Services
Gute Frage Warum gibt es halbstündige Zeitzonen?
Wer um die Welt reist, muss seine Uhr oft verstellen. Manchmal ist es allerdings nicht eine Stunde mehr oder weniger, sondern eine halbe. Oder sogar nur eine Viertelstunde. Warum ticken manche Länder anders? Und wer hat überhaupt entschieden, wann wo die Stunde schlägt?
Die Geschichte der Zeitzonen beginnt im 19. Jahrhundert – in einer Epoche, als Züge, Telegrafen und internationale Post das Reisen und Kommunizieren beschleunigten. Vorher galt in jeder Stadt die eigene Ortszeit, gemessen am Sonnenstand. Zwischen Zürich und Basel etwa konnte das schon einmal mehrere Minuten Unterschied bedeuten. Das war kein Problem – bis plötzlich Züge nach festen Fahrplänen verkehren mussten.
Damit entstand die Notwendigkeit, die Welt zeitlich zu ordnen. 1884 einigten sich 26 Staaten auf der Internationalen Meridiankonferenz in Washington darauf, den Nullmeridian in Greenwich als Ausgangspunkt zu nehmen. Die Erde wurde in 24 Zeitzonen unterteilt – jede Zone um 15 Längengrade versetzt, jede eine Stunde verschieden. Doch die Wirklichkeit liess sich nicht so einfach in gleichmässige Scheiben schneiden.
Pragmatische Lösungen für grosse Länder
Indien zum Beispiel liegt geografisch zwischen zwei dieser Zonen – UTC +5 und +6. Statt sich für eine zu entscheiden, wählte man den Mittelweg: UTC +5:30. So passte die Zeit besser zu einem Land, das sich über 3000 Kilometer erstreckt.
Ähnliche Überlegungen gab es in Afghanistan oder im Iran: Der Sonnenaufgang sollte weder zu früh noch zu spät kommen. Die halbe Stunde war also oft eine pragmatische Lösung – ein Kompromiss zwischen Ost und West, zwischen Alltag und Astronomie.
Doch nicht immer waren praktische Gründe ausschlaggebend. Manchmal war es auch Politik. Nepal zum Beispiel stellte seine Uhren bewusst auf UTC +5:45 – eine Viertelstunde anders als Indien. Ein stilles Zeichen der Unabhängigkeit vom grossen Nachbarn.
Zeit zwischen Freiheit und Einheit
Australien wiederum zeigt, wie komplex Zeit werden kann, wenn Geografie und föderale Zuständigkeiten zusammenkommen. Neben den drei Hauptzeitzonen nutzt das Land auch halbstündige Varianten, etwa im Northern Territory oder in Südaustralien (UTC +9:30). Und in der kleinen Ortschaft Eucla an der Grenze zu Westaustralien leben rund 50 Menschen sogar nach einer Viertelstunden-Zeit: UTC +8:45.
Und dann wäre da noch Neufundland im Osten Kanadas: die einzige Region Nordamerikas, die sich eine halbstündige Abweichung gönnt. Hier gilt UTC −3:30, ein Überbleibsel aus der Zeit der Schifffahrt, als man sich streng am lokalen Sonnenstand orientierte. Die Bewohnerinnen und Bewohner wollten diese maritime Tradition bewahren – und tun das bis heute.
Währenddessen geht China den umgekehrten Weg: ein Land, eine Zeit. Obwohl es geografisch fünf Zeitzonen umfassen würde, gilt überall Pekinger Zeit (UTC +8). Das führt dazu, dass im Westen des Landes die Sonne oft erst gegen zehn Uhr morgens aufgeht – ein extremes Beispiel dafür, wie politisch Zeit sein kann.
Halbstündige oder viertelstündige Zeitzonen sind also kein Zufall, sondern ein Stück Kulturgeschichte. Sie erzählen von der Balance zwischen Natur, Technik und nationalem Selbstverständnis.