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An den Flughäfen wird es im Sommer möglicherweise eng. Verpasste Flüge infolge langer Schlangen werden aber nicht erstattet. Bild: AdobeStock

Gute Frage Habe ich wegen langer Schlangen Anspruch auf Entschädigung?

Jean-Claude Raemy

Das Chaos an Flughäfen und im Luftverkehr sorgt für Kopfzerbrechen. Was, wenn wegen zu langer Warteschlangen am Airport ein Flug bzw. Anschlussflug verpasst wird? Wir haben hierzu mit Franco Muff, dem Ombudsman der Schweizer Reisebranche, gesprochen.

Nach der kurzfristigen Streichung von Sommerflügen durch die Swiss wie auch jetzt von Lufthansa - 900 Flüge werden im Juli gestrichen - sowie weiteren Hiobsbotschaften wie Streiks bei SAS (4000 Flüge zwischen Juni und August werden vorsorglich gestrichen) und gigantischem Chaos an grossen Flughäfen wie Amsterdam oder London-Heathrow, steigt die Sorge vor einem Sommerferien-Chaos auch an Schweizer Flughäfen (Travelnews berichtete). Das führt inzwischen bei manchen zur Frage, ob denn ein wegen ultralanger Warteschlangen bei der Security oder beim Check-in verpasster Flug bzw. Anschlussflug erstattungsfähig ist. Travelnews hat hierzu bei Franco Muff, dem Ombudsman der Schweizer Reisebranche, nachgefragt.


Franco Muff

Herr Muff, besteht bei einem infolge langer Schlangen verpassten (Anschluss-) Flug besteht in der Regel kein Anrecht auf Erstattung des Reisepreises.  Sehen Sie das auch so?

In der Tat ist es so, dass ich als Reisender von der Airline nichts erwarten kann, wenn ich in der Warteschlange beim Check-in oder jener der Sicherheitskontrolle hängen geblieben bin und zu spät am Gate erscheine. Das läuft unter «Eigenverantwortung». Überdies wäre es nicht immer möglich, als Reisender Beweise vorzubringen. Es gibt zudem immer wieder Leute, die beim Shoppen hängen bleiben... In der heutigen Zeit, in welcher viele Leute die Möglichkeit haben, vorher elektronisch einzuchecken, wird es für den «Otto Normalverbraucher» gelegentlich problematischer, wenn er am Check-in Schalter seine Bordingkarte abholen will oder allenfalls noch gar nicht eingecheckt hat.

Diese Entwicklung ist nicht begrüssenswert, Reisende, welche sich nicht dauernd mit den neuen Medien beschäftigen wollen oder können, haben ab und zu das Nachsehen. Für die Airlines ist es einerseits schön, wenn sie die Verantwortung vollends an die Passagiere abgeben können. Andererseits müsste es aber ebenso deren Interesses sein, dass genügend Schalter geöffnet sind und Reisende nicht mit unnötig langen Kolonnen genervt werden.

Ich selbst als Konsument staune bei meinen Reisen oft, dass ich trotz Check-in vor Ankunft am Flughafen letztlich doch viel Zeit benötige für den gesamten Abfertigungsprozess vor Ort. Die Konsequenzen dieser Situation sind also klar: Besser früh gehen und leider zu viel Zeit am Flughafen verbringen, dafür aber den Flug erwischen.

Hat die Ombudsstelle bezüglich Entschädigung wegen langer Schlangen schon Anfragen erhalten?

Wir haben ganz wenige solche Fälle erhalten, die konnten aber nie zum Vorteil der Antragsteller gelöst werden.

Gibt es Passagiere, die versuchen, statt bei Airlines vielleicht beim Flughafen eine Erstattung zu erhalten?

Es gibt dann und wann einen Fall, in welchem Mitarbeitende am Check-in einen falschen Entscheid treffen und Reisende nicht abfliegen lassen - Bestimmungen falsch interpretiert, schlecht informiert oder schlicht falsches Handeln. Dann geht es aber nicht darum, dass die Leute zu spät am Gate erscheinen, werden Sie doch gar nicht erst eingecheckt.

Ich habe in meinen vielen Dienstjahren ganz wenige Fälle erlebt, in welchen ich beispielsweise eine Dnata oder Swissport so weit bringen konnte, einen offensichtlichen Fehler einzugestehen und die Kunden zu entschädigen. Wenn man diese Dienstleister kontaktiert, rennt man zuerst gegen eine Mauer und muss dann allenfalls noch den Hammer hervornehmen, dass man sich des Problems annimmt.

Wie stehen die Reiseversicherungen zu dem Thema?

Es ist mir kein Fall bekannt, in welchem eine Versicherung in erwähnten Beispielfall in Leistung getreten wäre.


Fazit

Lange Schlangen am Flughafen sind kein Grund für eine Erstattung, solange die Fluggesellschaft ihre Dienstleistung wie angekündigt erbringt. Da bei Verpassen des Flugs aus «eigenem Verschulden» kaum Aussicht auf Schadensersatz besteht, gilt als genereller Rat, frühzeitig am Flughafen einzutreffen. Das ist die einzige und beste Versicherung für Flugreisende. Manche Airlines raten auf die Sommerferienperiode hin, je nach Flug sogar 3-4 Stunden vor Abflug am Airport zu sein - wenn man etwa noch durch Passkontrollen oder zu weit entfernten Gates muss.

Nicht vergessen: Viele Länder haben weiterhin auch Covid-Auflagen, was die Airlines dazu zwingt, die Reisedokumente genau zu überprüfen. Das nimmt Zeit in Anspruch. Zeit, welche gewonnen wird, indem möglichst alle sauber vorbereitet am Flughafen sind und die nötigen Dokumente bereithalten.

Im Fall von Anschlussflügen gibt es eine «Minimum Connecting Time» (MCT), welche dem Passagier zur Verfügung stehen muss. Die Zeitspanne für die MCT wird unter Berücksichtigung von Variablen wie dem Flughafenlayout, den Sicherheitsvorkehrungen und der Frage, ob die Verbindung zwischen internationalen und nationalen Flügen erfolgt, von der Airline gewählt. Hier gilt: Wenn die MCT von Airline-Seite respektiert wird, dann sind Sie selber dafür verantwortlich, dass Sie Ihren Anschlussflug rechtzeitig erreichen. Wenn Sie ihn verpassen, haben Sie keinen Anspruch auf eine Entschädigung.