Destinationen

«Wir haben deutliche Stornierungen für die Schweiz»

Gregor Waser

Weil viele Asiaten die Schweiz mit Frankreich kombinieren, gibt es derzeit viele Annullationen, registriert Jürg Schmid, der Direktor von Schweiz Tourismus.

Herr Schmid, Sie sind eben aus Asien zurückgekehrt. Welche Auswirkungen orten Sie nach den Anschlägen vor zwei Wochen?

Jürg Schmid: Der Tourismus ist hochvernetzt, speziell der Fernreise-Tourismus. Unsere Gäste aus Asien und den USA kombinieren mehrere Länder, wenn sie nach Europa kommen. Und wir wissen, das 40 Prozent der Gäste, die aus Asien kommen, die Schweiz mit Frankreich und/oder Italien kombinieren. Für Frankreich gibt es eine grosse Reisezurückhaltung und darum haben wir deutliche Stornierungen auch in der Schweiz. Das sind kurzfristige, hektische Auswirkungen. Wie sich das langfristig entwickelt, kann man derzeit nicht sagen, das hängt von der politischen Entwicklung ab. Analog anderen tragischen Vorfällen dürfte auf die Hauptreisezeit hin, den nächsten Sommer, eine Normalisierung einkehren.

Gerade jene Märkte scheinen nun betroffen, die jüngst die Ausfälle europäischer Gäste kompensieren konnten.

Aus Asien haben wir seit Jahren ein wuchtiges Wachstum. Auch aus den USA haben wir ein schönes Wachstum seit zweieinhalb Jahren, eine riesiger Markt für die Schweiz. Darum ist die Besorgnis schon da. In der Kurzfristigkeit neigt man aber zu Fehlanalyse. Die Emotionen gehen derzeit hoch, darum auch die vielen Annullationen. Wie sich das auf die Hauptreisezeit auswirkt, ist unmöglich zu sagen.

«Die Wahrscheinlichkeit, dass in der Schweiz etwas passiert, ist äusserst gering. Sicherheit garantieren können Sie aber nirgends.»

Kann man den Aspekt „Sicherheit“ marketingmässig nutzen, ohne gleich als Krisengewinnler dazustehen?

Nein. Sicherheit ist kein Reisemotiv, fehlende Sicherheit ist ein Ausschlusskriterium. Ich gehe nicht in ein Land, nur weil es sicher ist. Aber ich gehe nicht mehr, weil es nicht mehr sicher ist. Mit Sicherheit zu werben ist substanziell gefährlich. Selbstverständlich setzen wir das Argument im Gespräch mit Reiseveranstaltern ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass in der Schweiz etwas passiert, ist äusserst gering. Sicherheit garantieren können Sie aber nirgends.

Wie wird künftig das praktische Leben des Touristen aussehen — gerade bei der Anreise?

Ich befürchte, dass An- und Rückreisen nicht lustvoller werden. Ich habe gewisse Bedenken, dass Visa-Richtlinien verschärft werden könnten, dass Einreiseprüfungen und die Checks beim Abflug zunehmen. Aus Sicht des Reisenden ist das durchaus verständlich. Es wird wohl längere Wartezeiten bei der Immigration geben — oft kann so der Ersteindruck eines Landes vermiest werden. Früher sagte man, bereits die Anreise gehört zum Erlebnis. Bald könnten alle froh sein, wenn sie angekommen sind.

Und die Schweizer bleiben jetzt zuhause?

Ich glaube, dass ganz viele Schweizer die Schweiz wieder anders in Erwägung ziehen. Die Liebe zum Land war schon immer gross. Der Preis ist ein Faktor, der zwar erschwerend ist, aber Basiswerte wie Sicherheit und Stabilität zählen. Für einmal kann man sagen: es ist gut langweilig zu sein. Die Schweiz ist klein, nicht in internationale Konflikte involviert.