On The Move

Tonlos nähert sich der Mustang E4X den Islandpferden. Alle Bilder: Silvia Schaub

Tested Unter Strom durch Island

Silvia Schaub

Wer sich auf eine Reise mit dem E-Auto durch Island aufmacht, kann dies beruhigt angehen. Die Ladestationen sind zwar nicht zahlreich vorhanden, aber stets betriebsbereit und schnell. Doch manchmal erfasst einem trotzdem die «Range anxiety».

«Lässt euch nicht durch die ‘Range anxiety’ verrückt machen», gibt uns der Instruktor von Europcar in Reykjavik mit auf den Weg. Wir schauen uns fragend an. «Ja, die Reichweitenangst», meint er grinsend. Das sei ein ziemlich verbreitetes Phänomen bei Menschen, die mit Elektroautos unterwegs seien. «Und noch etwas: Hier im Display ist der Button, um den Motorenlärm zu simulieren.» Es kann also losgehen mit unserer Island-Rundreise im E-Auto – noch dazu in einem schicken weissen Mustang mach E4X statt dem bestellten Nissan Leaf. Den Motoren-Button werden wir aber bestimmt nicht brauchen, sind wir überzeugt.

Dafür hat uns die «Range anxiety» schon bald im Griff. Denn als wir auf dem mitgelieferten I-Pad die Karte mit den verfügbaren Ladestationen öffnen, sind da nur vereinzelte Punkte auf der Island-Karte auszumachen, auch wenn die Insel ihren Strom zu hundert Prozent aus Erdwärme und Wasserkraft gewinnt.

Rund um die Hauptstadt Reykjavik ist die Elektromobilität auch kein Problem und recht gut eingeführt. Aber sobald man in dünnem besiedeltem Gebiet fährt, wird die Reise doch einem kleinen Abenteuer gleich. Zwar gibt uns die Anzeige immerhin eine Reichweite von über 300 Kilometern an (laut Werk sollen es sogar 440 Kilometer sein). Aber in Island sind die schnell einmal abgefahren. Hätten wir vielleicht doch lieber einen Hybridwagen wählen sollen?

Stopp an der Ladestation bei Selfoss.

Auf der ersten Etappe von Reykjavik zum Golden Circle sind wir noch guten Mutes. Leider zeigt sich uns die Inselwelt nicht gerade von ihrer besten Seite. Regenwetter und Nebel begleiten uns auf der Ringstrasse bis nach Selfoss im Süden, so dass wir wenig von der eindrücklichen Landschaft sehen. Noch ist alles im grünen Bereich. Deshalb wagen wir es, nicht direkt zu unserem Etappenziel nach Geysir zu fahren und unterwegs einen Stopp in Skálholt einzulegen. Es ist einer der geschichtsträchtigsten Orte Islands. Bis 1756 befand sich hier der Bischofssitz und über viele Jahrhundert das kulturelle Zentrum des Landes.

Als wir unser Hotel in Geysir erreichen, stellen wir fest, dass wir nur etwas mehr als 120 Kilometer zurückgelegt haben. Also kein Grund, beunruhigt zu sein. Und weil hier noch dazu eine On Power-Ladestation mit 115 Kw/Std. steht, ist unser Mustang bereits vollgeladen, als wir von unserem Rundgang zur berühmten Springquelle Strokkur zurückkommen.

Dramatische Wassermassen

Den nächsten Tag können wir beruhigt angehen, denn es stehen nur rund 140 Kilometer auf dem Programm. Zuerst geht es zum zweiten Highlight des Golden Circles, dem Gullfoss. Geradezu dramatisch stürzen hier die Wassermassen vom Hvítá-Fluss über zwei Stufen in den Gullfossgjúfur-Canyon hinab – im Sommer sollen es pro Sekunde etwa 140 Kubikmeter sein. Nicht erstaunlich, dass man bei einer solchen Energie auch etwas feucht wird, wenn man zu nahe an der Gischt steht. Da wir zeitig unterwegs sind, können wir das Naturschauspiel fast alleine geniessen.

