Here & There

Mail aus... Auckland — zwischen «All Blacks» und «Flat White»

Matthias Wipf

Die Gefahr besteht, dass unser Autor an der vierten Station der Weltumrundung, in Neuseeland, stecken bleibt. Er hat seine Gründe.

Die Neuseeländer — oder “Kiwis”, wie sie sich selbst gerne nennen — sind ein äusserst angenehmes, entspanntes und gastfreundliches Volk. Und sie haben ein wunderschönes Land, facettenreich mit Gletschern und bewaldeten Hügeln, mit feinsten Sandstränden und Fjorden, mit Regenwäldern, Wasserfällen und spuckenden Geysiren. Ein Land, in dem man einfach sein kann — und sich auch vorstellen könnte, hier mal länger zu bleiben. So wie die beiden Schweizer Auswandererpaare, die wir in Auckland besucht haben und die sich eine tolle neue Existenz aufgebaut haben. Auckland, die heimliche Hauptstadt auf der Nordinsel, wo heute fast ein Drittel der nur gut vier Millionen “Kiwis” lebt und wo jeder Dritte ein Boot im Hafen liegen hat. Eine Stadt mit tollen Plätzen zum Verweilen wie Viaduct Harbour, Britomart, Mount Eden, wie der “wilde Westen” um Piha oder die vorgelagerten Inseln Waiheke oder Rangitoto.

Wir haben “Aotearoa”, wie die Maori, die polynesischen Ureinwohner, ihr Land damals nannten, nämlich “das Land der langen, weissen Wolke”, sofort ins Herz geschlossen. Ein Land, das sich prima bereisen lässt, mit vernünftigen Unterkünften und sehr gemütlichen Restaurants und Cafés. Und immer fühlt man sich willkommen, wenn man sich zu einem “Mac’s Gold”, dem lokalen Bier, oder einem “flat white”, dem geliebten Milchkaffee, oder zu den allgegenwärtigen Fish ‘n’ Chips niederlässt. “Kia ora”, Willkommen, ist in Neuseeland keine Floskel.

Morgens im Pub

Ein Hoch, oder besser gesagt: ein “Haka”, also auf Neuseeland und die Kiwis! Haka ist der Tanz der Maori, der Kraft und Energie spenden soll — und der mit den Rugby-Weltmeisterschaften, wo er auch der Einschüchterung des Gegners dient, erst recht omnipräsent ist. So wie es “Formula 1 season” war, als wir zum Auftakt unserer Reise um die Welt in Singapur weilten, ist Down under momentan ganz klar “Rugby season”: Die Kiwis lieben ihren Nationalsport, und die “All Blacks”, wie sie ihr Team nennen, sind ihnen heilig — und beginnen jedes ihrer Spiele mit einem solchen Haka. Klar, gerne hätten wir die “All Blacks” live spielen sehen, im legendären ‘Eden Park’ in Auckland, wie es bei den Weltmeisterschaften vor vier Jahren möglich war. So haben wir die Spiele stattdessen im Pub mitverfolgt, mit vielen Dutzenden in schwarz gekleideten, leidenschaftlichen Fans — und wegen der Zeitverschiebung frühmorgens, was dem Ganzen nochmals einen speziellen Touch gab. Beide Spiele, die wir miterlebt haben, das Viertelfinale gegen Frankreich und das Halbfinale gegen die “Springboks” aus Südafrika, waren höchst spektakulär und emotional — und auch wenn wir dann während des Finalspiels in den USA sein werden, wo American Football dem Rugby vorgezogen wird, ist jetzt schon klar, dass wir die Partie irgendwie am TV mitverfolgen werden. Go, All Blacks, go!

Der Nationalsport der Frauen in Neuseeland ist hingegen Netball, eine Art Korbball — und hier waren wir bei einem Länderspiel der “Silver Ferns”, wie sich die Kiwis nennen, gegen Erzrivale Australien live im Stadion. Um ehrlich zu sein, so richtig zu faszinieren vermochte uns das Spiel nicht — aber die Atmosphäre im Stadion war trotzdem toll. Ganz allgemein, davon bin ich überzeugt, lernen einen Sportveranstaltungen, und auch die jeweiligen Zuschauer, viel über Kultur und Habitus eines Landes. Die Nationalhymne Neuseelands übrigens hat einen ersten Teil auf Maori, der ebenso herzhaft mitgesungen wird — und auch ein Fingerzeig ist, wie weit die Ureinwohner, anders als in andern Ländern, heute integriert und geschätzt werden. Auch in Politik und Wirtschaft haben sie wichtige Positionen inne.

Wir werden Neuseeland vermissen, mit seinem Vogelgezwitscher vor den Radio-Nachrichten, mit seinem lustigen Sicherheitsvideo im Stil von “Men in black” bei Air New Zealand, mit seinen zehnmal mehr Schafen als Einwohnern — und sogar dann, wenn sie auf unsere Antwort, wir seien aus “Switzerland”, mit “oh, sweet” antworten. Unbezahlbar auch, wenn wir im Taxi zum Flughafen mit dem Fahrer, der einen kaum verständlichen südlichen Akzent spricht, über die “All Blacks” fachsimpeln, als hätten auch wir Rugby quasi mit der Muttermilch aufgesogen. Neuseeland könnte eines Tages unten rechts von der Landkarte kippen, werden sie von den Australiern regelmässig geneckt, und keiner würde es bemerken. Doch: wir würden es bemerken — und sehr bedauern!

Die bisherigen Stationen: