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Namche Bazaar, Ausgangspunkt für zahlreiche Trekking-Routen ins Everest-Gebiet, wurde beim Beben leicht beschädigt.

Touristen sind die beste Hilfe für Nepal

Samuel Schumacher

Das Erdbeben vom 25. April hat Nepal erschüttert und viele Touristen verängstigt. Ist Nepal vor Beginn der Hauptsaison ein sicheres Reiseziel? Ja, sagen Experten und Reiseveranstalter übereinstimmend. Nepal braucht ausländische Touristen — jetzt mehr denn je.

Tourismusminister Kripasur Sherpa strahlte über das ganze Gesicht, als er am 23. August verkünden konnte, dass die nepalesischen Behörden ab sofort wieder Kletter-Permits für den Mount Everest vergeben würden. Das Erdbeben vom 25. April 2015, das in Nepal mehrere tausend Tote forderte und ganze Dörfer zerstörte, hatte den Tourismus in weiten Teilen Nepals vorübergehend lahm gelegt. „Mit der Ausstellung des ersten Everest Kletter-Permits nach dem Beben wollen wir ein positives Signal in die Welt senden. Wir hoffen, es werde Touristen ermutigen, wieder nach Nepal zu kommen“, sagte Sherpa dem indischen TV-Sender NDTV.

Rund 800‘000 ausländische Besucher verzeichnete der Himalaya-Staat 2014 während der Hochsaison im Oktober und November. Knapp die Hälfte der Touristen kamen, um in der einzigartigen Bergwelt Nepals zu trekken. Die nepalesische Regierung befürchtet, dass das Erdbeben im April viele Touristen verunsichert haben könnte und rechnete für die Hochsaison 2015 anfänglich mit einem Einbruch der Besucherzahlen von bis zu 40 Prozent. Ein Blick in die Buchungsstatistik aber zeigt: Die Flüge der 29 Airlines, die Nepal anfliegen, waren Anfang September zu rund 80 Prozent gebucht. Einzig der indische Markt stockt.

Everest und Annapurna sicher — Langtang und Manaslu gesperrt

Die Verunsicherung nach dem Erdbeben im April ist verständlich. Einen wirklichen Grund, Nepal in der Hochsaison 2015 zu meiden, gibt es allerdings nicht. Verschiedene Tour-Operator, NGOs und Regierungsstellen berichten übereinstimmend, dass die beliebten Trekking-Routen in den Gebieten Annapurna, Everest, Khumbu, Dolpo, Mustang und Pokhara weitestgehend unbeschädigt sind und praktisch ohne Einschränkungen begangen werden können. Viele der touristischen Sights in der Hauptstadt Kathmandu (Patan Durbar Square, Pashupatinath, Stupa in Bodnath) stehen und sind für Touristen zugänglich. Die Tempelanlagen Swayambunath, Kathmandu Durbar Square und Bakthapur Durbar Square werden derzeit wieder aufgebaut und sollten noch diesen Herbst wieder besucht werden können. Einzig die Trekking-Regionen Langtang und Manaslu wurden während des Erdbebens stark verwüstet. Diese Regionen sind für Touristen in dieser Saison nicht zugänglich. Die von Travelnews angefragten Reiseveranstalter haben ihre geplanten Touren in Langtang und Manaslu vorübergehend aus dem Programm gestrichen.

