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Der Nationalpark Toskanisches Archipel umfasst ein Meeresgebiet von mehr als 600 Km² zwischen Livorno und der Halbinsel Monte Argentario mit seinen sieben Inseln: Capraia, Elba, Giannutri, Giglio, Gorgona, Montecristo und Pianosa. Elba ist die grösste dieser Inseln (223,5 Km²). Bilder: HO

Das Geheimnis von Elba

Während etwa die Balearen in diesem Sommer vor Touristen überquillen, zeigt sich auf der italienischen Insel Elba kein Massenansturm. Gerade für die Herbstferien ist das Eiland eine gute Alternative zu den Hotspots.

Schon beim Anflug zeigt sich, dass Elba alles hat, was des Touristen Herz begehrt: Zahlreiche Buchten, in denen tiefblaue Wellen mit weissen Schaumkronen auf die Sandstrände schlagen, locken zum Baden oder Wassersport. Berge und Täler mit ausgedehnten Wäldern reizen zum Wandern. Schmucke Dörfer laden zum Bummeln oder Verweilen in den Cafés und Restaurants ein.

Dennoch fehlen auf Elba die Touristenmassen: Wo auf anderen Mittelmeerinseln die Flughäfen mehrere Gates haben, Mittelstreckenmaschinen landen und Cars auf die Reisegruppen warten, steigen in Elba pro Flugzeug maximal rund 30 Menschen aus. Vor dem winzigen Flughafengebäude stehen höchstens ein paar Mietwagen. Die Strasse zum Flughafen ist ein Nebensträsschen.

Elba noch ein Geheimtipp

Im Gegensatz zur anderen bekannten italienischen Inseln wie Sardinien sei Elba sicherlich unbekannter und noch eher ein Geheimtipp, sagt TUI Suisse-Sprecherin Bianca Schmidt auf Anfrage von travelnews.ch. «Besonders beliebt ist die Destination bei Familien mit Kindern.»

Ins selbe Horn stösst der Inhaber von Belpmoos Reisen, Beat Iseli: Elba sei ein Geheimtipp, denn die Insel sei eine Destination im oberen Preissegment, nicht wie Rimini. Die Buchungen würden auf hohem Niveau leicht steigen. «Es ist unglaublich, wie viel Freude die Berner an Elba haben.»

Bei TUI Suisse seien die Buchungen für Elba in den vergangenen Jahren in etwa konstant, sagt Schmidt: Allerdings mache Elba nur einen äusserst kleinen Teil im Programm von TUI Suisse aus.

Ähnlich tönt es bei Hotelplan Suisse: Elba stehe im Vergleich zu anderen Reisezielen in Italien nicht an erster Stelle und werde nur von wenigen Kunden gebucht, sagt Sprecherin Prisca Huguenin-dit-Lenoir. Kuoni und Helvetic Tours führen Elba derzeit nicht im Angebot.

Kleiner Flughafen bremst

Mit ein Grund, dass Elba nicht zur Massendestination avanciert, ist das beschränkte Flugangebot. Auf dem Miniflughafen können keine grossen Maschinen landen. Seit Jahren wird über eine Verlängerung der Start- und Landebahn diskutiert. Die politschen Mühlen mahlen aber auch auf Elba langsam. Aus der Schweiz fliegen die Airlines Skywork von Bern und Zürich sowie Air Glaciers von der Westschweiz auf die toskanische Insel. Von Deutschland aus gibt es gar keinen Direktflug.

Dabei sind die Deutschen und die Schweizer die wichtigste Touristengruppe noch vor den Italienern. An gewissen Orten dürften sie zusammen rund 70 Prozent der Feriengäste ausmachen, erzählt der einheimische Branchenkenner und Campingplatzbesitzer Gabriele Rotellini während einer kürzlicheb Elba-Reise. Offizielle Zahlen gibt es nicht, da es kein zentrales Tourismusbüro gibt.

Massentourismus wäre unmöglich für Elba, sagt Beat Iseli: «Das würde die Infrastruktur nicht verkraften.» Es wäre nicht gut, wenn die Einheimischen unter dem Tourismus leiden würden.

Allerdings würde er eine Pistenverlängerung befürworten, sagt der Besitzer von Belpmoos Reisen. Dann könnte man dort auch mit 50-plätzigen Maschinen wie etwa mit der Saab 2000 landen. Denn im nächsten Jahr wird Skywork die letzten beiden von ursprünglich fünf Flugzeugen Dornier 328 aus Altersgründen ausmustern. Damit ist die Flugroute in Gefahr. «Elba 2018 ist noch offen», sagt ein Skywork-Sprecher.

Iseli sagt dazu: «Wir arbeiten an einem Ersatz. Es wäre schade, wenn wir keinen Direktflug mehr hätten.»

Anreise auf der Strasse

Wegen der wenigen Flugverbindungen kommen die meisten Reisenden mit dem Auto oder dem Camper, um dort ihre schönsten Wochen des Jahres zu verbringen – viele schon seit Jahrzehnten. So auch der Ex-Banker Heinz Wild: Er sei 1988 erstmals nach Elba gereist, weil ein Jugendfreund ihm von der Insel vorgeschwärmt habe. «Damals hat es mir den Ärmel reingezogen», erzählt Wild.

