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Gewisse Mythen über Flugreisen halten sich hartnäckig und sorgen hie und da für Unwohlsein. Bild: Gerrie van der Walt

Populäre Irrtümer rund um die Flugreise

Christian Haas

Bedeutet ein Flugzeugabsturz unweigerlich den Tod der Passagiere? Schmeckt Tomatensaft im Flieger anders als auf dem Boden? Wir räumen auf mit elf Mythen, die teils seit Generationen kursieren. Soviel vorab: Ein paar wenige stimmen sogar!

Unter Urban Legends versteht man gemeinhin Geschichten und Aussagen, die zwar einen falschen Inhalt haben, aber trotzdem lange Zeit, manchmal gar über Jahrzehnte, im Umlauf sind. Dass Einstein ein schlechter Schüler in Mathematik gewesen sein soll, ist längst widerlegt, wird aber immer noch tausendfach weitererzählt. Ebenso der Irrtum, nach dem grossen Stromausfall 1965 in New York sei die Geburtenrate (kicher, kicher) angeblich nach oben geschnellt oder die Annahme, dass Sansibar einst gegen Helgoland getauscht wurde. Auch bezüglich Flugthemen halten sich hartnäckig manche Gerüchte.

Zwei Piloten, zwei unterschiedliche Gerichte?

Das gilt etwa für die weit verbreitete Meinung, dass Pilot und Co-Pilot nicht das gleiche Gericht essen dürfen. Klar: um zu vermeiden, dass bei Verderblichkeit (oder einer Vergiftung) niemand mehr das Flugzeug sicher landen könne. Doch dieser Mythos ist schlicht falsch. Richtig ist hingegen, dass die beiden lediglich nicht zur selben Zeit essen dürfen, sondern hintereinander. Während also der eine seine Mahlzeit einnimmt, muss der Kollege Instrumente und Armaturen überwachen. Danach wird gewechselt. Für den Fall, dass es einem der Piloten nach der Mahlzeit tatsächlich nicht gut gehen sollte, wird im Übrigen sofort gelandet, um keine unnötigen Risiken einzugehen. Und auch wenn es ebenfalls oft kolportiert wird: Nein, es existieren auch keine besonderen Speisepläne für Piloten – sie haben dieselbe Auswahl wie die (Business- oder First-Class-)Passagiere.

Der Mensch – ein panisches Wesen?

Apropos Panik. Die Vorstellung, die Passagiere würden bei einem Flugzeugabsturz in absolute Panik verfallen, wild herumschreien, alles logische Denken abschalten und nur noch unkontrolliert handeln, fällt ebenfalls in die Kategorie Mythos. Die Erfahrungen zeigen: Das genaue Gegenteil ist meist der Fall. Ein gutes Beispiel lieferte 2009 der US-Airways-Flug 1549, dessen spektakuläre Notwasserung im Hudson River von New York City weltweit für Aufsehen sorgte. Nach der Erfahrung von Ben Sherwood, einer der Insassen, die das hochgefährliche Manöver live miterlebte, waren die Menschen trotz der panikwürdigen Situation eher gefasst. «Die Leute hatten zwar Angst», so Sherwood, «aber sie waren sehr ruhig und haben auf Anweisungen gewartet. Einige haben das Kommando übernommen, die Übrigen sortiert und jeder kam schliesslich heil aus dem Flugzeug.»

Die Mär vom offenen Notausstieg

Auch wenn eine solche Aktion in manchen Katastrophen-Spielfilmen (vor allem in den 70er-Jahren) als spannungssteigerndes Element gerne Verwendung findet und so noch heute den einen oder anderen Passagier ängstigt: Nein, während des Fluges kann die Notausgangstür nicht geöffnet werden, weder «aus Versehen» noch mutwillig. Die Tür ist nämlich so konstruiert, dass sie sich zuerst nach innen und erst danach nach aussen öffnet.

Aufgrund des Luftdrucks kann die Notfalltür während des Fluges nicht geöffnet werden. Bild: Ramses Cabello

Allerdings verhindert der Luftdruck innerhalb und ausserhalb der Kabine die Öffnung der Tür nach innen. Tatsächlich schliesst sie sich umso fester, je höher das Flugzeug steigt. Erst wenn das Flugzeug sicher gelandet ist, wird diese Sicherung entriegelt. Die Panik vor plötzlichem Zug über den Wolken braucht also keiner zu haben.

