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Hereinspaziert und hereingerobbt ins erste Kapselhotel der Schweiz in Luzern. Treppe im Ufo-Style inkl. Bild: Daniel Marti

So funktioniert das erste Schweizer Kapselhotel

Andreas Güntert

Wie sich das Capsule Hotel Lucerne anfühlt und für wen sich die enge Schlafstätte eignet.

In der Regel bedeutet es nichts Gutes, wenn sich ein Mensch in eine Röhre legt. Freiwillig macht das in unseren Breitengraden kaum einer. Weil es bedeutet: Kein WLAN und keine Lüftung in der Röhre. Sich in ein Rohr legen heisst eben meist: Man ist irgendwie krank. Ein Arzt will und ein Apparat soll erkunden, welches körperinterne Problem den Menschen aktuell plagt.

In Asien, vor allem in Japan, ist das anders. Dort legen sich Menschen auch mal freiwillig in eine Röhre. In eine Hotelröhre. Böse Zungen nennen das «Sarg-Hotel». Im Slang der Hotelwelt spricht man lieber von einem Kapselhotel mit einer ganz eigenen Formel: Viel Schlaf auf wenig Platz zum guten Preis.

Ins notorische Hochpreisend Schweiz würde so ein Kapselhotel eigentlich ganz gut passen, haben sich ein paar clevere Köpfe gedacht. Und brachten in Luzern das erste Schweizer Kapselhotel zur Welt. Eine Idee, die sich für hiesige Verhältnisse rekordverdächtig schnell realisieren liess: in weniger als neun Monaten.

Mehr als eine Mütze Schlaf

Eine solche Premiere konnte ich mir natürlich nicht entgehen lassen. Ich war Ende Oktober sur place, als das spassig-spacige Röhrenhotel einer kleinen Runde präsentiert wurde.

Und ich robbte in eine Röhre hinein. Geschlafen habe ich darin zwar nicht, denn das Hotelbaby wurde erst ein paar Tage später offiziell eröffnet. Was ich aber schon einmal sagen kann: Die Röhre fühlt sich gut an. Viel besser jedenfalls als ein Spital-Exemplar, das ich früher im Jahr selber testen musste.

Beim reinen Probeliegen in Luzern hatte ich das Gefühl, genügend Platz zu haben. Und dies auf gerade einmal zwei Quadratmetern.

Deep Research: Hier guckt der Internaut aus der Röhre. Aus der Schlaf-Röhre. Bild: Daniel Marti

Bei einer solchen Premiere stellen sich natürlich einige Fragen. Wir wollen der Sache hier einmal auf den Grund gehen. Zumal beim Luzerner Kapselhotel noch etwas mehr geboten wird als nur eine Mütze Schlaf.

Sieht das Kapselhotel von aussen wie ein Hotel aus?

Schau Dir dieses Bild an und urteile selber.

Kein Page, kein Concierge, kein roter Teppich: Eingang zum Kapselhotel in Luzern. Bild: der Internaut

Ich würde sagen: Sieht eher nicht wie ein Hotel aus. Keine Rezeption im Parterre, nix da mit rotem Teppich, schicker Drehtüre, Liftboy oder einem Concierge. Von aussen sieht das erste Kapselhotel der Schweiz wie ein Bürogebäude aus. Und das ist auch gut so.

Warum soll das gut sein?

Von aussen mag es den Anschein machen, das Kapselhotel sei weniger als ein Hotel. In Tat und Wahrheit ist es aber mehr als ein Hotel. Oder zumindest möchte dies das erste Schweizer Kapselhotel sein: Ein Treffpunkt für sogenannte «digitale Nomaden». Damen und Herren also, die ohne fixen Arbeitsplatz auf unserem Planeten unterwegs sind und ihre Ideen überall verfolgen können.

Weil sich dieses Volk am wohlsten unter Gleichgesinnten fühlt, schlägt es sein Bürozelt gerne dort auf, wo es schon andere digitale Nomaden hat. Und die hat es es im Kapselhotel-Haus am Luzerner Hirschengraben. In einem sogenannten «Coworking-Space» arbeiten Leute aus den verschiedensten Fachgebieten zusammen und befruchten sich mit Ideen.

Um nach der Arbeit nicht in irgend ein Hotel dislozieren zu müssen, übernachten die digitale Nomadin und der digitale Nomade gern gleich im selben Haus, wo sie auch arbeiten.

Muss man beweisen, dass man ein digitaler Nomade ist?

Muss man nicht. Tatsächlich zieht das erste Kapselhotel der Schweiz auch Leute an, die festen Wohnsitz und Arbeitsplatz haben.

Eine erste Begutachtung des Buchungsstandes ergibt: Ein Drittel Asiaten, zwei Drittel neugierige Schweizer. Gut so. Neugier ist eine der wichtigsten Triebfedern, um diesen Planeten auf ein besseres Level zu bringen.

Sind das alles Einzelröhren?

Ja, das ist so. Die Realität wird zeigen, ob sich nicht doch auch mal zwei Menschen in eine Röhre quetschen. Ich stelle es mir horizontal wie vertikal eher herausfordernd vor.

Von wem erhalte ich meinen Röhrenschlüssel?

Ja, da ist keine Rezeption und kein Room-Service. Wer im Luzerner Kapselhotel bucht, bestreitet Check-in und Check-out komplett automatisch. Gegen Bezahlung erhält man einen Code, und dieser berechtigt dann zum Röhrenzugang. So einfach ist das.

Wie viele Röhren sind es überhaupt?

19.

Und was kostet der Spass?

Pro Nacht und Röhre zwischen 35 und 60 Franken. Man unterscheidet zwischen einfacheren Röhren («Relax»), die mit High-Speed-Internet, Safe, Spiegel, USB-Anschluss und Belüftungssystem daherkommen. Die 20 bis 30 Franken teurere «Premium»-Variante ist raumhoch begehbar und bietet auch einen Bildschirm. Für Röhren-Novizen, wie ich einer bin, ist wohl die «Premium»-Variante als Einstieg geeigneter.

Wird Frühstück in der Röhre serviert?

Nein. Das Röhrenhotel bietet keinen Meal-Deal an. Wobei: Ein schönes Omelett, per Rohrpost direkt in die Röhre geschickt, das hätte schon was. Und würde gut zum Weltall-Ambiente passen. Oder zu analog gedacht? Egall, ich sag das denen mal.

Aber wo soll ich denn frühstücken, wenn ich aus der Röhre komme?

Wer aus der Röhre kommt (übrigens auf einem futuristischen Treppchen, das mich ein wenig an einen Ufo-Einstieg erinnert), wird sich erst mal frisch machen wollen. Das geht in den sanitären Gemeinschaftsanlagen vonstatten.

Zum Frühstück wird man in der Regel in die Bäckerei eilen, die sich gleich gegenüber des Röhrenhotels befindet. Digitale Nomaden werden aber vielleicht nach dem Aufstehen einen Stock tiefer gehen und dort im Coworking-Space mit ihrer Arbeit beginnen. Und weil sie so gute Ideen haben, spendiert ein Coworking-Kollege möglicherweise einen Kaffee in der Gemeinschaftsküche. Eventuell ist auch noch ein Gipfeli – ein Croissant – vorhanden.

Soll ich da hin?

Möchte ich einen viertägigen City-Trip in der Röhre verbringen? Eher nicht. Aber für eine oder zwei Nächte im Kapselhotel schlafen und dabei Anschluss finden an eine multi-kreative Truppe im gleichen Haus – ja, das könnte ich mir vorstellen.