Trips & Travellers

Aufragende Klippen, aufregende Kultur: Irlands Top 10
Christian Haas1. Cliffs of Moher und Burren
Irlands womöglich meistfotografierte Sehenswürdigkeit ist eine Wucht! Wie die Klippen von Moher auf einer Länge von mehr als acht Kilometern beinahe senkrecht aus dem Atlantik ragen, sieht schlicht spektakulär aus. Verständlich, dass hier einiges los ist. Aber keine Sorge, nach dem Parkplatz zerstreut es sich. Die einen zieht es nach Hag‘s Head, die anderen zu O’Brien‘s Tower, wo die Felsen 214 Meter ins Meer fallen und wieder andere machen sich auf den Wanderweg Richtung Doolin, dem Zentrum der traditionellen irischen Musik.
Unter einem Grashügel versteckt ist hingegen das interaktive Besucherzentrum (stark: der 4D-Film über Robben, Papageientaucher, Wanderfalken und andere Klippenbewohner). Das prämierte Gebäude erinnert ein wenig an Mittelerde. Ohnehin soll die Region J.R.R. Tolkien zum «Herr der Ringe» inspiriert haben, insbesondere die unweit entfernte, baumlose Burren-Karstlandschaft samt der Höhle Pol na Gollum. Na, klingelt’s? Fakt ist: Die XXL-Kalkrechtecke regen wahrlich viel Fantasie an, auch dank der exotischen und gar nicht öden Flora.
2. Slieve League Cliffs
Zu viel Rummel an den Cliffs of Moher? Was dramatische Klippenkulissen anbelangt, gibt es auf der grünen Insel genug ruhige Alternativen. In diese Kategorie fallen die Slieve League Cliffs im County Donegal im Nordwesten der Insel. Um dorthin zu gelangen, muss man zwar etwas weiter fahren, doch der Weg lohnt sich. Abgesehen davon, dass deutlich weniger los ist, kostet das Naturspektakel hier auch keinen Eintritt.
Das Beste jedoch: Diese Klippen sind fast dreimal höher als die Cliffs of Moher! Mit einer Höhe von bis zu 601 Metern gehören sie gar zu den höchsten Meeresklippen Europas. Tipp für besonders mutige Zeitgenossen: Die Klippen lassen sich auf einem schmalen Grat, dem «One Man’s Path», überqueren. Aber Achtung: Nur für Geübte!
3. Ring of Kerry
Die im Südwesten gelegene Strecke um die Halbinsel Iveragh gehört zu den schönsten Panoramastraßen der Welt. Die 180-Kilometer-Tour, die es auch als Fernwander- und Bike-Version gibt, begeistert durch ihre großartige Landschaftskombi aus wilden Mooren, sanften Hügeln und zerklüfteter Steilküste. Die vorgelagerte Insel Skellig Michael macht zudem Furore, sowohl als schwer zugänglicher Klosterort und einem von zwei irischen UNESCO-Welterbestätten als auch als «Star Wars»-Drehort.
Apropos Sterne: Das County Kerry ist eine von weltweit nur wenigen Dutzend Lichtschutzgebieten der höchsten Stufe. Lichtblicke im puncto kleinstädtisches Treiben bietet der Ring of Kerry aber auch, in Gestalt des entzückenden Killarney. Zu den Highlights zählt neben dem seenreichen Killarney National Park das unweit der Stadt befindliche Muckross House, 1843 im Tudor-Stil errichtet und für Queen Victoria und ihre 100-köpfige Entourage jahrelang umgebaut. Heutzutage beherbergt es das Kerry Folklife Centre, das dem Leben der Landbevölkerung im 19. Jahrhundert gewidmet ist.
4. Kilkenny
Sie existieren auf der Insel Irland in allen erdenklichen Grössen, Altersklassen, Erhaltungszuständen und quasi in und an jeder Ecke: Rund 3000 (ehemalige) Festungen kommen zwischen Belfast, Bantry, Ballycastle und Ballina zusammen – ein rekordverdächtiger Schnitt angesichts einer Inselfläche von 84'421 Quadratkilometern. Sicher, ein Gutteil der Anlagen kommt klein und/oder ruinös daher, doch das sorgt ja meist für die attraktivsten Fotomotive.
Zu den Highlights zählt unbestritten das prachtvolle, viertürmige Kilkenny Castle mitsamt seinen Kunstausstellungen. Doch diese Anlage ist nicht der einzige Grund, warum das im flachen Südosten der Insel gelegene Kilkenny, das im 17. Jahrhundert sogar mal kurz Inselhauptstadt war, als Top-Beispiel für anglo-normannischen Städtebau und als Vorzeige-Mittelalterstadt gilt. Dazu tragen auch Rundtürme, verwinkelte Gassen und restaurierte Uralt-Häuser bei – und die zweitgrösste mittelalterliche Kathedrale Irlands. Ja, und dann gibt es noch die viel später erbaute, aber grössere St. Mary’s Cathedral. Nicht schlecht für knapp 30'000 Einwohner!
5. Rock of Cashel
Nicht weit entfernt liegt der Rock of Cashel, seines Zeichens nationales Wahrzeichen. Sein Beiname: «The high king of Irish monuments». Wie es zu solcher Ehre kommt? Zum einen aufgrund des stattlichen Äusseren, wobei der idealtypische Rundturm durch die exponierte Lage 65 Meter über der Stadt Cashel noch besser zur Geltung kommt.
Zum anderen wegen der vielen Geschichten, die sich um Clans, Erzbischöfe sowie die im 4. Jahrhundert hier regierenden Könige von Munster ranken – und den Teufel. Der soll, so erzählt man sich seit Generationen, wutentbrannt einen Teil aus einem anderen Berg herausgebissen und an jene Stelle im Herzen des County Tipperary gespuckt haben. Eine sagenhaft-fantasievolle Erklärung für den Burghügel, der sich aus der Ebene erhebt.
