, die nationale Meisterschaft, gewann. “We are back!”, skandierte damals die ausgelassene Menge bei der Siegesparade durch die Stadt, der mehr Leute beiwohnten als sonst bei Mardi Gras, der grössten Feier vorort. Die Bedeutung der Saints ist kaum hoch genug einzuschätzen, und Game-Day ist immer eine Art Feiertag, an dem es kaum ein anderes Thema gibt. Und wir hatten gar das Glück, beim legendären Spiel gegen die New York Giants live im ausverkauften Superdome mit dabei zu sein, als Quarterback Drew Brees — just an Allerheiligen — rekordmässige sieben Touchdown-Pässe warf. “Ihr Schweizer habt eben Geschichte miterlebt”, klopfte uns Sitznachbar Andy anerkennend auf die Schulter, “who dat!” Und spätestens dann, “when the Saints go marchin’ in”, haben wir unser Herz definitiv an diese lebensfrohe, farbige und zutiefst verführerische Stadt verloren. “N’Awlins”, wir kommen wieder — spätestens 2018, zur grossen 300 Jahr-Feier!