Reiseanbieter

Jasmin (l.) und Vanessa Willi geniessen die stressfreie Corona-Zeit in der Natur - zum Beispiel bei einer Sonnenaufgangs-Wanderung auf den Uetliberg in Zürich. Bild: zVg

«Wir merken, dass die Leute noch gar nicht wieder Verreisen wollen»

Nina Wild

Die beiden Schwestern Jasmin und Vanessa Willi haben Anfang 2020 ihr eigenes Reisebüro Willi Travel AG in Dübendorf eröffnet. Im Travelnews-Interview spricht Jasmin Willi über die herausfordernde Zeit, die gedämpfte Lust ihrer Kunden und weshalb Reisebüros nach der Krise im Vorteil sind.

Frau Willi, am 6. Januar haben Sie gemeinsam mit Ihrer Schwester Vanessa Willi das Reisebüro Willi Travel AG eröffnet – wie ist das Geschäft angelaufen?

Jasmin Willi: Sehr gut. Wir haben ab dem ersten Tag viele Anfragen erhalten und das Geschäft lief sensationell. Das gibt uns natürlich Hoffnung, dass wenn die Normalität zurückkehrt, die Buchungen wieder anziehen werden. Ich denke, es ist ein gutes Zeichen, dass wir in den ersten zwei Monaten schon so viele Buchungen verzeichnen durften. Wir sind an einigen Tagen bis zehn oder elf Uhr am Abend im Büro gesessen, um die Arbeit zu erledigen. Damit haben wir nicht gerechnet. Wir dachten, wir können uns in den ersten Wochen noch um den Aufbau des Geschäfts kümmern, aber dem war nicht so – ab dem ersten Tag kamen die Kunden zu uns.

Und dann kam Corona…

Genau, und das ist natürlich sehr frustrierend für uns. Wir hatten einen so guten Umsatz, mit welchem wir nie gerechnet haben und wussten gleichzeitig, dass wir nun alles wieder annullieren müssen. Als der Bundesrat am 17. März den Lockdown ausgerufen hat, haben wir sofort unsere Computer eingepackt und sind nach Hause gegangen. Wir arbeiten seit diesem Tag im Homeoffice und haben auch nicht mehr gross zu tun. Die Nachfrage ist komplett eingebrochen und jetzt kümmern wir uns um die Annullationen. Glücklicherweise sind die Leistungsträger sehr kulant und die Rückzahlungen funktionieren – nur von den Airlines warten wir teilweise noch auf das Geld.

«Wir werden die Krise überstehen»

Welche Massnahmen haben Sie ergriffen, um durch die Krise zu kommen?

Momentan sind wir für Kurzarbeit angemeldet und halten uns so über Wasser. Hier haben wir den Nachteil, dass wir beide als Inhaberinnen eingetragen sind. Somit wird uns einfach ein Fixlohn ausbezahlt. Der Vorteil ist aber auch, dass wir – weil wir noch am Anfang stehen – relativ tiefe Fixkosten haben. Es waren viele Marketingmassnahmen geplant, die wir aber umgehend und ohne Kostenfolge auf Eis legen konnten. Wir werden die Krise überstehen, ich hoffe einfach, dass sich die Situation möglichst schnell wieder normalisiert.

Was raten Sie Ihren Kunden?

Alle unsere Kunden sind generell sehr verständnisvoll und sie wissen, dass sie bei uns in guten Händen sind. Wir erstatten ihnen natürlich alle Kosten zurück, welche auch wir von den Leistungsträgern erhalten. Zudem verlangen wir zum Beispiel auch keine Auftragspauschale. Wir merken, dass unsere Kunden, welche im Sommer ans Mittelmeer reisen wollten, gar keine Lust haben, die Schweiz unter diesen Umständen zu verlassen – auch wenn die Grenzen offen wären. Aber ich verstehe das und kann es nachvollziehen. Wer will schon in ein anderes Land reisen, wenn man nicht weiss, wie es vor Ort zu und her geht?

