Trips & Travellers

Ein Flussreise-Schiff auf dem Rhein bei Breisach: Flussreisen stehen bei Kundinnen und Kunden von Procap Schweiz seit Jahren weit oben auf der Wunschliste. Bild: Adobe Stock

Einwurf SRV-GV auf Fluss-Schiffen: Rollstuhlfahrerin unerwünscht 

Helena Bigler

Dass die Flussreise-Teilnahme einer einzigen Rollstuhlfahrerin anlässlich der diesjährigen SRV-GV nicht möglich sein soll, findet Helena Bigler von Procap Reisen skandalös.

Ich bin enttäuscht und traurig. Schon wieder musste ich erfahren, wie wenig man sich um die Bedürfnisse von Menschen mit Einschränkungen kümmert. Und das von einer Seite, von der ich mehr Sensibilität erwartet hätte.

Fangen wir von vorn an: Procap Reisen ist die führende Anbieterin von barrierefreiem Reisen in der Schweiz. Neben dem breiten Angebot an Individual- und Gruppenreisen für Menschen mit Einschränkungen sehen wir unsere Aufgabe auch darin, die Branche für die Thematik zu sensibilisieren. Letzten Endes sollen unsere Kundinnen und Kunden selber entscheiden können, ob eine Reise unter den jeweiligen Gegebenheiten realisierbar ist oder nicht.

Wir sind seit drei Jahrzehnten Mitglied im Schweizerischen Reise-Verband (SRV), wollen uns aktiv einbringen und selbstverständlich auch an der Generalversammlung teilnehmen. Deshalb haben Sonja Häsler, langjährige Procap-Mitarbeiterin, Reise-Expertin und selber im Rollstuhl, und ich uns dieses Jahr für die SRV-GV angemeldet, die bekanntlich im November auf der Excellence Empress bzw. Crown von Twerenbold Reisen und in einem Auditorium in Strassburg stattfindet. Dies unter dem Motto «River of Change» notabene …

Teilnahme im Rollstuhl wäre absolut möglich

Wie üblich, haben wir uns über die wichtigsten Daten wie Türbreite, Einstiegsrampen, Lift und zudem über den Ablauf der Reise und der GV informiert. Die Reise war als «bedingt rollstuhlgängig» ausgeschrieben, aber wir kamen zum Schluss, dass eine Teilnahme mit gutem Willen, mit etwas Unterstützung durch mich und Improvisation absolut möglich wäre, wobei wir einzelne Einschränkungen in Kauf nehmen würden.

Die Anwesenheit von Sonja Häsler im Rollstuhl hätte vieles bewirken können, denn unsere eigenen Schulungsangebote zeigen immer wieder, dass gemeinsame Erfahrungen von Menschen mit und ohne Behinderungen Barrieren abbauen. Oft existieren diese Barrieren nur im Kopf und basieren auf Ängsten und Unkenntnis.

Nun hat Excellence resp. Twerenbold Reisen klar von Sonja Häslers Teilnahme abgeraten bzw. ihr die Anmeldung verweigert, und dies, ohne uns direkt zu kontaktieren. Somit hatten wir keine Möglichkeit, Unstimmigkeiten zu klären und Bedenken auszuräumen. Der SRV hat seinerseits als «Go-Between» die Ablehnung widerspruchslos umgesetzt. Für Sonja Häsler war dieser Entscheid ein Schlag ins Gesicht. Auch ich bin nach wie vor fassungslos.

Dass sie zwar im Rollstuhl sitzt, aber ihren Willen und ihre Widerstandsfähigkeit schon bei abenteuerlichsten Gelegenheiten bewiesen hat, spielte offensichtlich keine Rolle. Immerhin war sie unter anderem mit Schlittenhunden im hohen Norden unterwegs, hat als Parabadminton-Spielerin die Welt bereist und an Welt- und Europameisterschaften diverse Gold-, Silber- und Bronzemedaillen errungen. Mit anderen Worten: Sie kann sich sehr wohl an besondere Umstände beim Reisen anpassen.

Im vergangenen Jahr durften wir eine Schulung zum Thema barrierefreies Reisen organisieren. Und die Schweizer Tourismusregionen haben das Thema inzwischen vermehrt im Fokus. Menschen mit Einschränkungen und somit auch ältere Reisende haben zwar spezifische Bedürfnisse, sind aber gleichzeitig ein interessantes und zukunftsweisendes Zielpublikum.

Wo kein Wille ist, ist auch kein Weg

Doch bei Excellence und dem SRV scheint das Thema leider noch nicht angekommen zu sein. Flussreisen stehen bei uns und unseren Kundinnen und Kunden seit Jahren weit oben auf der Wunschliste. Die Anbieter wissen das sehr gut, denn wir haben unsere Bedürfnisse schon vor Jahren thematisiert. Doch wo kein Wille ist, ist auch kein Weg. Es bräuchte Mut, Entscheidungsfreude und eine klare Haltung, um etwas zu ändern.

Es gibt bereits erste Flussreisen-Anbieter, die auf einem ihrer Schiffe bedingt barrierefreie Flussreisen ermöglichen. Auch wenn wir noch lange nicht und vielleicht nie von ganz barrierefrei sprechen können – zumindest gibt es Anbieter, die Offenheit zeigen und im Kleinen versuchen, etwas zu bewegen. Eine Procap-Gruppe war dieses Jahr auf dem Rhein unterwegs und von der Reise begeistert. Doch wir warten vergeblich auf Nachahmungen und auf barrierefreie Schiffe. Dass noch im Jahr 2025 ein neues Schiff in Betrieb genommen wird und die Teilnahme einer einzigen Rollstuhlfahrerin nicht möglich sein soll, ist schlicht skandalös – umso mehr, als dass der zentrale Teil der Reise die Generalversammlung ist, an der Procap Reisen als relevanter Player in der Reisebranche nicht fehlen dürfte.

Ganz abgesehen davon: Organisatorisch sind Flussfahrten für Menschen mit Mobilitätsbehinderungen die geeignetsten Fortbewegungsmittel: Das Hotelzimmer reist mit. Das wissen die Anbieter selber sehr genau, denn zu ihren Kunden gehören auch viele Menschen, die auf den Rollator angewiesen sind – die Anzahl dürfte aufgrund der demografischen Entwicklungen noch stark zunehmen. Dass Einstiegs- und Ausstiegsmöglichkeiten manchmal begrenzt sind, ist uns allen klar. Aber gerade bei Flussreisen ist die Fahrt das Ziel. Auch wenn man an der einen der anderen Destination nicht aussteigen kann, bleibt doch die eindrückliche Erfahrung.

Leider wurde Sonja Häsler auch diese Erfahrung unnötigerweise verwehrt. Menschen mit Behinderungen sind sich Grenzen und Barrieren gewohnt. Dass hier noch zusätzliche Barrieren gesetzt werden, macht uns traurig. Aber etwas haben wir daraus gelernt: Es lohnt sich offenbar nicht, immer ehrlich zu sein. Wir wissen, dass in der Reisebranche bereits viele Menschen mit Einschränkungen unterwegs sind, was gelegentlich zu Problemen in der Reiseabwicklung führt. Wir von Procap Reisen haben uns stets bemüht, unsere Bedürfnisse klar und transparent zu kommunizieren, um die Reise für alle erfolgreich zu gestalten. Diese Transparenz erweist sich nun als Fehler: Wir hätten nicht so viel fragen, sondern einfach gehen sollen.