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Peter Haslebacher hat 27 Jahre lang für die SAir Group in zahlreichen Positionen gearbeitet. Bilder: zVg

Was macht eigentlich Peter Haslebacher?

Klaus Oegerli

25 Jahre lang war er Manager bei der SAir Group, unter anderem CEO von Balair und LTU. Im Gespräch mit Travelnews blickt Peter Haslebacher, der heute in Hongkong und Düssseldorf lebt, auf seine Karriere und die turbulenten Airline-Jahre zurück.

Peter Haslebacher startete seine berufliche Karriere 1976 zunächst in der Materialbuchhaltung der SAir Group. Es folgten internationale Stationen in Amsterdam, Madrid, Tel Aviv, Teheran, Zürich, Frankfurt, Chicago, Wien und Genf. Dabei übernahm er diverse Führungspositionen, darunter CEO von Balair/CTA in den Jahhren 1992 bis 1996 sowie von LTU. Heute lebt der 73-jährige in Hongkong und Düsseldorf. Travelnews hat ihn nach seiner Karriere und seinem heutigen Leben befragt.

Herr Haslebacher, sind Sie noch in der Luftfahrtbranche aktiv?

Peter Haslebacher: Nach dem Grounding der Swissair im Jahr 2001 und dem abrupten Aus der SAir Group habe ich mich beruflich ausserhalb der Luftfahrt orientiert. Ich bin dem Luftverkehr aber als Passagier erhalten geblieben und war seit damals nicht weniger unterwegs als während meiner Swissair und SAir Group Zeit. Irgendwie hat mich das Thema Reorganisation und Umstrukturierung für eine lange Zeit nicht losgelassen als Unternehmer in verschiedenen Branchen. In Deutschland habe ich mit verschiedenen Banken gearbeitet und KMUs mit gefährdeten Krediten umstrukturiert und fit gemacht, um neue Eigentümer zu finden. Es waren ganz verschiedene Unternehmen dabei – etwa im Bereich Rohrleitungsbau, ein Chemiebetrieb, ein Betrieb für elastische Stoffe für die Herstellung von Damenwäsche oder ein Bahnunternehmen. Bald weitete sich aber die Tätigkeit auf ein Projekt bei einem amerikanischen, global tätigen IT-Dienstleister im Finanzbereich in London aus. 2010 folgte dann der Umzug nach Hongkong, um für das Unternehmen APAC Insurance Solutions den IT-Bereich auszubauen.

Dann leben Sie in Hongkong?

Heute pendle ich zwischen Hongkong und Düsseldorf.

Welche Projekte oder Herausforderungen beschäftigen Sie aktuell in Ihrem Alltag?

2016 wurde das Unternehmen von einem noch grösseren amerikanischen IT-Dienstleister aufgekauft. Das war der Moment in dem ich mich noch einmal neu orientierte und Apacinsurtech Ltd. mit Sitz in Hong Kong gründete. Die Firma unterstützt IT-Start-Ups bei der Marktbearbeitung. Das Thema hält mich noch immer gefangen und beschäftigt mich auch heute noch. Es ist erfrischend, mit jungen Leuten zusammenzuarbeiten, die innovativen Lösungen anbieten, aber Hilfe und Unterstützung benötigen, um ihre Produkte und Leistungen in Asien abzusetzen.

«Balair/CTA wurde schnell zum luftverkehrspolitischen Bauernopfer.»

Wenn Sie auf Ihre Karriere in der Luftfahrtbranche zurückblicken, was war für Sie die grösste Herausforderung?