6. Dublin und das Trinity College
Als eine der ältesten Städte Europas bietet die irische Haupt- und eigentlich einzige Grossstadt der Republik jede Menge Kultur aus den verschiedensten Epochen. Die Palette reicht vom Dublin Castle über die Saint Patrick’s Cathedral und die National Gallery of Ireland mit ihren hochkarätigen Kunstwerken von Rembrandt bis Goya (und das zum Nulltarif!) bis hin zum superbeliebten Guinness Storehouse und zum neuen Wahrzeichen der Stadt, der modernen, 120 Meter hohen «Stahlnadel» The Spire.
Ja, und dann ist da noch das Trinity College mitten im Zentrum. Und auf das Gelände der ältesten Uni Irlands sollten sich auch Touristen wagen, die bereits ihre Studienlaufbahn beendet haben. Und vor allem diejenigen, die sich für Literatur interessieren. Die altehrwürdige Bibliothek glänzt mit einem Bestand von mehr als drei Millionen Büchern sowie 5000 Handschriften. Das berühmteste Werk dabei ist das «Book of Kells», eine lateinische Handschrift aus dem 8. Jahrhundert. Dem Buch, das nicht wenige für das schönste Buch der Welt halten, ist eine sehenswerte interaktive und immersive Ausstellung gewidmet, die «Book of Kells Experience».
Ein weiterer Hingucker ist der 60 Meter lange, eindrucksvolle Long Room der Old Library. Auch wenn hier gerade restauriert wird, lohnt sich der Besuch, allein wegen der neuen, metergrossen Kunst-Erdkugel Gaia.
7. EPIC – The Irish Emigration Museum
Wie kommt es, dass eine so kleine Insel (mit gerade einmal rund fünf Millionen Einwohnern) weltweit so präsent ist, Stichwort Irish Pubs, St. Patrick’s Days-Umzüge und die auf die Kelte zurückgehenden Sportarten Gaelic Football und Hurling? Das umfassende und supermoderne Museum EPIC (das auch für den Slogan «Every Person is Connected» steht) macht es mehr als deutlich.
Schliesslich stellt die in Dublins Docklands befindliche, interaktive Ausstellung die Gründe für die Massenemigration insbesondere im 19. Jahrhundert («Die grosse Hungersnot») ebenso ins Scheinwerferlicht wie die starke Verbundenheit der irischen Community. Und das gelingt auf sehr unterhaltsame und informative Art. Da schlüpfen Besucher in Verkleidungen, stempeln Reisepässe ab, erleben persönliche Schicksale in Kurzfilmen und 20 facettenreiche Themenräume von Musik bis Politik. Nachvollziehbar, dass EPIC gleich dreimal als „Europas führende Touristenattraktion“ ausgezeichnet wurde: 2019, 2020 und 2021.
8. Newgrange
Die 50 Kilometer nördlich von Dublin befindliche, rund 5000 Jahre alte Grabkammer von Newgrange ist ein frühes Wunder der Architektur. Das Innere des megalithischen Grabhügels, der etwa 75 Meter lang und 13 Meter hoch ist, kann nur durch einen engen Gang betreten werden. Die Überwindung lohnt sich, insbesondere rund um die Wintersonnenwende am 21. Dezember. Schliesslich liegt über dem Eingang eine Öffnung, durch die die Sonne an jenen fünf Tagen für eine Viertelstunde die Grabkammer erreicht und in Licht taucht. Dann, so sagt man, wirken die Steine wie Gold.
9. Kylemore Abbey
In der westirischen Region Connemara, als wilde Moor-Berg-Seen-Küsten-Kombi ohnehin eine Augenweide, befindet sich mit dem Kylemore Abbey das besucherstärkste Kloster der Insel. Vormals als Schloss errichtet, ging es 1920 an Benediktinerinnen über. Die leben noch immer hier, wobei sich die Besucher eher für die restaurierten viktorianischen Räume interessieren, die aus der Blütezeit der hier wohnhaften Familie Henry stammen, Stichwort Ballsaal, Prunktreppe und 33 Schlafzimmer!
Was den Ort zudem so besonders macht, ist der Walled Garden, zu dem man entlang eines Flüsschen spazieren kann. Dabei geht es auch an zwei der rekonstruierten Gewächshäuser vorbei, in denen es sich sowohl über die zahlreichen Kräuter im Kräutergarten als auch über den Blumengarten staunen lässt.
10. Achill Island
An der gesamten Westküste Irlands schlängelt sich der Wild Atlantic Way entlang. Mit 2600 Kilometern liefert er Stoff für mehrere Reisen, es braucht Prioritäten. Diese verdient Achill Island mit dem bescheidenen Marketingclaim «the jewels in the crown of Wild Atlantic Way». Und die leicht erreichbare grösste Insel Irlands hat tatsächlich etwas Schillerndes. Das fand auch Heinrich Böll. Der deutsche Literaturnobelpreisträger beschrieb in seinem «Irischen Tagebuch» das «verlassene Dorf», das noch heute sehr verlassen wirkt – und dadurch anziehend.
Mehr los ist im Urlaubsort Keel, in dem sich Taucher über hier gesichtete Delfine, Schweinswale und kolossale, aber harmlose Riesenhaie austauschen. Über die besten Surfwellen, Strandsaunen und Insel-Pubs. Und über die allerdings nur schwer einsehbaren, 668 Meter hohen Cliffs of Croaghaun. Zu ihnen gelangen Naturfreunde nur per Schiff oder zu Fuss. Startpunkt ist der jüngst von Lonely Planet unter die 100 schönsten Strände der Welt gewählte Keem Beach.