Die Message, die nepalesische Tour-Operator und Schweizer Reiseveranstalter in den Wochen vor Saisonbeginn verkünden, ist eindeutig: Nepal braucht die Touristen, jetzt mehr denn je! Rund eine halbe Million Nepalesen verdienen ihren Lebensunterhalt in der Tourismusbranche. „Wer jetzt nach Nepal reist, unterstützt uns nicht nur finanziell, sondern auch moralisch“, betont Rabindra Maharjan, Gründer des in Kathmandu ansässigen Reiseunternehmens Experience Outdoors Nepal. „Das Geld, das durch den Tourismus ins Land fliesst, ist eine grosse Hilfe bei den Wiederaufbaubemühungen der lokalen Bevölkerung. We need trade, not aid“, sagt Maharjan gegenüber Travelnews. Auch Arjun Limbu von der nepalesischen NGO „KEEP — Kathmandu Environmental Education Project“, die sich für einen nachhaltigen Tourismus im Land einsetzt, erklärt: „Der direkteste und nachhaltigste Weg, Nepal zu helfen, ist, hierherzukommen und den lokalen Tourismus zu unterstützen. Nepal ist sicher. Die Nepalesen empfangen Touristen nach dem Beben mit offenen Armen.“

„Wiederaufbautour“ von Schaffhauser Reiseveranstalter

Auch die Schweizer Nepal-Spezialisten hoffen darauf, dass sich Reisende von den Erdbeben-Schlagzeilen nicht verängstigen lassen. Globetrotter Tours-CEO Ruedi Bless: „Wir glauben nach wie vor an das Reiseland Nepal: eine der besten, schönsten und interessantesten Trekkingdestinationen weltweit.“ Gerade jetzt sei es wichtig, dass Touristen Nepal besuchten. „Der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige Nepals. Mit einer Reise nach Nepal leisten Touristen einen wertvollen Beitrag.“ Auch Thomas Zwahlen von Himalaya Tours im bündnerischen Parpan ermutigt seine Kunden, Nepal zu bereisen. „Für Nepalesen ist es mehr wert, das Geld selber verdienen zu können, als es in Form von Spenden zu erhalten. Hier kann der Tourismus sicherlich helfen.“ Zwahlen hat Nepal nach dem Beben besucht und seine Eindrücke aus den vom Beben betroffenen Gebieten in einem Blog festgehalten.

Auch Hanspeter Kaufmann von Kaufmann Trekking in Brunnen hat in einem Blog über seine Eindrücke aus dem Erdbebengebiet berichtet. Kaufmann, der beim Erdbeben zwei ehemalige Träger verloren hat, hofft darauf, dass der nepalesische Tourismus schnell wieder auf die Beine kommt. „Für viele Nepalesen, die auf den Tourismus angewiesen sind, dürften die wegbleibenden Touristen die Situation noch schlimmer machen.“ Ein spezielles Projekt, um dem Tourismus in Nepal unter die Arme zu greifen, hat sich Khamal Bhatta, Geschäftsführer der Schaffhauser Himalaya Trekking GmbH, ausgedacht. „Wir haben eine ‚Wiederaufbautour‘ in unser Angebot aufgenommen. Touristen können dabei lokalen Arbeitern beim Aufbau von Schulhäusern helfen und sie so nicht nur moralisch, sondern konkret und handfest bei der Bewältigung der Krise unterstützen.“

Angespannte politische Lage im Terai — Tourismus nicht betroffen

Der Anfang Juli präsentiere Entwurf für eine neue Staatsverfassung hat im ganzen Land für politische Unruhen gesorgt. Die bisher grössten Proteste gab es in der Hauptstadt Kathmandu und im Gebiet Terai im Süden des Landes, wo im August bei gewaltsamen Ausschreitungen neun Menschen getötet wurden. Das EDA ermahnt Touristen in diesen Gebieten zu besonderer Vorsicht. Im Terai, wo die beiden beliebten Dschungel-Nationalparks Chitwan und Bardia liegen, wurden Generalstreiks („bandhs“) und Ausgangssperren durchgesetzt, die bis mindestens zum 18. September dauern. Trotzdem: Touristische Institutionen sind von den politischen Unruhen nicht betroffen, wie mehrere Reiseveranstalter und Hotelbetreiber im Terai bestätigen. „Alle Resorts sind offen, für Touristen besteht im Terai keine Gefahr. Busse dürfen überall passieren, wir freuen uns auf Besucher“, versichert Ranjit Subba vom Island Jungle Resort im Chitwan Nationalpark gegenüber Travelnews.