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Passagiere von und nach Grossbritannien und insbesondere London können derzeit kaum mit einem verlässlichen Flugplan rechnen. Bild: AdobeStock

London-Heathrow verlangt von Airlines eine temporäre Ticketverkaufs-Einstellung

Um Herr der Lage im Flughafenchaos zu werden, will London-Heathrow während einem Monat eine Kapazitätsobergrenze einführen und verlangt von Airlines, weniger Tickets zu verkaufen - was London-Gatwick bereits getan hat. Die Unsicherheit der Passagiere dürfte damit nicht abnehmen.

Dass Grossbritannien einer der am heftigsten vom Flugchaos betroffenen Märkte ist, weiss man seit längerem. Doch inzwischen nimmt das Ganze immer extremere Ausmasse an.

In einem öffentlichen Brief an die Passagiere erklärt John Holland-Kaye, der CEO des Heathrow Airport (also des verkehrsreichsten Londoner Flughafens), dass das Serviceniveau am Flughafen zuletzt nicht mehr dem gewünschten Standard entsprochen habe, nachdem man «vierzig Jahre Wachstum innert wenigen Monaten verzeichnete» - so zu verstehen, dass Heathrow wegen der Pandemie bei den Passagierzahlen um vierzig Jahre zurückgeworfen wurde, doch nun innert kürzester Zeit die Nachfrage wieder massiv angestiegen ist. Die Rede ist von über 100'000 Passagieren an jeweils mehreren Tagen.

Heathrow selber werde Ende Juli wieder so viele Mitarbeitende haben wie vor der Pandemie, doch müsse man neuen Arbeitskräften Einarbeitungszeit gewährleisten. Zudem sei im Bereich Groundhandling der Personalmangel aktuell immer noch ein grosses Problem. Flugverspätungen im ganzen Netzwerk, Personalmangel und der Backlog bei vielen Problemzonen schaffen ein Umfeld, in welchem geregelter Flugbetrieb kaum noch möglich ist. Nachdem eine Bitte bei Airlines um freiwillige Reduktion der Kapazitäten - gepaart mit einer «Slot-Amnestie», d.h. dem Erhalt der Slots trotz zu tiefer Nutzung derselben - unterschiedlich und unter dem Strich ungenügend ausfiel, kündigt der Flughafen-CEO nun eine vom 12. Juli bis 11. September geltende maximale Passagierobergrenze an.

Wie das gehen soll? Die Airlines sollen weniger Tickets verkaufen. Holland-Kaye erklärt, dass 100'000 Passagiere pro Tag das maximal Mögliche sind; da aktuell die Zahl der täglichen Abflüge im Sommer bei durchschnittlich 104'000 liegen wird, von den 4000 Überschuss-Sitzen aber nur etwa 1500 im Schnitt an Fluggäste verkauft sind, sollen die Partnerfluggesellschaften den Verkauf von Sommertickets einstellen, «um die Auswirkungen auf die Fluggäste zu begrenzen».

Weitere Einschnitte gewünscht, aber fraglich

Ob sich die Airlines an diese Bitte halten werden, steht auf einem anderen Blatt. Gerade die britischen Fluggesellschaften haben bereits deutliche Kapazitätseinschnitte vorgenommen. Die nachfolgenden Daten des Portals «OAG» zeigen die geplante Kapazität zu Beginn der Sommersaison Ende März, die Anpassungen in der ersten Juniwoche und dann die neuesten Zahlen, die am vergangenn Wochenende veröffentlicht wurden. Mehr als 10% der Kapazitäten wurden von diesen Fluggesellschaften gekürzt, wobei British Airways die Liste mit einer Kapazitätskürzung von fast jedem fünften Flug in ihrem Kurzstreckennetz anführt. Die Auswirkungen auf die Einnahmen müssen - gerade während der Sommer-Hochsaison - enorm sein, weshalb weitere freiwillige Einschnitte kaum in Frage kommen dürften.

Kritik am Vorgehen Heathrows gibt es auch von Seiten der IATA, deren Generaldirektor, der Ire Willie Walsh, erklärte, dass es absurd sei, dass ein Flughafen von Airlines einen Ticketverkaufsstopp einfordere. Dieser Meinung werden wohl nicht nur Airlines, sondern auch Reiseanbieter und Reisebüros sein - zumal weitere Einschnitte bei diesen wiederum zu extrem viel Mehrarbeit führen würden.

Eigentlich wollte Heathrow Unsicherheit abbauen, daher die Ankündigung einer (gewünschten) Obergrenze. Ein Schritt, den der südliche Londoner Flughafen Gatwick bereits identisch vollzogen hat. Dies deckt sich auch mit Bitten des britischen Transportministers Grant Shapps, der von Airlines verlangte, keine Flüge zu verkaufen, welche sie nicht garantiert «bemannen» können. Da die derzeitige durchschnittliche Tageskapazität bei etwa 122'187 (Zahlen von OAG) liegt, müssen die Fluggesellschaften insgesamt mit einer Verringerung der Sitzplatzkapazität um mehr als 20 Prozent rechnen, was über die Kürzungen hinausgeht, zu denen die britische Regierung die Fluggesellschaften zuvor aufgefordert hatte. Der Teufel wird im Detail liegen, wie das umgesetzt werden kann, und von wem.

Doch verkauft wird vorerst weiter. Unsicherheit ist immer noch da, weil nun die Passagiere erst recht fürchten, dass gebuchte Flüge kurzfristig annulliert werden könnten. Konsumentenschützer verlangen genaue Angaben dazu, welche Flüge im Sommer (noch) gestrichen werden. Ob die Flughäfen und die Airlines sich hierzu so schnell einig werden können, darf bezweifelt werden. Vorerst wird die Reise nach London weiterhin ein Vabanquespiel sein.

(JCR)