Trips & Travellers

Gast im neuen «Travel News Talk» ist Jon Andrea Florin, seit 2019 Geschäftsführer von Fairunterwegs. Bild: TN

«Das Hauptproblem des Tourismus ist das grenzenlose Wachstum»

Der Geschäftsführer von Fairunterwegs, Jon Andrea Florin, spricht im «Travel News Talk» Klartext und beantwortet die Fragen zu nachhaltigem Reisen, Overtourism und gefährdeten Reisezielen.

Im neuen «Travel News Talk» blickt Jon Andrea Florin ungeschminkt auf die Probleme des Tourismus. «Alle 30 Jahren verdoppelt sich die Anzahl Touristen und ich weiss wirklich nicht, wie all die Leute künftig in einer umweltschonenden Art über den Planet transportiert werden können.» Auch an der menschenverträglichen Art der Übernachtung zweifelt der Geschäftsführer von Fairunterwegs, wie auch an der Möglichkeit eines Austausches mit der lokalen Bevölkerung, angesichts der grossen Touristenmassen. Da befalle ihn schon ab und zu eine Sinnkrise. Das Hauptproblem des Tourismus sei das grenzenlose Wachstum.

Das Bewusstsein sei zwar bei vielen Touristen da, umweltschonender zu Reisen, «aber bei den Taten habe ich schon meine Zweifel. 13 Prozent der Befragten einer Allianz-Studie sagen zwar, sie würden CO2 kompensieren, gemäss Reiseveranstaltern und Airlines liegt dieser Anteil aber im einstelligen Bereich.» Auch Fairunterwegs würde das CO2-Kompensieren empfehlen, wenngleich es bei der von Klimaschutzorganisationen wie Myclimate proklamierten Formel Reduzieren-Optimieren-Kompensieren zunächst die ersten beiden Elemente zu berücksichtigen gelte.

Zweifel äussert Florin beim Sustainable Aviation Fuel und den ehrgeizigen Zielen, herkömmlichen Treibstoff bis ins Jahr 2050 zu ersetzen. «Das renommierte Paul-Scherrer-Institut sagt hierzu, das sei vielleicht, vielleicht möglich, aber nur, wenn der Flugverkehr nicht weiter wächst.» Das tue er aber. «Auch in einem optimistischen Szenario ist das wahrscheinlich keine Lösung. Gleichzeitig müssen wir uns fragen, ob wir all die nachwachsenden Energiestoffe nicht für anderes brauchen als fürs Fliegen.»

«Die Leute wollen nun mal nach Interlaken und St. Moritz und nicht nach St. Antönien oder Galmiz.»

Auf den Overtourism angesprochen, was er denn von Eintrittsgebühren, Zutrittslimiten und Einschränkungen bei Hafeneinfahrten und Wohnungsvermittlungen halte, sagt Jon Andrea Florin: «Die Massnahmen sind gut und recht und wir müssen sie wohl alle packen. Doch sie werden das grundlegende Problem vom Wachstum letztlich nicht lösen. Mit all den Lenkungsmassnahmen kommen wir nicht weiter.»

Zwar töne es gut, wenn etwa Schweiz Tourismus sage, künftig die Gäste auf andere Ziele und Saisons hinsteuern zu wollen. «Aber wird das wirklich passieren? Da sind wir, wie auch Touristiker, mit denen wir gesprochen haben, eher skeptisch. Die Leute wollen nun mal nach Interlaken und St. Moritz und nicht nach St. Antönien oder Galmiz.»

Der Talk dreht sich weiter über die schonende Nutzung von Ressourcen vor Ort und das Verhalten an der Reisedestination, hierzu erläutert Florin die Glück-Formel von Fairunterwegs (Gemächlich/Lokal/Überraschung/CO2-Ausstoss/Korrekter Preis).

Auch über gefährdete Reiseziele (Travelnews berichtete) dreht sich der Talk, etwa die Malediven, die durch den Klimawandel mit einer Überflutung rechnen müssen. Dazu sagt Florin: «Die Reiseziele machen wir weniger Sorgen als die Menschen im Süden. Dass wir einmal nicht mehr für zwei Wochen auf die Malediven reisen können, ist vergleichsweise nicht so schlimm, wenn man an die Menschen denkt, die dort leben.»

Und zum Schluss richtet Jon Andrea Florin den Wunsch an Reisebüros, vermehrt nachhaltige Alternativen aufzuzeigen.

(GWA)