Trips & Travellers
Wander-Safari statt Game Drive in Namibia
Christian HaasMüsste man Namibia eine Farbwelt zuordnen, wäre es vermutlich ein Mix aus dunklem Gelb, Orange und hellem Rot, versetzt mit gelegentlichem Grün. Diese Kombi herrscht jedenfalls in der Kalahari vor und somit fast im gesamten (Süd-)Osten des Landes. Eigentlich beginnt die ebenso karge wie faszinierende Dornstrauch- und Trockensavanne gleich hinter Windhoek und ermöglicht so den am einzigen international bedeutenden Flughafen des Landes ankommenden Gästen in Nullkommanichts ein Namibia-Gefühl.
Morgens gelandet, nachmittags mit einem Drink auf der Lodgeterrasse? Kein Problem. Das Beste: der Blick auf die mal dichtere, mal lockerere Buschlandschaft und vor allem deren tierische Bewohner. Da tummeln sich in den zahlreichen (oft privaten) Schutzgebieten Impalas, Oryx- und andere Antilopen, Zebras, Strausse, Springböcke und viele, viele mehr.
So weit, so bekannt. Doch ein paar Lodges bieten seit einigen Jahren ein Extra, das insbesondere all jene Reisende zu schätzen wissen, die Abwechslung zu langem Sitzen in Flugzeugen und Autos suchen: das Angebot, nicht nur zwischen den einzelnen Hütten und dem Restaurant wahlweise Spa hin- und herzuwandeln, sondern länger in der Natur. Und das auf ausgeschilderten Wanderwegen, oder besser: wanderbaren Wegen. Möglich macht das der Umstand, dass die meist mehrere tausend Hektar grossen Areale umzäunt sind und gefährliche Raubtiere wie Leoparden, Löwen und andere nicht rein- und andererseits beeindruckende, aber harmlose Grosssäugetiere wie Giraffen, Oryx, Zebras nicht raus können.
Das macht so eine Tour zu Fuss ja auch so interessant! So bietet etwa die «Kalahari Red Dunes Lodge» bei Kalkrand südlich von Windhoek Wanderungen mit Begleitung an. Dann geht es auf den sogenannten Trans-Kalahari-Walk. Auch wenn der Name Extremeres vermuten lässt, handelt es sich hierbei um eine durchaus komfortable 1,5-Tage-Wanderung durch das 4500-Hektar-Gelände, dessen Grenzen aber zu keinem Zeitpunkt erahnbar sein werden.
Kleine Wunder in der Savanne
Für die Besprechung unserer rund 13 Kilometer umfassenden Tour treffen wir am Vorabend den namibischen Guide Etosha («Nein, mit dem berühmten Nationalpark im Norden des Landes habe ich nichts zu tun!») und ein weiteres Paar, das mitkommt. Richtig los geht es tags drauf – Sonnencreme ist aufgetragen, das später zum Minicamp gebrachte Übernachtungsgepäck übergeben – um halb sieben Uhr morgen, erst über Wege, auf denen sonst die Game-Drives-Jeeps der Lodge fahren, dann kleine Pfade, später querfeldein. Überraschenderweise sinken wir auch dort nicht allzu oft im sandigen Boden ein, was womöglich auch daran liegt, dass in der Nacht – endlich – etwas Regen fiel.
Das freut Etosha, der sich rasch als Allrounder entpuppt: Er erzählt, lacht, mimt Tiergeräusche, reicht ununterbrochen Wasser, klärt auf. Was wir von ihm über das Leben der Tiere und San in der Kalahari alles erfahren! Und es gibt ja auch ohne Unterlass etwas zu sehen. Hier Spuren von Tausendfüsslern, dort ein Skelettschädel einer Antilope, etwas weiter die Losung eines Elands.
Frühstück in den Dünen
Etosha weiss zudem, wie er seine Gäste überraschen kann. Etwa indem er kein Wort verrät über den gedeckten Tisch, der nach etwa zwei Stunden Wanderung plötzlich hinter einer Dünenbiegung auftaucht. Mehr noch: Im Schatten einer Minihütte ist ein Büfett aufgebaut, bei dem wir – es müssen nur rasch die Frischhaltefolien weg – zugreifen können: Brot, Käse, geschnittenes Obst, alles da. Dazu serviert Etosha Kaffee und brutzelt Speck und Rühreier auf einem Gasherd.
Alles weit weg vom Lodgebetrieb mitten in den Dünen, mitten im Unendlichkeitsgefühl. Gestärkt geht es weiter, vorbei an Schirmakazien mit bis zu vier Meter breiten Webervogelnestern, die aussehen wie XXL-Naturkunst. «In einem Nest wohnen an die 200 Vögel, eine riesige und sehr soziale WG, bei der sich alle um die Nachbarn kümmern», so Etosha.
Wie das? «In dem sich die Vögel warnen, wenn sich etwa eine Kobra oder Giftnatter nähert, um die Brut zu fressen.» Stirnrunzeln. Diesen Zeitgenossen könnten ja dann auch wir begegnen? «Selbstverständlich», meint der Namibier und grinst. «Das wäre aber schon ein enormes Glück!» Deutlich wahrscheinlicher ist es da, Strausse zu treffen. Genau das passiert auch kurz darauf.
Strausse in Sicht!
