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Die Menschen im Tari-Tal leben heute noch wie vor Jahrhunderten ihre Kultur hat sich seit Generationen nicht verändert. Bilder: knecht reisen

Papua-Neuguinea zwischen Ozean und Hochland

Lukas Scheid

Bei spannenden Tierbeobachtungen und Ausflügen in die unberührte Natur vergessen Reisende schlagartig die Hektik des Alltags. Die ist vielen Einheimischen ohnehin fremd: Die Stämme in Papua-Neuguineas Bergregionen haben sich ihre Kultur fernab der modernen Welt bewahrt.

Geduldig schwebt der Manta über dem Riff, kaum einmal muss er seinen Kurs mit einem eleganten Flügelschlag korrigieren. Wie auf Kommando rückt ein Trupp kleinerer Fische vom Grund des Meeres an. Ohne zu zögern stürzen sich die fleissigen Helfer auf den weissen Bauch des Riesen, nicht in feindlicher Absicht, sondern um ihn von lästigen Parasiten zu befreien. Ihr Lohn: eine leicht verdiente Gratismahlzeit. Von dieser «Putzstation» vor der Insel Gonu Bara Bara profitieren beide Parteien.

In Papua-Neuguinea stehen die Chancen für Taucher und Schnorchler nirgends besser, die majestätischen Mantas in freier Wildbahn zu erleben, als am südlichen Ende der chinesischen Meerenge in der Provinz Milne Bay. Vulkanische Aktivitäten haben die atemberaubende Unterwasserwelt mit ihren dramatischen Abhängen geformt, Korallenbänke die gleichnamige Bucht farbenfroh geschmückt.

An der Küste Papua-Neuguineas trauen Schnorchler und Taucher ihren Augen nicht.

Unser Lager schlagen wir im Nuli Sapi Resort auf Logea Island auf. Bei gerade einmal vier Unterkünften muss man hier wahrlich keine Touristenmassen befürchten. Wer einen der auf Holzstelzen aufs Wasser hinaus gebauten Bungalows bezieht, möchte schlicht die Ruhe in dieser wundervollen Umgebung geniessen. Und das, ohne seinen ökologischen Fussabdruck zu vergrössern: Beim Bau der Hütten setzte man auf natürliche Materialien, der Strom wird mittels Solarzellen erzeugt. Als es Nacht wird, beobachten wir von der Veranda aus den klaren Sternenhimmel.

Weiter führt uns unser Weg mit dem Boot nach Tawali. Die Anlage war zunächst als reines Tauchresort angelegt, doch was sich an Land abspielt, steht den Abenteuern unter Wasser in nichts nach. Ein Guide begleitet uns hinein in den Regenwald. Für Vogelfreunde ist es das Paradies, doch um die wirklich seltenen Exemplare in der Dichten Wand aus Blättern zu entdecken, erfordert es oftmals ein gutes Auge. Begleitet von den Melodien aus unzähligen Vogelkehlen erreichen wir unser Ziel. Inmitten der üppigen Vegetation lädt ein Wasserfall ein zu einem erfrischenden Bad.

Paddeln durch den Regenwald

Nachdem die Wanderung überwiegend unsere Waden und Oberschenkel strapaziert hat, sind in den kommenden zwei Tagen vor allem Rücken, Bauch und Oberarme gefragt. Mit dem Kajak paddeln wir über den Dawadawa-Fluss. Von Süden aus windet er sich durch den Regenwald und mündet letztlich in die Milne-Bucht. Sobald man die Bäume hinter sich gelassen hat, schaut man auf malerische Inseln, kleine Dörfer und Mangroven, die auf ihrem Geflecht aus Wurzeln über der Wasseroberfläche thronen.

Wir dagegen befinden uns bald wieder unterhalb der Wasseroberfläche. Um das Walindi-Resort auf der Insel Neubritannien herum liegen einige herausragende Tauchspots in der Kimbe Bay. Während wir einem Schwarm bunter Fische hinterherschauen, tut sich unter uns plötzlich ein schwarzes Loch auf – das Cockpit eines alten Kampfflugzeugs aus dem Zweiten Weltkrieg. Jahrzehntelang hat der Ozean beharrlich versucht, den Eindringling zu erobern. Tatsächlich ist die von Korallen besetzte Silhouette des Bombers nicht ganz leicht vom sandigen Untergrund zu unterscheiden. Der Propeller aber ragt als rot-braunes Signal nach oben und verrät den genauen Standort der Mitsubishi-Maschine.

Von den Tiefen des Meeres geht es für uns weiter ins Hochland, der Heimat einer Vielzahl von Stämmen. Die können durchaus ihre Differenzen haben – bei einem Sing Sing jedoch werden alle Unstimmigkeiten zumindest vorübergehend beigelegt. Dann nämlich kommen Vertreter der verschiedenen Stämme zusammen, um ihre Kultur mit Musik und Tanz zu feiern.

Im Tari-Tal wie vor Jahrhunderten

Im Fall der Huli hat sich die Kultur seit Generationen nicht verändert, die Menschen im Tari-Tal leben heute noch wie vor Jahrhunderten. Zu verschiedenen Anlässen tragen die Dorfbewohner aufwendig gestaltete Perücken aus Echthaar und Vogelfedern. Zusammen mit der leuchtenden Gesichtsbemalung und dem auffälligen Nasenschmuck geben sie teilweise einen ehrfurchtgebietenden Anblick ab, doch die Huli sind äusserst gastfreundlich. Gut, dass sie uns zu einer Übernachtung einladen: Ihre wichtigste Währung, Schweine, tragen wir nämlich nicht bei uns. Und auch eine Braut werden wir hier wohl nicht finden. Der Brautpreis wird ebenfalls in Borstentieren gezahlt.

Zu verschiedenen Anlässen tragen die Juli aufwendig gestaltete Perücken aus Echthaar und Vogelfedern.

Als der Morgen anbricht, setzen wir unsere Reise zum Mount Hagen fort. Die nur teilweise asphaltierte Strasse trägt die irreführende Bezeichnung «Highway». Kratergrosse Schlaglöcher fungieren dort als eine Art natürliche Geschwindigkeitsbegrenzung. Als stumme Zeugen warnen verunfallte Fahrzeuge am Strassenrand davor, zu sehr aufs Gas zu drücken. Wir schaffen es ohne Zwischenfälle bis nach Hagen und zur Mount Hagen Cultural Show. Diese Zusammenkunft ist der kulturelle Höhepunkt des Landes, ein überwältigendes Sing Sing, bei der fast 80 Gruppen unterschiedlicher Stämme auftreten und den Austausch untereinander pflegen.

Doch die Highlands sind nicht nur etwas für Kulturinteressierte, sondern besonders für Outdoor-Sportler auf mehrtägigen Trekking-Ausflüge. Erfahrene Wanderer zieht es auf den mehr als 4500 Meter hohen Mount Wilhelm. Wir begnügen uns mit dem Mount Giluwe, immerhin dem höchsten Vulkan des australasiatischen Kontinents. Schon der Weg zu seinem Fuss durch Orchideen und Rhododendren verzückt Naturfreunde. Der Aufstieg über felsige und teilweise recht steile Passagen verlangt uns dann einiges ab, doch auf seinem Gipfel erwartet uns ein fantastisches Panorama. Wolken jagen über unsere Köpfe dahin und zeichnen Linien aus Licht in die karge Landschaft. Irgendwie stehen die sich ständig ändernden Muster sinnbildlich für meine Reise durch den Inselstaat, in dem sich an jeder Ecke ein neuer und überraschender Anblick auftut.