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Bitter: Die grösste rumänische Fluggesellschaft Blue Air ist bis auf Weiteres gegroundet. Bild: zVg

Airline-Grounding in Rumänien

Urs Huebscher

Nachdem ihre Konten blockiert wurden, kann die grösste rumänische Fluggesellschaft Blue Air ihren Betrieb nicht mehr finanzieren. Blue Air stellt alle Flüge ein. Rund 3000 Bürger sitzen im Ausland fest.

«Verlängern Sie Ihren Sommer: 25 Prozent Rabatt auf alle Flüge!» Noch vor ein paar Tagen warb Blue Air so um Fluggäste. Die Fluggesellschaft versuchte mit der Aktion wohl möglichst schnell viel Geld in ihre Kassen zu spülen. Denn sie hat hohe Schulden. Dies gipfelte diese Woche darin, dass das Umweltministerium alle Konten von Blue Air einfrieren liess. Die Fluggesellschaft schuldet dem nationalen Umweltfonds 2,28 Millionen Lei oder umgerechnet 470'000 Euro für die Abgabe von Treibhausgas-Zertifikaten. Die Airline befindet sich schon seit langem in einem Gläubigerschutzverfahren, weshalb der Entscheid im Einklang mit dem Gesetz erfolgt ist.

Riesige Verluste

Die Fluggesellschaft war 2004 gegründet worden und steuerte zuletzt mit 17 Boeing 737 insgesamt 75 Ziele in 21 Ländern an, darunter München, Stuttgart, Hamburg und Düsseldorf. Am Dienstag gab die Gesellschaft bekannt, alle Flüge bis auf weiteres einzustellen. Man sei nicht mehr in der Lage, die laufenden Kosten für den Betrieb aufzubringen. Das Grounding gilt vorerst bis zum 12. September.

Blue Air befindet sich in einer schwierigen finanziellen Situation, nachdem das Unternehmen 2020 mit Verlusten von mehr als 403 Millionen Lei (82 Mio. Euro) und einer um fast 30 % auf 806 gesunkenen Mitarbeiterzahl abgeschlossen hat. Im August 2020 genehmigte die Europäische Kommission eine Kreditgarantie von bis zu etwa 62 Millionen Euro (etwa 301 Millionen Lei) zugunsten von Blue Air, um das Unternehmen für Verluste aufgrund der Coronavirus-Pandemie zu entschädigen und der Fluggesellschaft dringende Liquiditätsunterstützung zu leisten. Kürzlich wurde das Unternehmen weiter vom rumänischen Verbraucherschutz mit einer Geldstrafe von 2 Millionen Euro belegt, weil der Betreiber zwischen dem 30.04.2021 und dem 30.04.2022 fast 200'000 Reservierungen stornierte. Blue Air wirft der Verbraucherschutzbehörde vor, dass diese Strafe zur Zerstörung des Vertrauens der Passagiere in Blue Air geführt und Verluste von mehr als 5 Millionen Euro durch die Reduzierung des Ticketverkaufsvolumens verursacht hätten.

Weiter habe diese öffentliche Strafe zu einem erhöhten Druck von Schlüssellieferanten geführt. Die für den täglichen Betrieb erforderlichen Beträge musste man im Voraus bezahlen und Gespräche in London zwischen den Aktionären von Blue Air und zwei großen Investmentfirmen, die daran interessiert waren, Aktionäre von Blue Air zu werden, wurden blockiert.

Blue Air hat aber auch erhebliche Schulden gegenüber dem Flughafen Bukarest (Bucharest National Airport Company). Diese hätten sich in den letzten Jahren angesammelt und seien signifikant, so ein Flughafensprecher.

Rückführungsflüge durch Tarom

Die rumänische Regierung gab bekannt, dass Rückführungsflüge für rumänische Staatsbürger organisiert werden, die von der Aussetzung von Blue Air-Flügen betroffen sind. Der vom rumänischen Ministerpräsidenten einberufene Krisenstab ordnete als vorrangige Massnahme an, rumänische Staatsbürger, die sich auf Flughäfen ausserhalb der Grenzen aufhalten, zurück ins Land zu bringen.

