Here & There

Mail aus... Christchurch — von Inseljuwelen und einem Silberfarn im Flat White

Matthias Schellhorn

Ein Leben am anderen Ende der Welt: Vor 35 Jahren ist unser Autor in Neuseeland gelandet und kennt die ausgefallensten Wanderprogramme.

So war das doch gar nicht geplant! Damals, als ich mit meinem druckfrischen Studentenvisum im Rucksack auf Neuseeland’s Südinsel aus dem Flieger kletterte, war ich meinem Jugendtraum gefolgt. Nationalpark-Ranger sollte ich werden, dazu vier Jahre lang die Uni besuchen, um dann als eine Art Ökoförster in die vertrauten Buchenwälder meiner Heimat zurückzukehren… Das war der Plan.

Es war kein leichter Anfang am anderen Ende der Welt. Das Neuseeland von 1980 empfing mich mit einigen Kulturschocks. Dem ersten begegnete ich gleich am Eingang zur Unibibliothek. Wo im schwäbischen Tübingen bunte Velos mit flotten Jutetaschen parkten, waren hier schwarze Gummistiefel aufgereiht. Für die Farm-Studenten war das letzte Rugby-Spiel ein bevorzugtes Diskussionsthema, Politik oder gar Kunstthemen dagegen kaum gefragt. Auch der kulinarische Ausblick war damals eher düster. In den wenigen Speiserestaurants von Christchurch setzte das durchgebratene Steak mit Chips und überkochtem Gemüse den Standard. Dazu floss süsslicher Wein aus Pappkartons mit so exotischen Etikettnamen wie “Chasseur” oder “Liebfraumilch”. In den Country Towns boten Tearooms ein hellbraunes Gebräu, das eher an Spülwasser als Kaffee erinnerte.

35 Jahre später sitze ich in einem flotten Café namens “Coffee Culture” im Strandort Sumner und schlürfe einen Flat White, den aufgeschäumten Milchkaffee, den die Barista mit einem zarten Silberfarn aus feinstem Espresso verziert hat. Gleich nebenan preist das neue Le Xōm Restaurant seine “Indochina Street Cuisine” an, um die Ecke lockt das alt bewährte Sushi Hanah mit authentisch japanischen Leckerbissen. Inzwischen übertreffen sich hierzulande Gourmet-Chefs auch mit innovativen Neuseeland-Menüs; frische Ozeandelikatessen oder raffinierte Lammkreationen sind besonders gefragt. Dazu geniesst man einen feinen Tropfen aus Sauvignon Blanc oder Pinot Noir Trauben, die in Neuseeland’s sonnenreichen Weinbauregionen bestens reifen. Times have changed …

Einer meiner Lieblingsziele für solche kulinarischen Entdeckungen ist die hügelige Pazifikinsel Waiheke, nur 40 spannende Fährminuten vom Hafen des Stadtzentrums Auckland entfernt. Gerne zeige ich meinen Wandergruppen gleich am ersten Reisetag dieses grüne Inseljuwel. Direkt am Schiffsanleger beginnt dort ein schmaler Wanderpfad; an kunstvollen Freiland-Skulpturen vorbei gehts hoch auf schroffe Klippen, an die sich zur Weihnachtszeit rot blühende Pohutukawa-Bäume klammern. Herrlich, die frische Seebrise im Haar — sie lässt den Jetlag schnell vergessen. Entspannend auch die Einkehr auf meinem liebsten Weingut, wo “First Flavours” nicht nur ein exzellentes Vorspeisen-Menü ankündigen, sondern den Auftakt zu einer leckeren Wanderreise verheissen. Willkommen auf unseren immergrünen Antipodeninseln! Haere Mai — wie die Maori sagen…

Hier oben reicht der Blick weit über die Bucht mit ihren funkelnden Segeln, hinaus in die grünblaue Weite des Südpazifiks. Solche Bilder regen zum Träumen an, lassen Erinnerungen wach werden. In Momenten wie diesem freue ich mich dann, dass alles ganz anders verlief damals, nach dem Studium in Christchurch. Die Ranger-Arbeit in urwüchsigen Nationalparks hatte mich schnell für Neuseeland’s Naturwelt begeistert; die Insel Stewart Island zeigte mir was Wildnis wirklich ist. So wurde das Studienland bald zum Lebensort. Als ich dann 1986 auf einem ersten Heimaturlaub in Luzern ein Baumeler-Schaufenster mit dem Werbeslogan “Wandern Weltweit” entdeckte, entstand eine Idee. “I’m your Kiwi man” dachte ich und öffnete die Tür zu einer neuen Berufserfahrung als Antipoden-Reiseleiter.

Seither sind einige Jahre verstrichen, neue spannende Wanderprogramme entworfen, Reisegäste begrüsst und verabschiedet worden. Unser Inselleben hat sich verändert; geblieben aber ist ein Hauch Freiheit, den man an diesem fernen Ende der Welt hautnah verspürt. Ob an einem Kraterrand, vor einem Gletschertor, auf einer Sanddüne oder unter einem Urwaldriesen - hier pulsiert Natur und daran hat sich bis heute nur wenig geändert. In einer Inselnation, die fast ein Drittel Ihrer Landfläche unter Naturschutz gestellt hat bleibt viel Freiraum für solche Urgefühle. Das spüren auch unsere Reisegäste - wie etwa Barbara, die mich kürzlich, fast am Ende Ihrer Wanderreise, um Rat fragte. So schön sei es hier, dass sie gerne noch eine Woche länger bliebe — ob das wohl noch irgendwie ginge? Ein Anruf nach Luzern, ein weiterer an das Singapore Airlines Ticketing — dann das ok. Glück gehabt, Barbara — aber so war das doch gar nicht geplant, oder?

Angebote von Baumeler Reisen in Neuseeland