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Baja Californias Südspitze ist spitze
Christian HaasWar das Einbildung oder tatsächlich eine Walfontäne? Wie gebannt schauen alle auf das spiegelglatte Meer vor der Punta Lobos hinab und dann: zack, schon wieder! Eindeutig ein Blas, daneben ein kleinerer.
Sol vom Outdooranbieter High Tide ist nicht der Einzige, der aufgeregt ist: «Kein Zweifel, das sind Buckelwale! Und dann auch noch so nah am Ufer!» Daher sind sie sogar zu hören. Darauf war niemand gefasst, die Wanderung durch die hügelige und mit Kakteen und Strauchwerk versehene Landschaft auch so schon ein Highlight. Nun lässt sich das Glück kaum fassen, zumal der sanft umwindete Logenplatz gut 100 Meter über dem Meer schöner kaum sein kann. Tief unten lautstark balzende Seelöwen und an den steilen Felsen fast schon kunstvoll zerschellende Wellen.
Rechterhand führt in der Ferne ein kilometerlanger Sandstrand bis auf die Höhe des bei Backpackern und Boutiquehotelgästen beliebten Todos Santos (mit dem legendären «Hotel California» aus dem gleichnamigen Eagles-Song). Und südwärts reicht die zerklüftete Küste bis fast an die erste der fünf Landspitzen, die der Region den Namen Los Cabos – der spanische Ausdruck für Kaps – gaben. In diese Richtung ziehen auch Walmutter samt Kalb, gefolgt von so manchem Blas-Solisten. Bei jedem Splash juchzt die Gruppe.
Es wimmelt von Buckelwalen und Seelöwen
«Spätestens im Januar wimmelt es rund um Los Cabos derart von Buckelwalen, dass Touranbieter eine 100-prozentige Sichtung versprechen», meint Sol. «Tausende von ihnen ziehen im Winter zum Gebären in die warme Sea of Cortez.» Den zwischen der 1200 Kilometer langen Halbinsel Baja California und dem mexikanischen Festland gelegenen Golf von Kalifornien hatte Meeres-Guru Jacques-Yves Cousteau auch als «Aquarium der Welt» bezeichnet. Kein Wunder angesichts der hier vorkommenden über 800 Meerestierarten.
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So weisen Sols Kollegen tagsdrauf im Nationalpark Cabo Pulmo beim Schnorcheln auf Flöten- und Papageienfische, Wasserschildkröten und kompakt geformte Makrelen-Schulen hin, die sich am ältesten von gerade einmal drei Korallenriffen an der nordamerikanischen Westküste tummeln. Südöstlich von La Ventana, dem Hotspot für Kitesurfer schlechthin, kreuzen Koffer- und Schmetterlingsfische, Oktopusse und vieles mehr den Tauchweg. Vor der unbewohnten Insel Espíritu Santo geht es zu neugierigen Seelöwen ins Wasser, was nur noch von der Beinahekollision mit zwei Walhaien getoppt wird.
Auf der Suche nach Plankton ziehen die weltgrössten Fische zwischen November und April ihre Runden vor der Stadt La Paz. Dank strenger Auflagen dürfen zum Glück nur wenige Boote in ihr Terrain und auch nur maximal sechs Personen gleichzeitig ins Wasser. Gut für die Planktonfresser, gut fürs Gewissen und gut für die Gopro-Bilder. Statt Dutzenden Paddelbeinen wie andernorts geniesst man freie Sicht auf die bis zu zehn Meter langen, aber harmlosen Haie. Was für ein Erlebnis!
Fünf Meter vom Strand
Faszinierend ist auch eine andere Gattung. «Alle Grauwale der Welt werden hier im Golf von Kalifornien geboren, bevor sie sich im Nordpazifik verteilen und erst zum Gebären wieder kommen», erzählt am Tag drauf Emilio, bei einer Paddeltour mit Glasboden-Seakayaks von der Playa Santa Maria zur Nachbarbucht Bahia Chileno. Zwar lassen sich keine Wale blicken, dafür jede Menge gelbe Segelflossendoktoren und andere grosse Schwärme. Man muss nur den Kopf unter Wasser halten, schon ist man mittendrin im Geschehen – und das keine fünf Meter vom belebten Sandstrand entfernt. Dahinter geht es wiederum sehr privat zu. «Dort wird gerade das wohl teuerste Haus Mexikos, womöglich gar Lateinamerikas gebaut», weiss Emilio.
Wer hinter dem Mega-Domizil steckt? Immer wieder fallen berühmte Namen, am häufigsten der von Amazon-Chef Jeff Bezos. Fakt ist, dass die Südspitze der Baja California seit Längerem ein Topziel von A-Prominenten wie Leonardo DiCaprio, John Travolta, Gwyneth Paltrow, Gisele Bündchen und Co. darstellt. Doch auch normale Gäste sind in den vergangenen zehn Jahren derart verstärkt gekommen (sei es zum Heiraten, Partymachen, Golfen oder Relaxen), dass hier und da schon vom neuen Cancún die Rede ist.
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An dessen zehn Millionen Touristen im Jahr 2023 reichen Los Cabos‘ knapp vier Millionen zwar noch nicht heran. Doch der Trendpfeil von Baja California Sur geht so steil nach oben, dass man durchaus von Mexikos aufstrebendsten Ferienort sprechen kann.
