Trips & Travellers
Auge in Auge mit den Meeresriesen
Christian HaasFlipper hat Millionen von Fernsehzuschauern begeistert. Seine noch lebenden Verwandten tun es Tag für Tag in den Sea Worlds und Delfinarien rund um den Globus, ebenso wie die als Killerwale bezeichneten Orcas. Doch bei aller Begeisterung für die intelligenten und im wahrsten Sinne sprunghaften Meeressäuger bleibt das beklemmende Gefühl bei dem Gedanken an deren beengtes Dasein in Gefangenschaft.
Greenpeace und Co. prangern nicht ohne Grund diese Shows an. Echte Tierfreunde ziehen tierische Begegnungen ohnehin in der freien Wildbahn vor, wenngleich diese etwas aufwändiger zu planen sind und nie eine hundertprozentige Sichtung garantieren können. Dafür lassen sich die Delfine im Falle einer Sichtung noch viel näher, authentischer und intensiver erleben. Schliesslich suchen die Tiere dann den Kontakt mit den Menschen freiwillig und das wiederum kann sehr lustige, interessante und emotionale Situationen ergeben.
Whale-Watching-Hot-Spot
Der Traum jedes Delfinliebhabers: einem Meeressäuger direkt in die Augen schauen oder mit ihm ein Tänzchen im Wasser wagen. Wo das geht? Mittlerweile wirbt eine ganze Reihe von Regionen mit einem einschlägigen Schwimm-Angebot. Beim womöglich besten Delfin- und Whale-Watching-Hot-Spot der Welt kann man das auch uneingeschränkt empfehlen.
Zum einen wurden auf der mitten im Atlantik gelegenen Inselgruppe der Azoren strenge Verhaltensregeln erlassen, die nur Kleingruppen bis maximal sechs Personen auf Delfintouren erlaubt – und jeweils nur zwei gleichzeitig im 20 Grad warmen Gewässer. Und genau dieses Gewässer hat es – zweiter Pluspunkt – in sich. Genauer gesagt bis zu 24 Delfin- und Walarten, darunter Grosse Tümmler, Pottwale und die seltenen Schnabelwale. Die Wahrscheinlichkeit, bei den mehrmals pro Woche und dann jeweils mehrstündigen Bootstouren Delfine und Wale zu sichten, beziffern Veranstalter auf 99 Prozent, zumindest in den Monaten April bis Oktober.
Blauwale, Pottwale, Buckelwale
Ähnlich hoch sind zwischen Juni und August die Blauwal-Sichtungsquoten rund um Island und jene für Pottwale in Nordnorwegen. Buckelwale zieht es hingegen regelmässig zwischen Dezember und März in die warmen Karibik-Gewässer nahe der Dominikanischen Republik, um zu kalben und um sich dort zu paaren. Dabei werben die bis zu 13 Meter langen und 30 Tonnen schweren männlichen Tiere nahe der Oberfläche um die Gunst der Weibchen – und das auf eindrucksvolle Art: Sie machen regelrechte Luftsprünge oder verhauen ihre Konkurrenten mit ihren weissen Brustflossen.
Ein echtes Spektakel, bei dem vielen Wildlife-Touristen auf den in Stellung gebrachten Ausflugsbooten die Freudentränen in die Augen und sie wie wild Fotos schiessen. Und die Kassen der Anbieter klingeln lässt. Bei der letzten grossen globalen Erhebung ging der International Fund of Animal Welfare (IFAW) von rund 15 Millionen Whale-Watchern im Jahr 2018 aus – ein weltumspannendes Geschäft mit direkten wie indirekten Einnahmen in Höhe von mehr als 2,5 Milliarden US-Dollar. An rund 500 Orten in mehr als 100 Ländern ist heutzutage Delfin- und Walbeobachtung möglich.
Kanarische Inseln, eine Hochburg
Ganz vorne dabei sind die Kanarischen Inseln. Die Gewässer vor dem südlichen Teneriffa und La Gomera gelten als regelrechte Hochburgen für Walbeobachtungen, wenngleich einige Anbieter in die Kritik gerieten, weil sie den Meeressäugern regelmässig viel zu nahe kommen. Übers Jahr verteilt lassen sich hier rund zwei Dutzend Wal- und Delfinarten blicken, darunter Pilotwale, Grindwale, Pottwale und Schnabelwale. Grund für die Vielfalt: Die Inseln stellen einen Schnittpunkt dar zwischen dem kalten, dem gemässigten und dem tropischen Verbreitungsbiet der einzelnen Spezies. Einige Arten durchstreifen die Gewässer der Kanarischen Inseln auf dem Weg zu anderen Regionen, manche sind heimisch.
Die südafrikanische Kapregion, etwa rund um die Städtchen Hermanus und Gansbaai, ist bekannt dafür, dass sich die Südlichen Glattwale zwischen Juni und Dezember äusserst nah an der Küste zeigen, sodass man nicht einmal mit Booten hinausfahren muss, sondern sie gut von Land aus beobachten kann.
Wer gerade in Neuseeland unterwegs ist, sollte einen Abstecher nach Kaikoura in Erwägung ziehen, ein echter Wal-Hotspot, insbesondere für Pottwale. Ein grossartiger Ort, um Buckelwale zu sehen, ist Hervey Bay im australischen Queensland.
Akrobatische Luftsprünge
Orcas wiederum fühlen sich besonders in Alaska und dort im geschützten und nach der Tankerkatastrophe der Exxon Valdez von 1989 wieder weitgehend regenerierten Prince William Sound pudelwohl und leben dort das ganze Jahr über. Im Frühsommer gesellen sich schliesslich zahlreiche Buckelwale dazu. Und wenn sie sich im Nordmeer satt gefressen haben, treten sie die über 5000 Kilometer lange Reise von Alaska durch den Pazifik nach Hawaii an, um sich in den badewannenwarmen Gewässern der Aloha-Inseln zu paaren und die Jungen aufzuziehen.
Am besten kann man die Meeresriesen vor der Südwestküste von Maui beobachten, nicht nur von Ausflugsbooten aus, sondern auch beim Sundowner auf den Hotelterrassen am Wailea Beach. An der Südküste der Insel Kauai halten sich zwischen Dezember und Mai ebenfalls Buckelwale in grossen Scharen auf.
Und nicht nur dort, sondern auch in Baja California – wobei vorher bis zu 20'000 Buckelwale auf ihrem langen Weg Whale Watcher an der kanadischen Westküste, allen voran Vancouver Island, sowie an der Küste des US-Staates Oregon begeistern. In die warmen Gewässer rund um die 1200 Kilometer lange Landzunge im Nordwesten Mexikos verschlägt es indessen auch grosse Gruppen von Grauwalen, die dort ihre Jungen zur Welt bringen. Dabei vollführen die eindrucksvollen XXL-Tiere unter lautem Prusten akrobatische Luftsprünge.
Als beste Walbeobachtungsposten haben sich Los Cabos ganz im Süden, sowie Bahía Magdalena, Laguna San Ignacio und Laguna Ojo de Liebre etabliert. Mit kleinen Booten nähert man sich den Tieren bis zu einem gesetzlich vorgeschriebenen Abstand.
Bei solchen Touren kommen einem garantiert noch viele weitere Tiere vor die Linse, darunter Seehunde, Delfine, Meeresschildkröten und Tauchern zusätzlich Hammerhaie, Teufelsrochen und Walhaie, die grössten Fische der Welt.
Einen guten Überblick, welche Wale wann und wo zu beobachten sind, gibt es hier: https://whaletrips.org/de/walplaner