Bedeutet jeder Absturz wirklich den Tod?

Damit ist gleich das nächste Vorurteil widerlegt, nämlich dass jeder Absturz für alle Insassen tödlich enden muss. Das ist purer Unsinn, laut einer Untersuchung des staatlichen US-Bundesamtes für Transportsicherheit überleben bei Unfällen in der Luft sogar mehr als 95 Prozent der Passagiere. Auf diese Zahl kamen die Wissenschaftler, nachdem sie die Zwischenfälle der vergangenen 20 Jahre analysierten. Zusammen mit der Tatsache, dass Fliegen von allen Verkehrsmitteln ohnehin das sicherste ist, errechneten sie die Wahrscheinlichkeit, den nächsten Flug nicht zu überleben. Diese liegt bei 1 zu 29 Millionen. Statistisch gesehen könnte man so die nächsten 80'000 Jahre jeden Tag problemlos fliegen und dabei zum Beispiel jede Menge Tomatensaft geniessen.

Schmeckt Tomatensaft über den Wolken wirklich anders?

Apropos Tomatensaft. Hier stimmt ausnahmsweise einmal jene Vermutung, die seit Jahrzehnten kursiert. Nämlich: Dass Tomatensaft in der Luft anders schmeckt als am Boden und deshalb gerade im Flugzeug literweise geordert wird. Warum das so ist, erklärt das Fraunhofer-Institut: «Durch den niedrigen Druck im Flugzeug ist die Geruchs- und Geschmacksschwelle erhöht. Das heisst, fruchtige Gerüche und kühlende Geschmackseindrücke treten in den Vordergrund.» So wird der sonst eher fade Tomatensaft im Flieger zum kulinarischen Erlebnis. Eine andere Erklärung des Phänomens könnte sein: Da auf vielen unserer Flüge nur kleine Snacks serviert werden, ist Tomatensaft deshalb beliebt, weil er nahrhaft und ein Sattmacher ist.

Ein Schnaps im Flieger entspricht dreien am Boden

Deutlich höherprozentige Getränke werden freilich auch reichlich geordert – gerade bei Nacht- und/oder Fernflügen. Nicht wenige wollen mit der Einnahme von Alkohol ihre Flugangst bändigen. Dabei kursiert in bestimmten Kreisen die Formel: Ein Drink im Flieger hat die gleiche Wirkung wie drei identische Getränke am Boden. Auch wenn es sein kann, dass sich Passagiere im Flugzeug schneller betrunken fühlen, da aufgrund der Flughöhe und des Kabinendrucks weniger Sauerstoff das Gehirn erreicht: Die Gleichung ist definitiv masslos übertrieben. Schliesslich ist für das Ausmass des Rausches immer noch der Blutalkoholspiegel verantwortlich, und dieser wird nicht durch Höhenunterschiede beeinflusst.

Sorgen angeschaltete Handys wirklich für gravierende Störungen?

Nun aber wieder ein Mythos, mit dem es aufzuräumen gilt. Es geht um den Irrglauben, dass Mobiltelefone gravierende Auswirkungen auf die Navigationssysteme im Cockpit haben können. Dabei gibt es bislang keine glaubhaften Beweise dafür, dass sie die Funktionsweise tatsächlich beeinträchtigen. Fakt ist, dass Flugzeuge gegen fremde Funksignale besonders isoliert sind.

Handys können durchaus unerwünschte Auswirkungen haben. Bild: Adobe Stock

Vielmehr geht es bei dem Verbot um die Kopfhörer der Piloten. Auf denen ertönt bei fehlendem Flugmodus das Geräusch, das wir manchmal in Lautsprechern hören können, wenn ein Smartphone zu nah an den Geräten liegt. Das kann dazu führen, dass wichtige Funksprüche nicht verstanden oder überhört werden.

Im Flugzeug gibt es keine Reihe 13

Und noch eine Legende, die – zumindest teilweise – stimmt. Es geht um die Sache mit dem Aberglaube. Bei einigen Fluglinien wird wirklich darauf eingegangenen. So fehlt beispielsweise in den Maschinen der Lufthansa die 13. Sitzreihe. Die gab es in den Lufthansa-Fliegern noch nie, was dem grossen Einfluss der Amerikaner zu den Anfangszeiten der grössten deutschen Airline zuzuschreiben ist. Und das wiederum liegt wohl daran, dass die Amerikaner selbst sehr abergläubisch sind, Stichwort: kein 13. Stockwerk. Bei der Lufthansa – und das gilt indessen auch für die Swiss – trägt die 13. Reihe deshalb die Nummer 14. Bei anderen Fluglinien gilt gleiches auch für die 17, weil diese Zahl in Italien und Brasilien als Unglückszahl gilt.