Stark, die weltgrössten flugunfähigen Vögel zu beobachten, wie sie in nicht allzu weiter Entfernung umherrennen. Passend dazu findet Etosha ein unbefruchtetes Straussenei auf dem Boden. Wie stabil das Riesen-Ei ist, demonstriert er, indem er sich mit beiden Füssen daraufstellt. Wir dürfen auch. Das Ei hält!
Noch aufregender wird es, als wir drei Giraffen entdecken, die keine 30 Meter entfernt von uns entfernt an Blättern knabbern. Wie elegant! Und wie gross! Dass sie uns mitbekommen, daran besteht kein Zweifel.
Allein weil sie stets den Abstand halten, auch wenn wir uns vorsichtig nähern. Dann die nächste Überraschung: Boxenstopp Nummer zwei, der unter einem schattigen Palmenstrohdach im Nirgendwo stattfindet. Es gibt, von unsichtbaren Kollegen bereitgestellte Quiche und Salate, dazu Getränke aus der Kühlbox, was angesichts der mittlerweile deutlich über 30 Grad mehr als willkommen ist.
Dann stehen die letzten der heutigen zehn Wanderkilometer an, die wir – na klar – auch noch gut hinkriegen. Darüber ist Etosha glücklich: «Eine gute Balance in der Gruppe zu finden ist nicht selbstverständlich. Mal haben die einen viele Fragen, die anderen gar keine. Mal wollen die einen schnell laufen und die anderen ständig Fotos machen.»
Von wilden Zwiebeln und Klopfkäfern
Und Fotomotive gibt es ohne Ende! Etwa die «Wild Onions», die erst mit einem weissen Stengel schüchtern aus dem Boden lugen und dann mit grünen Blättern. Etosha gräbt im Sand und in der Tat: Darunter kommt eine tulpenartige Zwiebel zum Vorschein. Klick klick klick. Oder die schwarzen Klopfkäfer, die über den Boden laufen und immer wieder mit ihrem wippenden Hinterteil Geräusche erzeugen, vermutlich zur Partnersuche. Die Geräusche, die wir erzeugen, als wir das kleine Komfortcamp für heute Nacht – zwei Komforthütten und eine überdachte Loggia – erreichen? Ahs und Ohs! Das Beste wird der Blick vom Liegestuhl auf das nahe Wasserloch sein. Dort lassen sich erst Gnus, später Zebras beobachten. Und dann, tata: die drei elegant schreitenden Grazien von eben!
Doch die Giraffen kommen nicht einfach an, schlabbern und dann – zack – wieder weg. Nein, sie spähen herum, lauschen, wechseln Positionen, sind endlich an der Trinkquelle. Alles in Slow-Motion, bis auf der Trinkvorgang, ist doch der Moment des Bückens der verletztlichste. Insgesamt dauert das «Giraffenballett» mit seiner stets wechselnden Choreographie locker 45 Minuten. Dabei werden wir immer ruhiger, nur das Klicken der Kameras durchbricht die Stille. Als dann ein Tier nach erfolgreichem Süffeln die Vorderbeine so rasch zusammenschnalzen lässt wie Mister Winterbottom in «Dinner for One», müssen wir vor Freude in die Hände klatschen.
Naturkino vom Feinsten!
Applaus gibt es dann noch für Etosha, der uns mit einer formidablen Grillsession verwöhnt. Und auf die nahe Anhöhe führt, auf der der unvergleichlich helle Sternenhimmel samt Kreuz des Südens und «falsch herumen» Orion nochmal besonders erstrahlt.
Und wie irre der Mond aussieht! Wie die Zitronenscheibe im Malawi Shandy, den wir dazu trinken. «Auf eine einmalige Wanderung, Etosha!» Das Beste: Am kommenden Tag geht sie, Stichwort Rückkehr zur «Mutter-Lodge», ja noch für ein paar Stunden weiter!
Weitere Infos
Anreise ab der Schweiz: Ab dem 1. Juni 2026 nimmt Edelweiss Windhoek in ihren Flugplan auf. Zweimal wöchentlich – montags und freitags – geht es dann von Zürich in die namibische Hauptstadt, das Tor zu den Naturwundern des südlichen Afrikas. Mit Swiss und Lufthansa geht es meist entweder über Frankfurt, München oder Johannesburg nach Windhoek.
Einreise: Der Reisepass muss sechs Monate über die Aufenthaltsdauer hinaus gültig sein. Seit 1. April 2025 benötigen deutsche, österreichische und Schweizer Staatsangehörige auch für Ferienreisen nach Namibia ein Visum. Es kostet rund 90 Franken und kann vorab online oder bei der Ankunft am Flughafen ausgestellt werden. Impfungen sind nicht vorgeschrieben.
Buchung und Preise: Direkt bei der Kalahari Red Dunes Lodge oder über diverse Veranstalter wie z.B. Hauser Exkursionen, die einen besonderen Schwerpunkt auf Wanderungen legen. So ist der Trans Kalahari Walk Teil der 13-tägigen Selbstfahrerreise «Namibia – Wüstenimpressionen und Tiervielfalt», die inklusive Unterkunft und Mietwagen ab 2995 Franken pro Person kostet. www.hauser-exkursionen.de/reisen/namibia
Informieren: Tipps sowie ein kostenloses Infopaket gibt es beim Namibia Tourism Board, www.visitnamibia.com.na