Hotellerie

Michael Lidl, geschäftsführender Partner der Treugast Solutions Group, kennt die Herausforderungen der Hotellerie im deutschsprachigen Raum. Bild: TN

«Die Konzentration auf die Stadthotellerie hat in der Schweiz erst begonnen»

Gregor Waser

Michael Lidl von der Unternehmensberatung Treugast äussert sich im Interview über die Unterschiede und Herausforderungen der Hotellerie in Deutschland und der Schweiz.

Herr Lidl, als Unternehmensberatung mit Sitz in München haben Sie guten Einblick in die Entwicklungen in Deutschland. Mit welchen Herausforderungen hat die deutsche Hotellerie derzeit zu kämpfen?

Michael Lidl: Herausforderungen, die sicherlich nicht nur den deutschen Markt betreffen, sondern die Schweiz gleichermassen, sind aktuelle Themen wie der erweiterte Wettbewerb durch Plattformen wie Airbnb oder das Personalmanagement in der Hotellerie und in der Gastronomie. Auch eine starke Marktkonsolidierung beeinflusst den Hotelmarkt zunehmend. Kosteneffiziente Betriebskonzepte, Alleinstellungsmerkmale und passgenaue Stilgruppenansprache sind die Grundlagen, um am Markt nicht nur zu bestehen, sondern sich eine nachhaltige Wirtschaftlichkeit zu sichern.

Wie beurteilen Sie als Experte die Hotellerie in der Schweiz?

Der schweizerische Hotelmarkt ist klassischerweise geprägt von der Ferienhotellerie in der Alpenregion und international bewährt mit der Qualitätsmarke der Grand Hotels. Die Hotellerie profitiert durch das positive Image weltbekannter Feriendestinationen wie beispielsweise St. Moritz oder Davos. In den letzten Jahren hatte vor allem der Wechselkurs des Schweizer Frankens einen grossen Einfluss auf die Wettbewerbsfähigkeit dieser Feriendestinationen im internationalen Vergleich und führte bei den Gästeübernachtungen zu einer rückläufigen Entwicklung. Es zeichnet sich dementsprechend eine Veränderung in der Hotelmarktstruktur ab.

«Der schweizerische Hotelmarkt ist stark von der Auslandsnachfrage abhängig»

Wo orten Sie die grössten Unterschiede beider Länder im Hotelgeschäft?

Ein bedeutender Unterschied liegt sicherlich bei der Anzahl der Buchungen und Übernachtungen, die durch ausländische Gäste generiert werden. Der schweizerische Hotelmarkt ist stark von der Auslandsnachfrage abhängig. Mehr als die Hälfte der Übernachtungen kommen aus dem Ausland, in Deutschland kommen drei Viertel der Übernachtungen aus dem eigenen Land und nur ein Viertel aus dem Ausland. Das heisst wiederum eine andere Dynamik innerhalb des Hotels und anders gewichtete Vertriebsstrukturen.

Sie haben von einem bevorstehenden Strukturwandel am Schweizer Hotelmarkt gesprochen. Was verstehen Sie darunter, wie wird sich das in den nächsten Jahren bemerkbar machen?

In Deutschland konzentrierte sich bereits in den letzten Jahren das Angebots- und Nachfragewachstum im Hotelmarkt zu circa zwei Drittel auf die sogenannten Big 7 Standorte (Berlin, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Köln, München, Stuttgart). Zukünftig werden die B- und C-Standort in Deutschland zudem weiter an Bedeutung und Aufmerksamkeit gewinnen, sodass die Stadthotellerie insgesamt auch kurz- und mittelfristig das absolute Zentrum für Hotelentwicklungen in Deutschland darstellen wird. Der Schweizer Hotelmarkt war, ist und wird in Zukunft zwar deutlich weniger dynamisch als im deutschen Nachbarland bleiben. Die überproportionalen Steigerungsraten des Bettenangebots sowie der Übernachtungszahlen in den Schweizer Grossstädten bei gleichzeitig stagnierenden bis rückläufigen Zahlen der Schweizer Ferienhotellerie wird die Schweizer Hotelmarktstruktur jedoch nachhaltig verändern. Während die Ferienhotellerie in Deutschland bereits langsam wieder in den Fokus von Investoren und Betreibern rückt, hat in der Schweiz die Konzentration auf die Stadthotellerie erst so richtig begonnen. Während aktuell die Bergregionen mit circa 15 Mio. Übernachtungen die Städte Basel, Bern, Genf, Lausanne und Zürich mit zusammen nur ca. 10 Mio. Übernachtungen klar dominieren, erwarten wir bereits in zehn Jahren eine Verteilung der Übernachtungsvolumina auf Augenhöhe. Treiber dieser Entwicklung wird eine Konsolidierung des Marktes sein. Kapazitätsstarke Markenhotels werden zunehmen den Markt erobern und kleinbetriebliche Privathotelbetreiber werden gezwungen mit Innovationskraft und Profilschärfe ihre Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit aufrecht zu erhalten.