«Für uns ist es mühsam und unverständlich, dass einige Airlines die Rückzahlungen zurückhalten.»

Welche Möglichkeiten haben denn Ihre Kunden wenn sie die gebuchte Reise nicht antreten wollen?

Es kommt auf die Situation an. Wird ein Flug annulliert ist es klar, dass wir eine Rückerstattung bei den Fluggesellschaften anfordern können. Bei Flügen welche aktuell noch durchgeführt werden, müssen wir abwarten, ob diese noch annulliert werden oder ob wir allenfalls eine Umbuchung oder Gutscheine bewirken können. Für uns ist es mühsam und unverständlich, dass einige Airlines die Rückzahlungen zurückhalten. Bei den Umbuchungs- und Stornierungsbedingungen halten wir uns an die grossen Reiseveranstalter.

Sie haben nun auch Schweiz-Reisen im Angebot – wie kommt das bei den Kunden an?

Bis jetzt konnten wir daraus noch keine Buchung generieren. Wir bemerken zwar, dass eine gewisse Nachfrage besteht, aber zu einem Abschluss ist es nicht gekommen. Im Nachhinein haben wir auch realisiert, dass diese Angebote nicht lukrativ sind. Wenn jemand ein Wochenende in der Schweiz bucht, gibt er im Schnitt 400 Franken aus und daran würden wir vielleicht 30 Franken verdienen. Kürzlich hatte ich eine Kundin, welche im Sommer nach Mallorca reisen wollte und nun nach einer Alternative sucht in der Schweiz. Am liebsten ein Hotel mit Animation – aber das ist schwierig. Hierzulande bezahlt man vergleichsweise viel für ein gutes Hotel oder die Betriebe haben noch gar nicht wiedereröffnet.

«Ich glaube, wir hatten einfach Pech, dass wir uns dieses Jahr ausgesucht haben, um uns selbständig zu machen.»

Bemerken Sie bereits wieder einen Anstieg der Buchungen?

Nein, wir merken, dass die Leute noch gar nicht wieder verreisen wollen. Unsere Kunde haben keine Lust auf die Massnahmen, welche im Ausland zur Eindämmung des Coronavirus ergriffen werden. Aber wir machen das Beste daraus. Ich glaube, wir hatten einfach Pech, dass wir uns dieses Jahr ausgesucht haben, um uns selbständig zu machen.

Der Schweizer Reise-Verband hat sich in der Politik für die Outgoing-Branche eingesetzt und konnte einen Rechtsstillstand für Reisebüros bis Ende September bewirken. Wie beurteilen Sie dieses Engagement?

Ich finde es super, wie sich der Verband eingesetzt hat und kann mir vorstellen, dass viele Unternehmen dafür dankbar sind. Ich habe das Geschehen verfolgt und viel darüber gelesen, wie gross der Einsatz der Beteiligten war. Der Rechtsstillstand ist gut und recht – bis jetzt hatten wir aber noch keinen Bedarf danach. Aber ich denke, in der Branche wird der Einsatz des SRV sicher sehr geschätzt.

Welche Chancen sehen Sie nach der Corona-Krise?

Mitte März gab es ein weltweites Chaos mit der Organisation von Rückflügen und wir haben über Social Media enorm viele Anfragen von gestrandeten Schweizern im Ausland erhalten, für welche wir die letzten Plätze in den Flugzeugen für die Rückreise in die Schweiz ergattern konnten. Dafür haben uns die Leute super Feedback gegeben und uns versprochen, dass sie in Zukunft über uns buchen werden. Ob das dann tatsächlich der Fall sein wird, können wir natürlich nicht sagen. Ich kann mir vorstellen, dass die Leute nach der Krise öfter im Reisebüro buchen werden. Hier haben sie das Wissen und die Sicherheit, dass sie sich im Notfall nicht selber um die Problemlösung kümmern müssen. Hier sehe ich eine grosse Chance für uns.