Dramatisch stürzen die Wassermassen vom Hvítá-Fluss über zwei Stufen in den Gullfossgjúfur-Canyon hinab.

Anders sieht es bei Islands Rütli aus, dem Þingvellir. Schon der Parkplatz ist überfüllt – und erst recht die Spazierwege zu diesem UNESCO-Welterbe. Einer Ameisenstrasse gleich bewegen sich die Touristen auf den Pfaden. Der Ort ist aus zwei Gründen so speziell: Einerseits treffen hier die nordamerikanische und die eurasische Kontinentalplatte aufeinander. Der Park befindet sich genau auf der Grabenbruchzone, die das ganze Land durchzieht. Zweitens ist der Ort bekannt für das Althing, das Parlament Islands vom 10. bis zum 18. Jahrhundert, eine der ältesten Volksversammlungen weltweit. Die Þingvellir-Kirche ist noch vorhanden, ebenso Reste von alten Steinhäusern. Zweifellos ein spannender Ort, der uns aber angesichts der Menschenmassen bald wieder weiterziehen lässt.

Ruhiger geht es dafür bei Laugarvatnshellir zu. Dort wollen wir die Cave People besuchen. Man fährt dazu von der Hauptroute Richtung Geysir ab und holpert über eine Nebenstrasse. Der Guide erzählt uns gruselige und witzige Geschichten über die Menschen, die hier einst in den Höhlenwohnungen hausten.

Eindrücklich: eine Höhlenwohnung bei Laugarvatnshellir.

Nachdem wir unser Gefährt wieder an der Superpower-Station in Geysir aufgeladen haben, geht’s am nächsten Tag auf Nebenstrassen Richtung Süden. Die Secret Lagoon, das älteste Geothermalbad Islands, bei Flúðir ist unser nächstes Ziel. Schliesslich muss man unbedingt einmal in einer der heissen Thermen gebadet haben. Die bekannteste in Island ist die Blue Lagoon in der Nähe des Flughafens Keflavik. Sie ist allerdings ziemlich überlaufen, was man von der Secret Lagoon zum Glück nicht behaupten kann. Obwohl sie schon etwas in die Jahre gekommen ist und eine charmante Patina trägt, lohnt sich ein Besuch.

Den E-Mustang und die Reichweite im Griff

Da wir inzwischen unser Elektrogefährt und seine Reichweite ziemlich gut im Griff haben, können wir auch mal einen spontanen Abstecher abseits der geplanten Hauptroute unternehmen. Hier präsentiert sich das Land der Elfen und Trolle noch eindrücklicher. Mittlerweile ist auch das Wetter nicht mehr so trüb, sodass man die unendliche Weite Islands zu sehen bekommt. Eine wunderbare raue Exotik mit bizarren Gesteinsformationen zwischen den grünen Ebenen.

Das nächste Etappenziel ist Hella. Allerdings gibt es dort keine Ladestationen. So legen wir nochmals 14 Kilometer bis nach Hvolsföllur zurück. Perfekt, dass sich nur wenige Meter daneben das Lava Centre befindet, ein interaktives Museum, das uns die feurige Vulkanwelt der Insel näherbringt. Eindrücklich, wenn unter den Füssen plötzlich ein Erdbeben simuliert wird. Oder wenn man auf die Karte in Jetzt-Zeit sieht, wo gerade ein Vulkan aktiv ist. Von der Dachterrasse aus kann man auch gleich drei von Islands Vulkanen sehen – wenn die Wolken nicht zu tief hängen. Gut haben wir uns etwas im Museum verweilt, denn das Aufladen hat eine Weile gedauert.

Stopp in Dyrhólaey mit Blick auf die Türhügelinsel.