Die Fusion von Balair und CTA ist erstaunlich geräuschlos und schnell Über die Bühne gegangen. Der Entscheid die Balair/CTA in Genf anzusiedeln hat bei einigen für Verwunderung gesorgt, war aber aus Sicht der Schweizer Luftverkehrspolitik damals vertretbar. Natürlich haben die Swissair, Croissair, Balair und CTA ihre Flugleistungen hauptsächlich aus Zürich angeboten. Allerdings hat der Standort Genf der Balair/CTA keine signifikanten Mehrkosten verursacht. Die grösste Herausforderung war die teilweise Abnabelung von Swissair. Bei der Kurzstrecke ging das gut. Bei der Langstrecke, vor allem im Cockpit mussten wir wahrscheinlich einiges an Kosteneinsparungspotential ungenutzt verstreichen lassen. Balair/CTA wurde auch schnell zum luftverkehrspolitischen Bauernopfer.

Wie meinen Sie das?

Die Geschäftsfeldabgrenzung war klar: Swissair/Linienverkehr, Crossair/ Regionalverkehr und Balair/CTA/Feriendestinationsverkehr. Die Deregulierung und der damit verbundene Rückgang der Flugtarife, machte den Betrieb von Flugzeugen unter 100 Sitzplätzen für die Swissair wirtschaftlich keinen Sinn. Die Kostenstruktur der Crossair war besser geeignet das Segment bis 100 Sitzplätze abzudecken. Für das Einverständnis der Crossair musste die Swissair Gruppe den Ferienflug-Kurzstreckenverkehr der Crossair abtreten. Für die kleine Ferienflug-Langstrecke wurde BelAir unter dem Dach der Swissair Flugbetriebs gegründet und Balair/CTA verschwand. Diese Strukturbereinigung war aber auch nur von kurzer Dauer. Die Edelweiss besetzte das Vakuum der Balair/CTA. Die Crossair und BelAir Strategie von damals ging nicht auf.

Dann waren Sie in den Jahren 1999 und 2000 CEO von LTU.

Die Akquisition der LTU hatte ihren Ursprung auch in der fortschreitenden Deregulierung und dem Ziel der Hunter Strategie der SAir Group, am Flugaufkommen in europäischen Nachbarländern zu partizipieren und Verkehrsströme besser zu kontrollieren. Die LTU-Situation war «highly political». Die Nachfahren von Gründer Kurt Conle hatten jahrelang sehr unterschiedliche Vorstellungen betreffend der Ausrichtung und dem Betrieb der LTU. Die WestLB hielt als «Treuhänder» das Unternehmen zusammen, um einen Käufer zu finden. Neben der LTU gab es auch eine LTU Süd – die Flugzeuge waren blau bemalt, weil ein Mitglied der Besitzerfamilie in München wohnte. Dann gab es auch eine LTE mit Sitz in Palma de Mallorca, weil die spanische Luftverkehrsbehörden Arbeitsplätze für Crew Members mit Wohnsitz in Spanien sichern wollte. Und dann operierte als Tochtergesellschaft auch noch die RAS, um den Zubringer für TUI aus Hannover nach Düsseldorf sicherzustellen und im Sommer Sylt anzufliegen. Der Restrukturierungsaufwand bei der Airline war beträchtlich, aber nicht überraschend. Mehr Sorgen bereitete der Touroperator. Die Passagierzahlen blieben weit unter den ursprünglichen Ansagen. Die tiefere Auslastung und die niedrigen Durchschnittserträge trugen dazu bei, dass die Wirtschaftlichkeit gelitten hat.

Wie schauen Sie heute auf jene Jahre zurück?

Was ich persönlich unterschätzt habe, war Intensität und Aggressivität mit welcher Mitarbeiterverbände und Gewerkschaften Forderungen stellen. Die Umsetzung der «Leisure Group», das heisst einen Verbund unter den Ferienflug-Gesellschaften unter dem Dach der SAir Group zu gründen und damit die Netzwerke vor allem im Langstreckenbereich aufeinander abzustimmen, die Flotten zu standardisieren, die Beschaffungskosten Handling, Catering, Crew Hotel etc. zu konsolidieren, scheiterten ebenfalls zu einem sehr grossen Teil am Widerstand der Verbände und Gewerkschaften. Rückblickend waren wir und auch ich zu betriebswirtschaftlich orientiert und wir haben die Befürchtungen der Belegschaften und das politische Hickhack-Potential unterschätzt.