Nicht umsonst hat die «New York Times» Los Cabos Anfang Januar zu den heissesten Reisezielen 2025 erkoren. Und mit dem im November aufgenommenen Condor-Direktflug, der bis April zweimal die Woche Frankfurt und den Hauptort San José del Cabo verbindet, ist vielerorts die Hoffnungen verknüpft, dass sich unter das stark US- und Kanada-geprägte Publikum künftig mehr Europäer mischen, Stichwort Diversifizierung. Die Anreise von Europa aus wird durch das neue Angebot jedenfalls signifikant verkürzt. Mussten Urlauber früher mindestens eineinhalb Flugtage via Mexiko City oder Cancún in Kauf nehmen, steigen sie nun mittags in Mitteleuropa in den Flieger und zum Dinner in Los Cabos wieder aus.
Und wen genau zieht es dorthin? «Alle, die neugierig sind auf ein noch vergleichsweise unbekanntes Stück Mexiko», findet Valentina Toldeo vom Tourist Board, «und die neben 350 Sonnentagen im Jahr eine ideale Balance zwischen Aktivurlaub und Erholung suchen.» Dafür sorgt eine Kombi aus weiten Stränden mit grossartigen (Unter-)Wassersportarten, einer bergigen und gerade zu Beginn der Trockenzeit überraschend grünen Landschaft (die Sierra de la Laguna im Hinterland steigt schnell auf über 1000 und teils sogar bis über 2000 Höhenmeter an, perfekt zum Wandern und Biken!) sowie einer touristischen Infrastruktur, die höchste Qualität verspricht. Und höchste Preise, zumindest im Vergleich zu Rest-Mexiko.
Zahlreiche Luxusresorts
Klar, es gibt auch günstige und kleinere Hotels, doch es dominieren Hotels auf Vier- und Fünfsterneniveau und ständig kommen neue hinzu. So kündigen sich 2025 mit dem «Amanvari» und dem «Vidanta East Cape» zwei neue Luxusresorts an. Bereits geöffnet hat das weitläufige, supermoderne «Nobu», auf dessen Gelände nicht nur High-End-Restaurants wie das «Muna» und das «Nami», sondern auch zwei international renommierte Golfplätze liegen (in der gesamten Region gibt es 18).
Über hohes Renommee freuen sich auch das Ritz-Carlton-Haus «Zadún», das «One&Only Palmilla», das «Waldorf Astoria», das stark auf Design setzende «Bahia Hotel Beach House» und etliche andere. Nicht minder hochklassig gestaltet sich das Restaurantangebot. So begeistert das «Don Sánchez» mit mexikanischen Weinen, Gewürzen und abgefahrenen Saucen und das «Cocina de Autor» mit einem wohlverdienten Michelin-Stern, wenngleich beim Service noch Luft nach oben ist.
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Viel Luft nach allen Seiten geniessen Gäste im Open-Air-Restaurant Sunset «Monalisa», das spektakulär über der Felsküste der Playa Monumentos thront und nicht nur den Blick auf Surfer – hier ohnehin ein Volkssport – ermöglicht, sondern die beste Aussicht auf das Wahrzeichen der Region, den Arco von Los Cabos. Wie gemalt! Zum Sonnenuntergang serviert Küchenchef Héctor Morales Drei- bis Sieben-Gänge-Menüs, in denen er mexikanisches Feuer mit mediterranen Aromen zu einem Erlebnis der Extraklasse verbindet.
Auf der anderen Arco-Seite wurde die junge Anaisa Guevara vom Magazin «Food & Wine Mexico» gar zu einer der besten Neuentdeckungen Mexikos gewählt. Was sie im Restaurant «La Frida» auf den Teller zaubert, begeistert selbst verwöhnte Gaumen. Und dann ist da ja noch die Terrasse, aufgrund derer das «Pueblo Bonito Pacifica», in dem sich das La Frida befindet, jüngst von der Tripadvisor-Community in die Hotel-Top-Ten mit der weltbesten Aussicht gewählt wurde. Das gilt besonders bei Sonnenuntergang.
Für die Action in den Wild Canyon
Donnerstage sollte man den jedoch in San José del Cabo, dem zweiten grossen Ort in der Region, verbringen. Dann sind die Strassen der Innenstadt für Autos gesperrt. Einheimische und Touristen schlendern beim Art Walk von der Plaza, auf der Künstler ihre Stände aufbauen, zu Galerien, (Dach-)Bars und Läden in Kolonialstil-Häusern.
Im Gegensatz zum touristischeren Cabo San Lucas mit seiner ausgeprägten Feiermeile spürt man hier die Historie, entstand doch die alte Jesuitenmission zur Zeit der spanischen Besiedlung der Peninsula in den 1730er-Jahren. Das und viel mehr erfährt man beim Art Walk, den Einheimische ehrenamtlich anbieten. Einkehrtipp von Felipe: die – typisch mexikanisch – kunterbunte und quirlige Taqueria La Lupita. «Die Taco-Auswahl ist riesig (Exotentipp: Grashüpfer!), ebenso die der Spirituosen», so der Guide. «Und wer sich nicht zwischen Tequila und dem womöglich zu rauchigen Mezcal entscheiden kann, wählt einen Mezquila.»
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Kompromisse warten auch anderswo: Erwünscht sind Luxus und Komfort, aber bitte ohne Gewusel drumherum? Voilà, das Montage ist nicht das einzige Top-Hotel, das herrlich abseits liegt.
Und wer mit der Familie divergierende Wünsche unter einen Hut bringen muss, ist im Wild Canyon richtig. Während die Jüngsten auf der Wasserrutsche tollen oder auf Pferderücken durch die Kakteenlandschaft traben, stürzen sich Wagemutige ins Zipline-Abenteuer, das sie auf acht Strecken über bis zu 150 Meter tiefe Schluchten führt. Wer dann immer noch nicht genug hat, hängt noch einen Bungeesprung dran …