Sicher zehnmal habe er mit Frau und Kindern auf Elba Ferien gemacht und dabei andere Schweizer Familien kennengelernt. Gemeinsam mit seinen Nachbarn auf dem Camping sei er älter geworden. «Wir treffen uns auch in der Schweiz», sagt Wild. Auch seinen Kindern sei die Insel wichtig.

Der ehemalige Banker steht exemplarisch für einen «Elba-Infizierten». Auch andere Schweizer erzählen im Gespräch ähnliches. «Es gibt unglaublich viele Wiederholungstäter», stellt Iseli von Belpmoos Reisen fest.

Napoleons Erbe bröckelt

Zu wenig macht Elba indes nach Ansicht der Touristen aus der Schweiz aus dem berühmtesten Inselbewohner, Napoleon. Den abgesetzten Kaiser der Franzosen hatten Siegermächte Grossbritannien, Österreich, Preussen und Russland 1814 nach Elba verbannt, wo er zehn Monate blieb. Er bewohnte zwei Residenzen, eine hoch oben über der Hauptstadt Portoferraio, die andere einige Kilometer ausserhalb als Sommersitz.

In beiden Villen ist der Grossteil der Möbel Napoleons verloren. Die Stücke wurden durch andere Möbel aus dieser Zeit ersetzt. In der Villa San Martino, der Sommerresidenz, bröckelt vielerorts die Farbe ab. Die Fassade ist renovationsbedürftig. Die einst als Museum für den Ex-Kaiser vorgesehene Galerie Demidoff steht praktisch leer.

Das heutige Napoleon-Museum in Portoferraio ist winzig. Ein Schweizer Besucher sagt, er hätte mehr erwartet: «Es erschliesst sich einem überhaupt nicht, was Napoleon in Elba überhaupt gemacht hat.»

Viele Errungenschaften

Dabei hat die Insel dem Korsen viel zu verdanken. So liess Napoleon Strassen bauen. Als er Elba betrat, gab es ausserhalb der Hauptstadt Portoferraio lediglich zwei ungepflasterte Karrenwege, die nach Procchio und nach Porto Longone (heute: Porto Azzurro) führten.

Zwischen den Dörfern bestand keinerlei Verbindung, abgesehen von kaum begehbaren Maultierpfaden. Napoleon entwarf einen Generalverkehrsplan. Das heutige elbanische Strassennetz beruht immer noch auf dieser Struktur.

Was im Alltag für die Einheimischen mühsam ist, hat für den Touristen seinen Reiz: Die Strassen schlängeln sich um jeden Hügel, um jedes Feld herum. Gerade Strecken sind selten. Die Löcher und Baumwurzelhügelchen im Belag erfordern Konzentration. Entschädigt wird der Reisende dafür mit grossartigen Aussichten auf die grüne Insel und das tiefblaue Meer.

Ebenso bemerkenswert sind Napoleons Leistungen für den Umweltschutz. Er bekämpfte das Abholzen der Wälder durch die Elbaner. Aus Korsika liess er Setzlinge von Kastanien, Eichen und Akazien importieren. Damit wurden die erodierten Berghänge aufgeforstet. Eine grüne Insel wie Irland war Napoleons erklärtes Umweltprogramm. Heute stehen vor allem auf der Nordseite der Insel die Wälder. Ein Grossteil von Elba ist Naturschutzgebiet. Dies verhindert den Bau von Hotelburgen, ist aber für Naturliebhaber, Ruhesuchende und Wanderer ein Segen.

Schwatz an der Quelle

Überdies drohte Napoleon jedem mit schweren Strafen, der Brunnen oder Quellen verschmutzte. Aus der von ihm erschlossenen «Fonte Napoleone» im westlichen Bergland bezog er selbst sein Tafelwasser – der Tourist kann sich noch heute diesen Trunk abzapfen, der heilende Kräfte haben soll. Und nicht nur die Ausländer tun dies, auch die Einheimischen kommen mit dem Auto und füllen ihre Wasserbehälter aus Plastik. Da die Quelle nur rieselt, haben sie im Schatten der Bäume Zeit für einen ausgiebigen Schwatz.

Und in einem weiteren Punkt war Napoleon wegweisend: Schon wenige Tage nach seiner Ankunft führte er ein Abwassersystem mit öffentlichen Latrinen in allen Orten ein. Zudem rekrutierte er Arbeiter zur Müllabfuhr. Wer nun noch Abfall aus den Fernstern warf oder Abwasser auf die Strasse schüttete, musste saftiges Bussgeld zahlen. Heute wird der Abfall aufs Festland gebracht, da die Müllverbrennungsanlage nicht in Betrieb ist. Um die Menge zu reduzieren, wird seit diesem Jahr schrittweise die Mülltrennung eingeführt.

(TN)