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Mallorca ist so gefragt wie nie. Aber es gibt noch ruhige Strände, sogar in der Hochsaison

Gregor Waser

Rekord im letzten Jahr mit 11 Millionen Touristen. Und im ersten Halbjahr 2015 bereits wieder ein Plus von 4,2 Prozent. Die ganze Insel im Griff der Touristen? Nein, Idylle findet man weiterhin.

Die Schlange am Hertz-Schalter ist lang und unbeweglich. Heiss ist es in der Ankunftshalle im Aero puerto de Son San Juan, das Gerangel um Gepäckstücke und Mietwagen-Schlüssel ist gross. Zugegeben: im Juli nach Mallorca zu reisen, verspricht wenig Idylle. 2014 war schon ein Rekordjahr, in diesem Jahr liegen die Einreisezahlen erneut im Plus.

Im Mietwagen peilen wir die vermeintlich ruhigste Inselecke im Nord osten an, machen einen grossen Bogen um Mallorcas Südküste, wo zwischen Palma und El Arenal die Strandtücher und Ellbogen einander berühren. Rondell um Rondell und Rafael Nadals Heimatstadt Manacor hinter uns, erreichen wir Artà, wo wir in den nächsten Tagen stets wieder auftauchen, um Nachschub für den Ferienhaus-Kühlschrank zu beschaffen.

Nur vereinzelte Touristen sind im Gewirr der Gassen auszumachen, und den Einheimischen ist es am frühen Nachmittag wohl zu heiss. Artà ist die Antithese zu den wuseligen Touristenhochburgen. Das Highlight ist die Bergfestung, die schon von weitem zu erkennen ist – die Kirche Sant Salvador mit der trutzigen Zitadelle aus arabischer Zeit. Der Wochenmarkt am Dienstag und die vielen Bars gefallen ebenso.

Türkis schimmerndes Wasser

Zehn Kilometer nördlich von Artà liegen zwei – für Balearen-Verhältnisse – nahezu menschenleere Strände. Vorbei an Mandelbäumen über einen Hügelzug im Parque Natural de Llevant windet sich das seit wenigen Jahren geteerte Strässchen zu den beiden Buchten hinunter, der letzte Kilometer über eine holprige Naturstrasse. Ein Dutzend Autos quetschen sich in den Schatten der Zypressen. In ein paar Schritten ist man am Strand – an der schönen Cala Torta. 150 Meter breit ist der Strand, flach abfallend, türkis schimmerndes Wasser, und an der Seite thront eine Felswand, die Schatten spendet. Der Abstand von Strandtuch zu Strandtuch ist gross. Zu empfehlen ist die Strandbar, wo man bei einem Fischplättli (nicht ganz billig!) sonnengeschützt die idyllische Bucht geniessen kann, oder eine Erkundung auf die Hügel rund um den Strand.

Nach dem Ausflug anderntags zum Leuchtturm von Cala Ratjada, dem östlichsten Punkt Mallorcas, und einem Glace-Stopp im Touristenstädtchen wagen wir uns in eine andere Welt: ins Getümmel des Touristenstrandes Cala Agullo – für eine halbe Stunde. Vom Dichtestress scheinen nämlich nur wir befallen, die meisten Touristen räkeln sich ungestört weniger als einen Meter neben dem eingeölten Nachbarn.

Der nächste Stopp an der Cala Mesquida ist schon gemütlicher. Die Leute liegen hier weniger dicht an dicht. Der Sandstrand wird von einer Dünenlandschaft begrenzt und ist Teil eines Naturschutzgebietes.

Weitere Strandperlen

Vorbei an Artà, zurück in die heimischen Gefilde, besuchen wir die Nachbarsbucht der Cala Torta, die Cala Mitjana. Kaum was los hier, und das Wasser ist ein Traum. Draussen hat ein Segelschiff geankert. Ein pfeilschneller Kormoran hat einen Fischschwarm geortet und bald etwas Zappelndes im Schnabel. Nur zehn Kilometer vom überfüllten Strand Agullo entfernt, liegt hier das Paradies.

Mallorcas Küstenabschnitt zwischen Cala Ratjada und Alcudia wartet mit weiteren Strandperlen und vom Massentourismus weitgehend verschonten Stränden auf. Etwa in Colonia de Sant Pere lässt sich ungestört an der Strandpromenade eine Paella essen und den Kindern beim Planschen zuschauen. Ungestörte Stunden verspricht auch der Kiesstrand S’Illot auf der Halbinsel Victoria bei Alcudia.

Die schönsten idyllischen Strände auf den Nordosten zu reduzieren, wäre einigen Gegenden aber unrecht getan. An der Westküste lockt etwa die Cala Tuent, ein Kiesstrand mit glasklarem Wasser, umgeben von einer beeindruckenden Landschaft – zwischen Sóller und Kloster Lluc gelegen. Und eine der schönsten Felsbuchten im Südwesten ist die Cala Llamp. Die Wasserfarbe grenzt an Kitsch, das romantische Abendrot ebenso.