Destinationen
Schlägt jetzt die Stunde der Fernstrecken?
Fast vier Monate lang - vom 6. Juli bis zum 29. Oktober - war die vom Bundesamt für Gesundheit (BAG) etwa im zweiwöchigen Rhythmus publizierte «Liste der Staaten und Gebiete mit erhöhtem Ansteckungsrisiko» eine wahre Geissel der Reisebranche. Vor dem Hintergrund, dass man verhindern wollte, dass Schweizer in Risikogebiete reisen und somit möglicherweise das Coronavirus in die Schweiz reimportieren, wurden ganze Länder/Regionen mit Quarantänepflichten belegt. Das brachte die Nachfrage selbstredend zum Erliegen.
Besonders hart traf es Fernstrecken. Viele davon waren ohnehin nicht zu bereisen, viele andere wurden dagegen mit einer Quarantänepflicht belegt. Gekoppelt mit einer generellen Angst vor Ansteckungen auf der Flugreise bedeutete dies eine kaum noch vorhandene Nachfrage für Fernreisen, zumal Ende Oktober nur noch eine Handvoll Länder überhaupt hindernisfrei bereist werden konnten. Jetzt, da die Schweiz selber astronomisch hohe Infektionszahlen aufweist und Europa der neue Corona-Hotspot ist, was in diversen europäischen Ländern abermals zu partiellen Lockdowns und Reiseverboten geführt hat, wurde die «Risikoländerliste» neu definiert und umfasst aktuell nur noch vier Länder und drei französische Regionen. Dies auch vor dem Hintergrund, dass das BAG inzwischen eingestanden hat, dass die Liste seit langem kaum Wirkung zeigte.
Und so sind in den vergangenen Tagen und Wochen plötzlich Fernreiseziele wieder in den Fokus gerückt. Zunächst waren es solche wie Tansania, wo die Grenzen gar nie geschlossen waren, dann folgten weitere afrikanische Länder, allen voran die Seychellen, welche eine Spezialbewilligung für Schweizer implementierte, inzwischen öffnet sich auch Lateinamerika nach und nach, etwa Costa Rica, Kolumbien und weitere (für die gesamte aktuelle Liste wie üblich hier nachsehen). Da für viele dieser Länder nun auch die Quarantänepflicht entfällt, sind sie plötzlich wieder als Reiseziele denk- und somit buchbar.
Die Werbekommunikation läuft an
Travelnews hatte zwar argumentiert, dass die Quasi-Einstellung der Quarantäneliste nicht sofort einen Reiseboom auslösen würde, zumal die Lage weiterhin volatil bleibt. Dafür ist die «2. Welle» zu präsent, die Zahlenentwicklung weiterhin zu unbeständig und darüber hinaus müssen zuerst einmal Airlines und Reiseunternehmungen ihre Angebote wieder hochfahren. Aber das hindert die Reisebranche natürlich nicht daran, die grundsätzlich positive Message zu verkünden und bereits mittels Kommunikationsmassnahmen für Reisen zu werben und damit zu versuchen, etwas vom Wintergeschäft noch zu retten. Dieses fand ohnehin nie gross in Europa statt, sondern - abgesehen von Kanaren und Ägypten sowie den Nordländern - weitgehend in Langstreckenzielen. War es jemals verführerischer als jetzt, diesem verkorksten Jahr einen versöhnlichen Abschluss unter Palmen zu geben, fernab der mit Sorgen und Nöten gespickten Pandemie?
Edelweiss hat bereits ein Medienpublikation veröffentlicht. Die Rede ist von einer «deutlich grösseren Nachfrage» seit Wegfall der Quarantänepflicht (vor gerade mal fünf Tagen), und zwar für die Dominikanische Republik, Cancún (Mexiko), die Seychellen, die Malediven, Kapstadt (Südafrika) und die Kanarischen Inseln. Edelweiss prüfe derzeit, das Angebot weiter auszubauen. Im Fokus stehen Costa Rica, der Oman sowie Frequenzerhöhungen in die Dominikanische Republik und auf die Kanarischen Inseln. «Sobald die Einreiserestriktionen auf Mauritius, Kuba, Sri Lanka und Thailand gelockert werden, werden auch diese Ferienziele wieder angeflogen», schreibt die Airline weiter.
Auch die Grossveranstalter haben sogleich die Marketing-Anstrengungen reaktiviert. «Nah oder weit», so die Devise, also im übersetzten Sinn «Schweiz oder Fernziele». Hotelplan Suisse etwa setzt bei den neusten Top-Angeboten auf Schweizer Ziele, daneben noch aufs Rote Meer oder Fernstreckenziele wie Cancun oder Sansibar. DER Touristik Suisse operiert im Sales Newsflash ähnlich und setzt vor allem Ziele in der Schweiz oder aber weit weg - Mexiko, Tansania, Seychellen - in den Vordergrund.
Aber auch ITS Coop Travel hat sich gemeldet und «mit grosser Genugtuung» die Entscheidung des Bundesrates, die Liste der quarantänepflichtigen Länder auf einige wenige Regionen in Europa zu reduzieren, zur Kenntnis genommen. Geschäftsführer Andi Restle weist darauf hin, dass eine Ferienreise ins Ausland momentan keine grössere Corona-Ansteckungsgefahr birgt als ein Aufenthalt in der Schweiz und fügt an: «Gerade jetzt, wenn die Temperaturen in der Schweiz sinken, kann man sich in Ländern mit sommerlichem Klima draussen aufhalten und die Grundregel des Abstandhaltens problemlos einhalten, was das Risiko einer Ansteckung zusätzlich minimiert.» Aus diesem Grund seien für die nächsten Monate das Rote Meer in Ägypten, die Malediven oder Punta Cana in der Dominikanischen Republik ideale Reiseziele.
Die Ferne lockt
Wird es also doch noch zum Fernstreckenboom kommen im Winter? Für eine Umfrage dazu ist es aktuell noch etwas zu früh. Und von einem Boom wird in diesem Jahr kaum jemand sprechen wollen. Es zeigt sich aber, dass doch einige nun «einfach weg» wollen und man inzwischen nicht mehr nur mit dem Auto nach Deutschland oder Italien fahren kann, sondern auch wieder Flugreisen zu exotischen Zielen durchaus möglich - und sicher - sind. Die Reisebranche hat mancherorts das Nötige getan, um sichere Ferien zu ermöglichen, und wir haben hier bereits argumentiert, dass es keinen Grund gibt, «Reisescham» zu fühlen - vorausgesetzt, man nimmt die notwendigen Hygienemassnahmen weiterhin ernst.
Also warum nicht an die Wärme Mexikos oder der Malediven entschwinden und die Misere hier mal hinter sich lassen?