Heute lebt Peter Haslebacher sowohl in Düsseldorf wie auch in Hongkong.

Wie sehen Sie die Zukunft der Airline-Branche?

Wie wir alle selbst miterlebt haben, hat sich die zivile Luftfahrt in den letzten Jahren massiv verändert. Die Zuverlässigkeit der Flugzeuge, Baustoffe, Reichweite oder die Reduktion des Treibstoffverbrauchs  sind sichtbare Merkmale der Innovationsfähigkeit der Flugzeug-Hersteller. Damit einher ging auch eine Bereinigung der Flugzeug-Hersteller. Aber auch der Vertrieb von Flugtickets und anderen Reiseprodukten ist nicht mehr wiederzuerkennen. Das Flugaufkommen könnte ohne Self Service Einrichtungen nicht mehr bewältigt werden. Die Branche ist robust und kann auch globale Krisen wie die Covid-Pandemie meistern. Eine anhaltend wichtige Herausforderung wird die Emissions-Reduktion bleiben. Aber ich bin sicher, dass die Industrie auch in dem Bereich innovative Lösungen finden wird.

Gibt es neben dem Swissair-Grounding eine besondere Erfahrung oder einen Moment in Ihrer Karriere bei Swissair, Balair oder LTU, der Ihnen bis heute besonders in Erinnerung geblieben ist?

Während der Swissair-Zeit habe ich mich manchmal gefragt, wieso ich sehr oft an Orten war, an denen in irgendeiner Form Unruhen ausbrachen:

  • Madrid – Unruhen nach dem Ableben von General Franco
  • Tel-Aviv – Nachwehen des Yom Kippur Kriegs
  • Teheran – Islamische Revolution, schiefgelaufene Operation Eagle Claw zur Befreiung der Geiseln und dann schlussendlich das Ausfliegen der Geiseln aus Iran (Wie im Film Argo nachgestellt) und dann der Krieg Iran – Irak. Etwas Besonderes war die Einrichtung von regelmäßigen Busverbindungen; mit SR-Flugnummern, Sitzplatz Reservierung (Raucher/Nichtraucher) von Teheran nach Erzurum und zurück, während der Zeit als der Luftverkehr über dem Iran wegen Kriegsunruhen zum Erliegen kam.

Bei der LTU sind mir zwei Sachen in Erinnerung geblieben. Der Eröffnungsflug Düsseldorf nach Chongqing (China) mit einer A330 mit 180 Passagieren, ein Staatsempfang und eine nie zuvor gesehene Gastfreundschaft!

Und das zweite Ereignis?

Unter «Kleine Ursache - Grosse Wirkung» kann man eine technische Störung jener Jahre zusammenfassen. Ein A330 der LTU hatte auf den Malediven ein Triebwerkproblem. Die Lösung des Problems war wie folgt: Ein Ersatz-Flugzeug mit Flugzeugtechnikern musste von Düsseldorf nach Malé fliegen, mit dem Rückflug wurden die gestrandeten Passagiere zurück nach Düsseldorf gebracht. Mit einer Antonov wurde ein Ersatztriebwerk von Düsseldorf nach Male geflogen, und das defekte Triebwerk nach Düsseldorf zurückgebracht. Malé hatte damals noch keine Infrastruktur, um ein Triebwerk zu wechseln, aber mit Lastwagen und anderen Hilfsmitteln gelang es den Technikern, das Triebwerk auf einem Standplatz zu wechseln und die A330 wieder nach Düsseldorf zu bringen. Die Kosten dieser Übung beliefen sich auf eine Million Euro. Der Grund für die Panne war banal. Bei der Treibstoff-Zuführung werden Leitungen und Rohre mit Sand aus getrockneten und gemahlenen Apfelkernen sandgestrahlt. In einer Treibstoffleitung sind ein paar Sandkörner stecken geblieben!