Flugzeuge der staatlichen TAROM werden darauf vorbereitet, die notwendigen Rückführungs-Flüge durchzuführen um die ca. 3000 im Ausland festsitzenden Staatsbürger zurück ins Land zu holen. Die rumänische Regierung hat dafür 5 Millionen Lei an Tarom überwiesen, um die im Ausland gestrandeten Bürger nach Hause zu bringen. Die Regierung will gegen Blue Air vorgehen, um den Geldbetrag, aber auch die anderen Rückstände einzufordern.

Auch Ryanair hat hat bereits spezielle «Rescue Fares» publiziert.

Blue Air zum Dritten wird kommen

Das Interessante an der ganzen Geschichte ist, dass Blue Air kürzlich die Unterzeichnung einer Codeshare-Vereinbarung mit der im Juli neu gegründeten Air Connect bekannt gab. Im Grunde gewährt Blue Air einer neu gegründeten Fluggesellschaft (dahinter steckt ein ehemaliger Direktor von Blue Air, sowie ein Aktionär der während der kommunistischen Zeit Leiter der Aussenbüros der staatlichen Tarom war) das Recht, ihre Strecken zu nutzen. Basierend auf der abgeschlossenen Absichtserklärung werden die beiden Fluggesellschaften ab dem 12. September 2022 eine erweiterte Codeshare-Partnerschaft mit dem Ziel starten, die Kosten zu optimieren, die Konnektivität zu verbessern und ihre Kräfte zu bündeln, um zusätzliche Synergien auf dem europäischen Regionalmarkt ab Bukarest zu erkunden. Im Rahmen der Vereinbarung wird Blue Air den Betrieb ausgewählter Inlands- und Auslandsdienste in der EU an Air Connect übertragen.

Es wird sich zeigen, was am kommenden Montag 12. September passieren wird. Oder ist das einfach der Marktaustritt von Blue Air?

Die Konten von Blue Air wurden jedenfalls heute am 8. September 2022 entsperrt und die Schulden sollen in Raten bezahlt werden. Blue Air hat seit Jahren Schulden angehäuft und nichts unternommen. Seit Monaten wusste Blue Air, dass sie Zahlungsrückstände und Pfändungsrisiken auf ihren Konten hat und tat nichts dagegen. Blue Air stellte den Antrag auf Stundung erst nach dem Beginn des Grounding Skandals.

In der offiziellen Pressemitteilung von Blue Air werden die staatlichen Institutionen für das Grounding verantwortlich gemacht. Der gute Wille des Unternehmens Blue Air wird sich jetzt zeigen. Die Konten sind entsperrt, was nach der von Blue Air angewandten Logik bedeutet, dass die Flüge wieder aufgenommen werden müssten. Wenn die Flüge nicht wieder aufgenommen werden, bedeutet dies, dass alles vorsätzlich war. Wenn sie die seit Juni ausstehenden Gehälter der Angestellten nicht bezahlen, bedeutet das, dass ein riesiges Chaos herrscht.

Wenn Blue Air das Geld nicht an die Kunden rückerstattet, die bereits ihre Tickets bezahlt haben (zwischen dem 6. und 11. September waren 401 Flüge geplant und rund 54'161 Passagiere sind betroffen) bedeutet dies, dass alles ein Betrug war. Was zum Teufel hat Blue Air mit 62 Millionen Euro als Geschenk vom Staat und mit vielen anderen zig Millionen "Vorauszahlungen" der Kunden gemacht?! Einige Quellen innerhalb des Unternehmens Blue Air sagen, dass noch etwas anderes vorbereitet wird, die Versetzung von Mitarbeitern (insbesondere der Piloten) zu einem anderen Unternehmen. Die übrigens vor ca. 10 Tagen kaum 300 Euro auf ihren Konten erhalten haben, was einen Teil der ausstehenden Gehälter vom Juni betrifft. Ich bin überzeugt, dass der Zirkus weitergehen wird. Und ich denke, dass nur die Staatsanwälte überprüfen können, was wirklich in dieser Firma und dem Blue Air 3-Versuch mit Air Connect vor sich geht.