Schliesslich haben wir am nächsten Tag unsere längste Etappe vor uns. Und endlich haben wir auch das richtige Wetter dazu: blauer Himmel und Sonnenschein. Zeitig fahren wir los, denn inzwischen wissen wir, dass an den Hotspots noch andere Islandreisende unterwegs sind. Aber oha, beim Seljalandsfoss reihen sich bereits die Cars und Autos auf. Und ein Bild von diesem tosenden Wasserfall ohne Personen zu knipsen, ist ein Wunschtraum. So gondeln wir schon bald gemächlich weiter der Südküste entlang vorbei an Skogar bis zur Halbinsel Dyrhólaey. «Türhügelinsel» bedeutet dieser südlichste Punkt der Insel auf Isländisch, weil seine markante Form wie ein gigantisches Tor mitten im Meer aussieht. Der Inselberg entstand einst durch vulkanische Aktivität. Daneben ragt das Gestein wie Felsnadeln aus dem Wasser. Oben beim Leuchtturm können wir sogar aus nächster Nähe Papageientaucher beobachten, die in den Felsen hausen.

Es war auf dem Rückweg, als wir bei Vík í Mýrdal in eine Schafherde geraten und unseren Entscheid einen Moment lang bereuten, auf ein vollelektrisches Fahrzeug gesetzt zu haben. Mutig hatten wir nämlich darauf verzichtet, unseren Mustang nochmal an eine Power-Station zu hängen. Stattdessen flanierten wir dem schwarzen Sandstrand entlang. Und dann stellten wir fest, dass die Reichweite gerade wie Gletschereis in der Sonne schwindet. Die Schafe auf der Strasse lassen sich so gar nicht beeindrucken von der Huperei der Fahrzeuge. Das ist der Moment, wo wir auf den Propulsion-Sound-Knopf drücken. Nicht Whisper und nicht Active, sondern Stufe 3: untamed! Und siehe da: Die Schafe bewegen sich doch, wenn man ihnen etwas PS-Lärm entgegensetzt.

Trotzdem machen wir in Skógar noch einen Zwischenhalt und besuchen die Torfhäuser und das Museum. Vor allem auch, weil wir dort ein paar niedliche Elfen-Häuschen entdecken und uns bei ihnen bedanken wollen. Das soll Glück bringen und vor Unheil schützen, hat uns die Hoteldirektorin in Hella lachend erzählt. Kann ja nicht schaden, denken wir uns. Jedenfalls schaffen wir es noch zurück nach Hvolsvöllur zur nächsten Ladestation.

Auch die letzte Etappe am nächsten Tag nach Reykjavik klappt problemlos. Wir wählen nochmals eine alternative Route der Küste entlang und entdecken ein wunderbares Vogelparadies in der Nähe von Eyrarbakki, das Friðland í Flóa. Kurz überlegen wir uns, ob wir an der Küste nochmals unser Auto aufladen sollen. Aber wir ziehen dann doch direkt nach Reykjavik weiter, um unseren Mustang wieder in seinen Stall zu bringen.

Unser Fazit: In Island kann man problemlos mit einem voll elektrischen Auto unterwegs sein – auf jeden Fall um Reykjavik und der Südküste entlang. Auf anderen Routen ist etwas mehr Planung gefragt. Überall waren die Ladestationen betriebsbereit und wir fanden trotz Hochsaison immer einen Platz. Das Erfreuliche: Der Strom war gratis!

Weitere Infos:

Anreise Direktflüge ab Zürich täglich mit IcelandAir, www.icelandair.com

Unterkunft Hotel Geysir, Geysir, www.hotelgeysir.is, Stracta Hotel, Hella, www.stractahotels.is

Arrangement 8-tägige Rundreise im E-Auto bei Kontiki Reisen, ab Fr. 2490 Franken pro Person, www.kontiki.ch

Mehr Infos: www.visitreykjavik.is, www.visiticeland.com