«Die Luftfahrtindustrie bietet Menschen, die weltoffen sind, fast unbegrenzte Möglichkeiten.»

Wie halten Sie heute Kontakt zur Luftfahrtbranche? Verfolgen Sie die Entwicklungen aktiv oder sind Sie eher als Beobachter tätig?

Ich bin noch immer viel unterwegs, und deshalb hauptsächlich Kunde von Fluggesellschaften. Ich verfolge die Industrie mit Interesse aber eben als Vielflieger. Ich habe auch regelmässig Kontakt zu Ehemaligen. 1981 haben wir den «Swissair Teheran Hard-Ship Club» STHC gegründet. Die Mitarbeitenden, welche während der Revolution im Iran gearbeitet haben, treffen sich mindestens einmal im Jahr. Im Juni waren wir für ein paar Tage im Tessin für das 42igste Jahrestreffen. Der S-Kreis trifft sich auch 1–2-mal im Jahr. Das sind die Führungskräfte, die damals im Department S, unter der Leitung von Kurt Schmid gearbeitet haben.

Was würden Sie jungen Menschen, die heute eine Karriere in der Luftfahrt anstreben, mit auf den Weg geben?

Die Luftfahrtindustrie ist eine faszinierende Branche. Die Kombination von Technik, Innovation, Informatik, Dienstleistungen aller Art am Boden und in der Luft, bieten grossartige Job-Möglichkeiten. Die Luftfahrtindustrie bietet Menschen, die weltoffen sind, fast unbegrenzte Möglichkeiten, weltweit zu arbeiten, zu leben und sehr vieles zu erleben.

Haben Sie Pläne oder Interessen ausserhalb der Luftfahrt, denen Sie sich heute widmen?

Ich bezeichne mich gerne als «Global Citizen». Mich fasziniert die Welt, ich bin neugierig geblieben und die unterschiedlichen Kulturen interessieren mich noch immer und deshalb bin ich sehr häufig unterwegs, getreu dem Motto: der Weg ist das Ziel.


Peter Haslebachers Berufstationen:

  • 1973: Kloten - Eintritt in die Swissair Finanzabteilung Bereich Materialbuchhaltung. Peter Haslebacher zu seinem beruflichen Start: «Das war ein idealer Beginn, weil damit viele administrative Arbeiten im Zusammenhang mit Flugzeug-Ersatzteilbeschaffung, Wartung und Unterhalt verbunden waren. Der Grundstein war gelegt und das Kerosen begann durch die Adern zu fliessen.»
  • 1974: Ausbildung zum Auslandbuchhalter
  • 1975: Amsterdam - Finanzabteilung
  • 1975: Madrid – Leiter Frachtbuchhaltung
  • 1977: Tel Aviv – Deputy Head of Finance
  • 1979: Teheran – Head of Finance
  • 1982: Zürich - AAA Ausbildung zum Auslandsvertreter
  • 1983: Frankfurt – Head Marketing Deutschland und Osteuropa
  • 1986: Chicago – Head Midwest
  • 1989: Wien – Route Manager Östereich und Osteuropa
  • 1992: Genf - CEO Balair/CTA
  • 1996: Frankfurt - Route Manager Deutschland
  • 1999: Düsseldorf - CEO LTU
  • 2001-2005: Selbstständigkeit / Düsseldorf - CEO PWH Management – Restrukturierungen von KMU-Betrieben in Deutschland
  • 2003: London - SunGard Restrukturierung Organisationseinheit International SunGard
  • 2006: London – CEO Global Business Unit: Trading and Risk
  • 2006: London – CEO Global Business Unit:  Actuarial Insurance Solutions
  • 2010: Hongkong – CEO APAC Insurance Solutions
  • 2018: Selbständigkeit / Hong Kong – CEO/Founder Apacinsurtech Ltd.