Sind Tickets unabhängig vom Wochentag gleich teuer?

Dass die Ticketpreise für ein und denselben Flug ordentlich schwanken können, weiss jeder, der sich schon mal selbst um die Organisation gekümmert hat. Die meisten vermuten, es liege halt an der jeweiligen Auslastung des Fluges. Sprich: Sind bis kurz vor Start nur wenige Plätze gebucht, wird’s billiger. Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit, denn es lassen sich durchaus übergeordnete Tendenzen beim Ticketpreis feststellen. So existieren gravierende Unterscheide, an welchem Wochentag man bucht beziehungsweise an welchem Wochentag der Flug stattfindet. Das weltweit aktive Unternehmen Expedia gab in einer Studie von 2023 bekannt, dass man den Abflug am besten auf einen Freitag legt, dann liegen die Preise bis zu 17 (!) Prozent unter dem Durchschnitt. Zurück ist es aus allen Regionen montags besonders preiswert. Richtig gebucht wird am besten nachmittags oder abends – und vor allem: sonntags. Dann ist die Nachfrage von Geschäftsreisenden geringer, und für Urlauber hübschen die Airlines ihre Preise schon mal etwas auf. Ausserdem können Buchungen am Mittwoch oder Donnerstag im Vergleich zu buchungsintensiven Tagen wie vor allem dem Montag oder Dienstag günstiger ausfallen.

Werden Toiletten tatsächlich über den Wolken entleert?

Vermutlich haben ältere Semester noch den Umstand vor Augen, dass Zugtoiletten früher auf offenere Bahnstrecke per Klappenöffnung entleert wurden – und folgern ähnliches für den Flugverkehr. Doch an dieser unappetitlichen Behauptung ist rein gar nichts dran. Die Toiletten in Flugzeugen funktionieren mittels eines Vakuums, das alles in einen im Flugzeug integrierten Tank saugt, der nach jedem Flug am Airport leergepumpt wird. Was tatsächlich in die Luft gelangt, ist das Wasser aus den Waschbecken. Es wird sehr fein zerstäubt, sodass es zu keiner Eisklumpen-Bildung kommen kann, die Menschen auf dem Boden gefährden könnten.

Der Mythos um den legendären Mile High Club

Vereinzelte Passagiere haben vielleicht gar kein Darmentleerungsbedürfnis, wenn sie die Flugzeugtoilette aufzusuchen. Sondern ein sexuelles. Womit wir beim Mile-High-Club wären. Hier wird man angeblich erst dann Mitglied, wenn man an Bord eines im Flug befindlichen Luftfahrtzeuges Sex mit einem Partner hatte (der dann freilich auch Mitglied des MHC wird). Idealerweise sollte bei diesem Abenteuer die Flughöhe über dem Boden mindestens eine nautische Meile, also 1852 Meter, betragen. Daher auch der Name Mile High Club. Die Vorstellung, Sex über den Wolken zu haben, beflügelt seit Generationen die Phantasie. Und die Existenz eines «Clubs der Auserwählten» erst recht.

Fakt ist: Einen derartigen Club gibt es nicht. Hat es nie gegeben. Weder besteht ein Clubhaus, noch ein Vorstand, noch eine Website. Alles Fiktion und testosteron- bzw. östrogengeschwängertes Herumgepose. Im Übrigen ist bei der Lufthansa und Swiss kein einziger Fall dokumentiert, wo es zu (Beschwerden über) sexuelle(n) Handlungen über den Wolken kam. Was freilich nicht bedeutet, dass nicht doch hin und wieder ein Quickie auf der (unkommoden) Bordtoilette stattfindet. Das wird sicher passieren – aber eben sehr sehr selten und nicht in Verbindung mit einer MHC-Mitgliedschaft. Viel höher dürfte indessen die Sexquote bei kleineren (Privat-)Flugzeugen ausfallen. Einige Firmen bieten sogar Flüge in speziell eingerichteten Maschinen an, die nicht nur mehr Diskretion und weniger Störer versprechen, sondern dank grosszügiger Liegeflächen auch mehr akrobatische Entfaltungsmöglichkeiten.